Michka, die stets ein unabhängiges Leben geführt hat, muss feststellen, dass sie nicht mehr allein leben kann. Geplagt von Albträumen glaubt sie ständig, wichtige Dinge zu verlieren. Tatsächlich verliert sie nach und nach Wörter, findet die richtigen nicht mehr und ersetzt sie durch ähnlich klingende. Dies führt manchmal zu komischen Versprechern. «Gehen Sie nach draussen?» «Ja, ein bisschen, mit Marie. Einmal die Woche. Früher habe ich Balkonwanderungen gemacht, aber das schaffe ich jetzt nicht mehr.» «Balkonwanderungen?» «Ja, hin und schwer, wie ein Häftling ... Zehn Längen und manchmal sogar zwanzig, wenn ich gut in Form war.»
Die junge Marie, um die Michka sich früher oft gekümmert hat, bringt sie in einem Seniorenheim unter.
Delphine de Vigan entwickelt ihre Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven von Michka, Marie und dem Pfleger Jerome. Alle haben in ihrem Leben Verletzungen erlitten und Verluste erlebt.
Der Roman spiegelt einfühlsam das Leben. Alter, Krankheit, Tod, Verletzungen und Verluste und auch die Bedeutung von Mitmenschlichkeit. Und er hinterlässt die Frage, wofür wir selber dankbar sein sollten und ob wir diese Dankbarkeiten auch genügend zeigen bzw. gezeigt haben.
«Dankbarkeiten» ist ein Roman, bei dem ich dankbar bin, ihn gelesen zu haben.
Dumont Verlag, 2020, Fr. 31.00