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Kanton
30.10.2025
29.10.2025 23:26 Uhr

Zwangsmassnahmen aufarbeiten

Gedenkbrunnen für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen auf dem Spielplatz Kreuzbleiche in St.Gallen. (Archivbild)
Gedenkbrunnen für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen auf dem Spielplatz Kreuzbleiche in St.Gallen. (Archivbild) Bild: Linth24 / ZVG
Historiker unter der Leitung Loretta Seglias’ und Oliver Schneiders erforschen im Projekt «Sich der Vergangenheit stellen» problematische Aspekte der St.Galler Fürsorgegeschichte.

Fürsorgerisch begründete Zwangsmassnahmen waren Teil der Schweizer Sozialpolitik im 19. und 20. Jahrhundert. Der Kanton St.Gallen setzt sich seit einigen Jahren für die Aufarbeitung dieses Unrechts ein. Trotz bereits vorliegenden Studien zu administrativen Versorgungen, Auslandadoptionen und Medikamentenversuchen bleiben Fragen offen. Weiterhin fehlt es an einer Gesamtschau zur kantonalen Fürsorgegeschichte. Einzelne ihrer Aspekte, etwa im Bereich Zwangsarbeit, sind immer noch wenig erforscht.

Workshop zu dreijährigem Forschungsprojekt

Hier setzt das dreijährige Projekt des Departements des Innern an. Es hat zum Ziel, bisherige Forschungsergebnisse zur Geschichte der fürsorgerisch begründeten Zwangsmassnahmen im Kanton St.Gallen zusammenzuführen und thematische Lücken zu schliessen. Der Forschungsprozess ist partizipativ gestaltet, unter Einbezug verschiedener Akteurinnen und Akteure wie Betroffene, Opferberatungsstellen und Wissenschaft. Die Ergebnisse sollen breit vermittelt werden und die Betroffenen eine Stimme erhalten. Dazu fand kürzlich ein Workshop statt, an dem Betroffene, Forschende und Vertretende des Kantons teilgenommen haben, darunter Regierungsrätin Laura Bucher. Die Betroffenen konnten dabei ihre Erwartungen an das Projekt formulieren und bereits in diesem frühen Stadium wichtige Hinweise zu einzelnen Forschungsbereichen geben.

Weiterführende Informationen sowie die Kurzversion des Forschungskonzepts finden sich online.

Zwangsmassnahmen und Aufarbeitung in der Schweiz

Im 19. und 20. Jahrhundert kam es in der Schweiz zu hunderttausenden fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen. Betroffen waren Menschen, deren Lebensumstände nicht den allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Normen entsprachen. Die Betroffenen erlebten die Übergriffe von staatlichen, kirchlichen oder privaten Akteuren als einschneidend und traumatisch. Der Bund und die Kantone bemühen sich spätestens seit 2017 systematisch um die Aufarbeitung und Wiedergutmachung. Sie stützen sich dabei auf das Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG).

Im Kanton St.Gallen haben in den letzten Jahren über 700 Betroffene beim Staatsarchiv und der Opferhilfe nach Aktenzugang und Unterstützung gefragt. Der Bund richtet den Betroffenen auf Antrag Solidaritätsbeiträge in Höhe von 25'000 Franken aus. Zudem werden für die Betroffenen vom Kanton und der Stiftung Opferhilfe Vernetzungstreffen organisiert. Weitere direkte Unterstützungsmassnahmen werden derzeit geprüft. Am 21. September 2019 fand unter grosser Anteilnahme von Betroffenen ein kantonaler Gedenkanlass statt mit der Einweihung eines Erinnerungszeichens (Brunnen auf der Kreuzbleiche in der Stadt St.Gallen).

Staatskanzlei Kanton St.Gallen / Redaktion Linth24