Mitte August 2016 leitete der Stadtrat von Rapperswil-Jona gegen die Obersee Nachrichten (ON) seine Kesb-Klage ein.
Aufgrund eines Entscheids des Verlages Somedia, Chur, dem die ON damals gehörten, durften wir nach der Klage keine Berichte mehr zur Kesb schreiben. Und nach dem ersten Urteil zur Kesb-Klage entliess der ON-Verlag meinen Mitredaktor Mario Aldrovandi und mich. Damit drohten dem Stadtrat endgültig keine weitere Recherche-Artikel mehr zur Kesb Linth.
Stadtrat streitet mit dem Kesb-Chef
Trotzdem gingen die Probleme mit der Kesb weiter. Die Stadt- und Kesb-Akteure gerieten sich je länger je mehr in die Haare. Nur wusste jetzt, da die ON schweigen mussten, niemand mehr davon.
Hinter den Kulissen vollzog sich jedoch ein Trauerspiel der Sonderklasse: Der Stadtrat verteidigte den Kesb-Leiter vor Gericht mit dem Geld der Steuerzahler und tat damit so, als sei alles in Ordnung. Derweil es intern rumorte, dass die Balken krachten.
Anfang 2018 beklagten sich bei mir zuhause in individuellen Gesprächen drei Stadträte über den Leiter der Kesb Linth. Stadtrat Kurt Kälin betitelte diesen mit einem Wort, das ich hier nicht wiederholen kann. Stadtrat Ueli Dobler sagte, er könne die Probleme rund um die Kesb «nicht mehr verantworten». Es müsse «etwas geschehen». Und Stadtrat Thomas Rüegg tat kund, dass neue Kesb-Fälle den Stadtrat beschäftigen würden.
Stöckling: Stadtrat in «Geiselhaft»
Auch Stadtpräsident Martin Stöckling beklagte sich. Er sagte mir an einer Begegnung in der Stadt, der Kesb-Leiter verlange vom Stadtrat aufgrund des kantonalen Personalreglements die Weiterführung der Kesb-Klage. Und: Der Kesb-Leiter habe den Stadtrat «in Geiselhaft» genommen». Ausserdem gehe der Anwalt der Kesb-Klage (welcher von der Stadt finanziert wurde) mit dem Stadtrat «unglaublich arrogant» um. Er schreibe dem Stadtrat sogar brieflich vor, wie er sich bezüglich der Kesb-Klage zu verhalten habe.
Gemeinden kannten «schlechtes Verhältnis»
Markus Schwizer (†), Präsident von Kaltbrunn, sagte gegenüber Linth24 die Gemeindepräsidenten der Region Linth seien «über das seit langem schlechte Verhältnis zwischen der Stadtführung von Rapperswil-Jona und dem Kesb-Direktor» informiert gewesen. (zum Bericht von Linth24: www.linth24.ch)
Bald stadtbekannt war auch, dass der Kesb-Leiter den Stadtrat immer wieder wissen liess, er habe ihm nichts zu sagen.
Kesb-Leiter und Stellvertreterin gekündigt
Ab Frühling 2018 engagierte der Stadtrat für den Verkehr mit dem Kesb-Leiter einen Anwalt. Allein das zeigt, wie verheerend die Lage war. Monatelang unterhielten sich der Stadtrat und der Kesb-Chef nur noch per Mail – und der vom Stadtrat zugezogene Anwalt begleitete die Reibereien.
Am 23.Oktober 2018 explodierte die Situation. Der Stadtrat stellte den Kesb-Chef per sofort auf die Strasse. Gleichzeitig kündigte er dessen Stellvertreterin und teilte mit, das Vertrauen in die Kesb-Führung sei «nicht mehr gewährleistet».
Die Mär um die Entlassungs-Gründe
Was folgte, war ein nächstes Trauerspiel in diesem stadträtlichen Theater. Der mit dem Kesb-Leiter im Streit liegende Stadtrat spielte dessen sofortige Freistellung in der Öffentlichkeit herunter. Der für das Kesb-Dossier zuständige Stadtrat Roland Manhart sagte, man habe den Kesb-Chef nur wegen «administrativer und organisatorischer Differenzen» entlassen. Auf Tele Ostschweiz (TVO) stapelte er noch tiefer und sagte, es hätten «viele verschiedene kleine Sachen» zur Trennung geführt. Ansonsten habe der Kesb-Leiter «seine Arbeit gut gemacht».
Der Kesb-Leiter redete Klartext
Im Gegensatz zum Stadtrat redete der Leiter der Kesb Linth Klartext. Nach seiner Entlassung bestätigte er in einer Medienmitteilung vom 12. November 2018 die schweren Differenzen zwischen dem Stadtrat und ihm. Er klage den Stadtrat wegen «missbräuchlicher Kündigung» ein. Dieser habe seinen «Jahresbericht zensuriert», habe «keine Anstrengungen zur Rückgewinnung des verlorenen Vertrauens unternommen», das «sensible Kesb-Dossier einem nebenamtlichen Stadtrat zugewiesen», der «mit seinen ungeschickten Interventionen» die Kesb gegen sich aufgebracht habe. Stadtrat Manhart sei «mit der Situation überfordert» gewesen, habe aber das Dossier trotzdem nicht an einen anderen Stadtrat übergeben wollen. (Bericht dazu: www.linth24.ch)
Das Volk für dumm verkauft
Mit seiner zur Schau gestellten, gegenseitigen Fast-Zufriedenheit drehte der Stadtrat somit die Fakten auf den Kopf – und wollte damit wohl das Volk für dumm verkaufen. Wer stellt schon einen 53-jährigen Spitzenbeamten, den er schon seit Jahren mit Hunderttausenden von Franken vor Gericht verteidigt, und der anscheinend gute Arbeit geleistet hatte, wegen «kleiner Sachen» per sofort auf die Strasse? Und kündigt zugleich noch dessen Stellvertreterin?