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Rapperswil-Jona
28.01.2023
29.01.2023 20:47 Uhr

Parlament: Die Wendehälse von FDP und Die Mitte (CVP)

Niemand muss das Parlament schlecht reden. Die Politiker stellen ihm von sich aus ein himmeltrauriges Zeugnis aus.
Niemand muss das Parlament schlecht reden. Die Politiker stellen ihm von sich aus ein himmeltrauriges Zeugnis aus. Bild: jg / zVg
Die Parteien FDP und CVP schossen 2015 aus allen Rohren gegen ein Parlament. Das zeigen Akten, die Linth24 hier offenlegt. Fazit: Auf die Parteien ist kein Verlass. Kommentar von Bruno Hug

Die FDP unter ihrem damaligen Präsidenten Martin Stöckling, die CVP und der  Stadtrat zogen 2015 derart über die Institution Parlament her, als gäbe es für Rapperswil-Jona nichts Schlimmeres. Das Volk glaubte ihnen und versenkte im Juni 2015 das Vorhaben an einer Bürgerversammlung haushoch. 

180-Grad-Spitzkehre

Nun haben die Parteien Die Mitte (ehem. CVP), die FDP, Stadtpräsident Stöckling und sein Stadtrat eine 180-Grad-Spitzkehre hingelegt. Sie tun jetzt auf einmal so, als sei ein Parlament das Beste auf Erden. Und wenn es keins gebe, gehe die Stadt unter.

Offenbar aber merken die Wendehälse, wie irritierend das auf Viele wirkt. In langen Schreiben versuchen sie deshalb, ihre Pirouetten zu begründen. Am Ende dieses Berichts zeige ich, wie schlecht das gelingt

Bürgerrechte abschaffen

Am kommenden 12. März stimmt Rapperswil-Jona also erneut über ein Parlament ab. Diesmal auf Initiative von Stöcklings Stadtrat, seiner FDP und weiteren Ortsparteien. Sie alle wollen mit der tendenziell irreführenden Abstimmungsfrage «Wollen Sie der Gemeindeordnung zustimmen» für Rapperswil-Jona ein 36-köpfiges Parlament einführen. Und damit die heutige Bürgerversammlung, das Stadtforum und viele Bürgerrechte abschaffen. 

System hat sich bewährt

Und das, obwohl Stadtpräsident Stöckling noch 2019 der «Solothurner Zeitung» sagte, dass sich unser politisches System ohne Parlament «bewähre».
Genau das schrieb Stöckling als Präsident des Anti-Parlaments-Komitees schon 2015 in einen in alle Haushalte verteilten Flyer

Bürger-Ausschluss

Dass ein Parlament Rapperswil-Jona nur schaden bringen würde, war schon auf Seite 1 zu lesen: «Das Parlament lähmt die Stadt, blockiert die Verwaltung und führt zu höheren Steuern», schrieb Stöckling, seine FDP und die CVP.

In der Einführung des 4-seitigen Flyers stand: «Wenn die Bürgerversammlung abgeschafft wird und wir Bürger von der politischen Mitsprache ausgeschlossen sind, steht zu viel auf dem Spiel. Schliesslich haben nicht umsonst alle kantonalen Parlaments-Städte einen höheren Steuerfuss als unsere Gemeinde».

Wertvolle Bürgerversammlung 

Unter dem Titel «Warum sollen 36 Parlamentarier besser sein?» schrieben FDP, CVP und Stöckling: «Die Bürger sind kompetent, die Bürgerversammlung ist von hohem Wert.»

Zum Thema Geld heisst es: Das Parlament verursache hohe Kosten, für die Parlamentarier-Löhne, die Infrastruktur, Sitzungsgelder sowie in der Verwaltung. Ein Parlament wirke sich auf die Gemeinde «generell ausgabenerhöhend aus».

Freude an Parlaments-Aus

Unter der Schlagzeile «Dauerwahlkampf» steht: «Parlamentarier müssen auffallen, was Populismus fördert und zu überflüssigen Vorstössen führt.»
Und weiter: Das Parlament sei «vielerorts umstritten» und werde deshalb wieder abgeschafft.
Dazu verfasste Stöckling am 5. Juni 2015 eine Medienmitteilung. und schrieb, er nehme «mit Befriedigung zur Kenntnis, dass man in der Gemeinde Glarus Nord das Parlament bereits nach 4 Jahren als Fehler ansehe» und wieder abschaffen wolle.

Keine Verantwortung

Es kommt noch dicker: Das Parlament sei eine «Schattenregierung ohne Verantwortung», so Stöckling. Parlamentarier seien «ihren Parteien verpflichtet», deshalb entstünden in einem Parlament «parteipolitische Ränkespiele».

Der Zürichsee-Zeitung sagte FDP-Präsident Stöckling: Mit einem Parlament sei «mit massiv längeren Entscheidungszeiträumen zu rechnen». Parlaments-Meinungen seien «meistens nur parteipolitisch begründet». Dem Parlamentarier gehe es vor allem um «das Durchsetzen seiner politischen Ziele»

Yvonne Suter blieb sich treu

Man glaubt es kaum: Diejenigen, die 2015 das Parlament derart deutlich und ganz grundsätzlich als nutzlose, teure und die Stadt lähmende Regierungsform darstellten, wollen den Bürgerinnen und Bürgern von Rapperswil-Jona nun mit schwachen Argumenten genau diesen Giftschrank andrehen.
Man muss wohl Politiker sein, um sich solches zu getrauen. (Und darüber hinaus noch über das «Misstrauen gegenüber der Politik» zu jammern, wie dies die FDP in ihrem Spitzkehre-Schreiben tut– siehe weiter unten.)

Trotzdem darf man nicht alle Politiker in denselben Topf werfen. Stöcklings damalige Co-Präsidentin, Yvonne Suter (Die Mitte), blieb sich treu. Sie wirbt aktuell mit einem Video für den Erhalt der Bürgerversammlung und tritt gegen das Parlament an.

Begründung der FDP Rapperswil-Jona zu ihrer Spitzkehre:

In ihrer Medienmitteilung vom 23. Januar begründete die FDP ihre Spitzkehre und schrieb: «Die FDP hält das aktuelle System (von Rapperswil-Jona) nicht für ein „Erfolgsmodell“. Dass die Stadt trotz zahlreichen gescheiterten Projekten und Fehlentwicklungen immer noch gut dasteht, verdankt sie nicht dem politischen System.»

Mein Kommentar: Hat die FDP auch schon erwogen, dass es am Stadtrat liegen könnte, dass Rapperswil-Jona «zahlreiche gescheiterte Projekte und Fehlentwicklungen» hinter sich hat?

Die FDP schreibt, es «greife zu kurz», einzelne Passagen aus ihrem gegen ein Parlament gerichteten Positionspapier und aus einem Stöckling-Interview von 2019 zu zitieren.

Mein Kommentar: Warum? Beide Dokumente dokumentieren, wie der Stadtpräsident und seine FDP über ein Parlament denken. Das ist relevant für alle, die am 12. März die Frage «Wollen Sie der Gemeindeordnung zustimmen» beantworten. (Ein NEIN wäre auch ein NEIN zum Parlament)

Die FDP schreibt: «Das politische und gesellschaftliche Umfeld habe sich seit der letzten Abstimmung zum Stadtparlament von 2015 stark verändert.»

Mein Kommentar: Seit 2015 wuchs die Zahl der Stimmberechtigten in Rapperswil-Jona lediglich um 803 Personen. Die Stadt ist also 2023 fast dieselbe wie 2015. Das Einzige, was sich änderte: Sie bekam eine neue, von der FDP geführte Regierung.

Die FDP schreibt: Die Reduktion des Medienkonsums, die sozialen Medien und ein zunehmendes Desinteresse oder Misstrauen gegenüber der Politik erschwere die politische Arbeit.

Mein Kommentar: Es gibt in der Stadt die Linth-Zeitung, die ON und Linth24. Also mehr Medien als 2015. Und zweitens: Eine offene, und vor allem ehrliche  Kommunikation wäre das beste Mittel, um Misstrauen abzubauen. Dafür braucht es kein Parlament, sondern Charakter.

Die Pirouette von Die Mitte (Ex CVP)

Die Mitte schreibt in ihrer Mitteilung zu ihrer 180-Grad-Spitzkehre, seit 2015 habe sich die Stadt verändert. Das Haushaltsbudget habe sich um 30 Mio. Franken erhöht.

Mein Kommentar: Das ist falsch, ja, eigentlich gelogen. Das Budget der Stadt betrug 2015 total 154 Mio., 2022 waren es 170 Mio. Das Budget stieg also um 16 und nicht um 30 Mio.., also um rund 10%. Rapperswil-Jona ist 2022 somit in Etwa dieselbe Stadt wie 2015.

Die Mitte (ex CVP) schreibt: Es gebe gegenüber 2015 einen veränderten Medienkonsum. Und «Besserwisser» auf den digitalen Kanälen».

Mein Kommentar: Die Gesamtheit der Sozial-Media-Nutzer stieg zwischen 2015 und 2022 um 6 %. Deswegen eine neue Regierungsform zu verlangen, ist abwegig. Und die Sozial-Media-Nutzer als «Besserwisser» zu beleidigen, ist daneben. Offenbar wussten diese in den letzten Jahren besser, was gut ist für die Stadt als der Stadtrat. Deshalb will er sie nun wohl loshaben. 

Bruno Hug