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Gast-Kommentar
Kanton
06.08.2025
06.08.2025 19:44 Uhr

«Wild ist kein Gegner des Waldes»

Der St.Galler alt Nationalrat Peter Weigelt ist Präsident von RevierJagd St.Gallen und Mitglied der Jagdkommission des Kantons St.Gallen.
Der St.Galler alt Nationalrat Peter Weigelt ist Präsident von RevierJagd St.Gallen und Mitglied der Jagdkommission des Kantons St.Gallen. Bild: who-s-who.ch
In der Debatte werden das Wild und indirekt die Jagd für die Probleme des St.Galler Waldes hauptverantwortlich gemacht. Peter Weigelt, Präsident Revierjagd St.Gallen, wehrt sich.

Peter Weigelt, Präsident RevierJagd St.Gallen und Mitglied der Jagdkommission des Kantons St.Gallen, schreibt:

«Die Beziehung zwischen Wald und Wild beschäftigt alle beteiligten Akteure seit vielen Jahren. Zu Recht, denn die Verjüngung der Schutzwälder in unserem Kanton ist vielerorts eine Herausforderung. 2022 wurde mit einer von der Regierung unterstützten Kommissionsmotion versucht, das Rotwild als Täter dieser Probleme abzustempeln und der Jagd die Schuld zuzuweisen. Mit einer umfassenden Broschüre unter dem Titel «Wald ist mehr als Bäume» belegte die St.Galler Jagd, dass diese Schuldzuweisung absolut tatsachenwidrig war. Der Kantonsrat kippte in der Folge die von der Regierung unterstützte Motion mit 70:42 Stimmen.

In den vergangenen Monaten wurde in zahlreichen Medienberichten und im Frühsommer mit einem Vorstoss im Kantonsrat (Interpellation Grünenfelder, Bad Ragaz) die Platte vom Schalenwildbestand als Hauptverursacher der aktuellen Waldherausforderungen neu aufgelegt. Eine Fokussierung, die weiterhin zu kurz greift. Die Zusammenhänge sind komplexer, die Verantwortung deutlich breiter verteilt. Seitens der St.Galler Jagd stellen wir dieser einseitigen Darstellung einige sachliche Überlegungen entgegen.

Waldherausforderungen mit vielen Ursachen – Wild nur eine

Die Schutzwälder stehen unter Druck – das ist unbestritten. Doch die Ursachen sind vielfältig. Jahrzehntelange Monokulturförderung (v. a. Rottanne), Klimastress, Windwurf, Borkenkäferbefall, intensive Landwirtschaft etc. tragen wesentlich zur aktuellen Wald-Wild-Problematik bei. Der Wildverbiss mag lokal ein Symptom sein, das unter anderem mit Hilfe der Jagd angegangen werden muss. Es greift jedoch zu kurz, allein auf den Wildbestand zu zeigen.

Das Wild ist Teil des Ökosystems – nicht dessen Gegner

Unsere Wildtiere leben in einem Lebensraum, der vom Menschen stark beeinflusst ist. Der Rückgang offener Weideflächen infolge aufgegebener Alpweiden, dichte Waldbestände mit wenig Lichteinfall, zuwachsende Äsungsflächen und intensive Freizeitnutzung führen dazu, dass sich das Wild dorthin zurückziehen muss, wo Nahrung und Deckung noch vorhanden sind. Dies kann lokal zu erhöhtem Wilddruck führen, weil geeignete Rückzugs- und Ruhebereiche immer seltener werden. Es ist die gemeinsame Aufgabe von Jagd, Forst, Landwirtschaft und Behörden, Lebensräume zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Natur reguliert sich nicht allein über politisch verordnete Bejagung. Lebensraumgestaltung und Waldumbau gehören zwingend dazu.

Jagd trägt Verantwortung – und übernimmt diese seit Jahren

Die Abschusspläne werden im Kanton St.Gallen weitgehend erfüllt und teilweise sogar übertroffen. So wird erfolgreich auf eine Regulation des weiblichen Rotwildbestands hingearbeitet, um die Reproduktion nachhaltig zu beeinflussen (Rückgang gemäss Zählung 2025 im Sarganserland um über 10%). Die Jagd geschieht heute unter hohem öffentlichem Druck, mit grossem zeitlichem Einsatz, viel Verantwortung, Augenmass und oft unter aufwändigen Auflagen. 

Die St.Galler Jagd ist bereit, diese Verantwortung weiterhin zu tragen und sich auch neuen Herausforderungen, etwa im Umgang mit Grossraubwild, zu stellen. Pauschale, politisch motivierte Schuldzuweisungen entwerten dieses Engagement jedoch und untergraben die Motivation der Milizjagd.

Lösungen durch Zusammenarbeit statt Stimmungsmache

Statt einseitiger Stimmungsmache über die Medien braucht es einen lösungsorientierten Dialog zwischen Förstern, Jägern, Waldeigentümern, Landwirten und Behörden. Schutzwaldpflege, Lebensraumverbesserung, Bejagung und Eigentümerverantwortung müssen gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden. Die Politik ist gefordert, diesen Prozess aktiv zu unterstützen. Vereinfachte Schwarz-Weiss-Erklärungen greifen zu kurz. Die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge sind komplex und erfordern vernetztes Denken.

Fazit

Ein gesunder Wald lebt von der Vielfalt an Baumarten, Lebensräumen und auch Wildtieren. Die Jagd bleibt gefordert und steht weiterhin bereit, ihren Teil zum Gleichgewicht beizutragen. Doch tragfähige Lösungen entstehen nur, wenn alle Beteiligten gemeinsam Verantwortung übernehmen. Denn der Wald gehört uns allen – und Wald besteht aus mehr als nur aus Bäumen.»

Peter Weigelt, Präsident RevierJagd St.Gallen und Mitglied Jagdkommission Kanton St.Gallen