Die FDP unter ihrem damaligen Präsidenten Martin Stöckling, die CVP und der Stadtrat zogen 2015 derart über die Institution Parlament her, als gäbe es für Rapperswil-Jona nichts Schlimmeres. Das Volk glaubte ihnen und versenkte im Juni 2015 das Vorhaben an einer Bürgerversammlung haushoch.
180-Grad-Spitzkehre
Nun haben die Parteien Die Mitte (ehem. CVP), die FDP, Stadtpräsident Stöckling und sein Stadtrat eine 180-Grad-Spitzkehre hingelegt. Sie tun jetzt auf einmal so, als sei ein Parlament das Beste auf Erden. Und wenn es keins gebe, gehe die Stadt unter.
Offenbar aber merken die Wendehälse, wie irritierend das auf Viele wirkt. In langen Schreiben versuchen sie deshalb, ihre Pirouetten zu begründen. Am Ende dieses Berichts zeige ich, wie schlecht das gelingt
Bürgerrechte abschaffen
Am kommenden 12. März stimmt Rapperswil-Jona also erneut über ein Parlament ab. Diesmal auf Initiative von Stöcklings Stadtrat, seiner FDP und weiteren Ortsparteien. Sie alle wollen mit der tendenziell irreführenden Abstimmungsfrage «Wollen Sie der Gemeindeordnung zustimmen» für Rapperswil-Jona ein 36-köpfiges Parlament einführen. Und damit die heutige Bürgerversammlung, das Stadtforum und viele Bürgerrechte abschaffen.
System hat sich bewährt
Und das, obwohl Stadtpräsident Stöckling noch 2019 der «Solothurner Zeitung» sagte, dass sich unser politisches System ohne Parlament «bewähre».
Genau das schrieb Stöckling als Präsident des Anti-Parlaments-Komitees schon 2015 in einen in alle Haushalte verteilten Flyer.
Bürger-Ausschluss
Dass ein Parlament Rapperswil-Jona nur schaden bringen würde, war schon auf Seite 1 zu lesen: «Das Parlament lähmt die Stadt, blockiert die Verwaltung und führt zu höheren Steuern», schrieb Stöckling, seine FDP und die CVP.
In der Einführung des 4-seitigen Flyers stand: «Wenn die Bürgerversammlung abgeschafft wird und wir Bürger von der politischen Mitsprache ausgeschlossen sind, steht zu viel auf dem Spiel. Schliesslich haben nicht umsonst alle kantonalen Parlaments-Städte einen höheren Steuerfuss als unsere Gemeinde».
Wertvolle Bürgerversammlung
Unter dem Titel «Warum sollen 36 Parlamentarier besser sein?» schrieben FDP, CVP und Stöckling: «Die Bürger sind kompetent, die Bürgerversammlung ist von hohem Wert.»
Zum Thema Geld heisst es: Das Parlament verursache hohe Kosten, für die Parlamentarier-Löhne, die Infrastruktur, Sitzungsgelder sowie in der Verwaltung. Ein Parlament wirke sich auf die Gemeinde «generell ausgabenerhöhend aus».
Freude an Parlaments-Aus
Unter der Schlagzeile «Dauerwahlkampf» steht: «Parlamentarier müssen auffallen, was Populismus fördert und zu überflüssigen Vorstössen führt.»
Und weiter: Das Parlament sei «vielerorts umstritten» und werde deshalb wieder abgeschafft.
Dazu verfasste Stöckling am 5. Juni 2015 eine Medienmitteilung. und schrieb, er nehme «mit Befriedigung zur Kenntnis, dass man in der Gemeinde Glarus Nord das Parlament bereits nach 4 Jahren als Fehler ansehe» und wieder abschaffen wolle.
Keine Verantwortung
Es kommt noch dicker: Das Parlament sei eine «Schattenregierung ohne Verantwortung», so Stöckling. Parlamentarier seien «ihren Parteien verpflichtet», deshalb entstünden in einem Parlament «parteipolitische Ränkespiele».
Der Zürichsee-Zeitung sagte FDP-Präsident Stöckling: Mit einem Parlament sei «mit massiv längeren Entscheidungszeiträumen zu rechnen». Parlaments-Meinungen seien «meistens nur parteipolitisch begründet». Dem Parlamentarier gehe es vor allem um «das Durchsetzen seiner politischen Ziele»
Yvonne Suter blieb sich treu
Man glaubt es kaum: Diejenigen, die 2015 das Parlament derart deutlich und ganz grundsätzlich als nutzlose, teure und die Stadt lähmende Regierungsform darstellten, wollen den Bürgerinnen und Bürgern von Rapperswil-Jona nun mit schwachen Argumenten genau diesen Giftschrank andrehen.
Man muss wohl Politiker sein, um sich solches zu getrauen. (Und darüber hinaus noch über das «Misstrauen gegenüber der Politik» zu jammern, wie dies die FDP in ihrem Spitzkehre-Schreiben tut– siehe weiter unten.)
Trotzdem darf man nicht alle Politiker in denselben Topf werfen. Stöcklings damalige Co-Präsidentin, Yvonne Suter (Die Mitte), blieb sich treu. Sie wirbt aktuell mit einem Video für den Erhalt der Bürgerversammlung und tritt gegen das Parlament an.