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Sport
23.08.2021
24.08.2021 21:21 Uhr

Olympia-Tagebuch: Letzte Tage in der Schweiz

Tagebucheintrag Nr. 5: Letzte Tage und finale Vorbereitungen für die Paralympischen Spiele.
Tagebucheintrag Nr. 5: Letzte Tage und finale Vorbereitungen für die Paralympischen Spiele. Bild: Sandra Stöckli
Die Rapperswiler Athletin Sandra Stöckli darf nun endlich die Reise nach Tokio antreten. In ihrem letzten Tagebuch-Eintrag aus der Schweiz berichtet sie von den finalen Vorbereitungen.
  • Tagebuch von Sandra Stöckli

«Ich melde mich zu meinem letzten Olympia-Tagebuch aus der Schweiz. Momentan sitze ich auf gepackten Koffern und Kisten. Heute (Montag) Morgen habe ich bereits vor sechs Uhr begonnen zu trainieren, am Mittag habe ich noch einen Massage-Termin und so um sechs Uhr geht es dann zum Flughafen, da am Abend, kurz vor elf Uhr, mein Flieger nach Tokio startet.

Spezielle letzte Tage

Die letzten Tage waren sehr speziell für mich. Ich habe mich von mehreren Teammitgliedern wie meiner Physiotherapeutin, meinem Mechaniker, Krafttrainer, etc. – welche nicht mit auf Japan kommen, mich aber schon seit Jahren begleiten und mit einem grossen Einsatz hinter mir stehen – verabschiedet. Auch mein Trainer kann leider nicht mitkommen und wird mich von der Schweiz aus dank der modernen Technik optimal coachen. Ich habe aber einen tollen Staff dabei und fühle mich sehr wohl.

Aktuell bin ich erstaunlich ruhig, bis jetzt verspüre ich noch keine Nervosität, nur eine grosse Freude auf die Paralympics respektive auf meine beiden Rennen und ich bin sehr froh, dass es nun endlich losgeht: Ich bin nämlich bereit für Tokio.

Ein letztes Training am Zürichsee, natürlich bereits schon im Olympia-Trikot. Bild: Sandra Stöckli

Zeitverschiebung in Tokio

In Tokio haben wir eine Zeitverschiebung von 7 Stunden. Da wir aus bekannten Gründen erst sehr kurz vor dem Start der Paralympischen Spiele anreisen dürfen, habe ich bereits in den letzten Tagen mit dem Angewöhnen an die «japanische Zeit» begonnen, um dann so in Japan wenig bis gar keinen Jet-Leg zu verspüren. Das heisst, ich begann früher aufzustehen und früher ins Bett zu gehen – jetzt, um 9:00 Uhr am Morgen, bin ich schon sehr lange wach und werde dann gleichzeitig mit den Hühnern bereits schlafen gehen.

Ein richtiger Gepäckkampf

Als Velofahrerin reist man mit sehr schwerem und grossem Gepäck an. Ich liebe meine Sportart, aber ganz ehrlich, dieser ganze Gepäckkampf müsste echt nicht sein – da haben es zum Beispiel die Schwimmer schon viel einfacher als wir Radsportler.

An den Flughafen reise ich heute Abend mit der folgenden Ausrüstung:

  • Ich habe zwei top Rennvelos dabei. Das eine Velo ist in einer ca. 2 Meter langen Kartonschachtel verstaut, das andere in einer 1.5 Meter Kiste. D.h., das zweite Velo muss ich auseinander nehmen, um es zu verpacken (wie ich ein Velo ein- und wieder auspacke sieht man im untenstehenden Video von Morawitz Nicolai/Swiss Paralympic, als ich nach Portugal gereist bin.)
  • Dann habe ich natürlich meinen randvollen Suisse-Koffer dabei, welchen wir Athleten beim Kleiderabgabe-Tag erhielten und auf welchen ich sehr stolz bin
  • Zusätzlich habe ich noch mehrere Kisten dabei, in welchen sich das ganze Ersatzmaterial befindet – alleine mit diesem Material könnte ich schon fast ein drittes Velo zusammensetzten. Ich bin bei diesem Thema vielleicht ein wenig extrem, aber ich möchte wirklich auf alles vorbereitet sein

Wie man sieht, fliegt ganz schön viel Material mit mir nach Tokio – der Wert davon ist immens.

Viel Detailarbeit muss erledigt werden

Die ganze Packerei klingt vielleicht nicht nach so viel Arbeit, aber ich war zusammen mit meinem Mann etwa drei Stunden dran und das, obwohl ich in den letzten Tagen bereits alles vorbereitet habe.

Es gibt halt viel Detailarbeit, die gemacht werden muss. So zum Beispiel muss ich mein Velo mit meinem Namen anschreiben oder verschönern mit dem Schweizer Kreuz. Da ich das Ganze sehr genau nehme, braucht dies natürlich entsprechend viel Zeit.

  • 8 Räder kommen mit nach Tokio. Bild: Sandra Stöckli
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  • Alles muss perfekt sein – mit Liebe zum Detail. Bild: Sandra Stöckli
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  • Sandra Stöckli ist fleissig am Packen. Bild: Sandra Stöckli
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  • Das gesamte Gepäck muss mit den Tokio-Tags bezeichnet werden. Bild: Sandra Stöckli
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Die wichtigsten Gegenstände im Koffer

Mein Koffer war zum Glück ein wenig schneller gepackt, da ich schon vor einer Woche mit Packen begonnen habe. Was darin auf keinen Fall fehlen darf sind folgende Dinge:

  • Mein Geburtstagsgeschenk von meinem Mann, welches ich am 29. August (meinem Geburtstag) auspacken darf
  • Mein Arvenkissen. In den Hotelzimmern hat es fast immer diesen «Hotelzimmer-Geruch», und der wirkt automatisch befremdend. Mit meinem Arvenkissen kann ich dann rein mit dem Geruch eine bekannte, vertraute Atmosphäre gestalten. Der Geruch von Arven erinnert mich nämlich an Davos, meine zweite Heimat, und gibt mir selbst im weit entfernten Japan ein heimeliges, geborgenes Gefühl
  • Natürlich dürfen auch die vielen Dokumente, welche ich ausfüllen musste, nicht fehlen. Dazu müssen auch die PCR-Tests mit dabei sein: Ich musste 92 und 72 Stunden vor dem Abflug einen solchen machen (zum Glück war das Ergebnis negativ) und sicherheitshalber habe ich diesen vierfach ausgedruckt dabei

Die Reise zum Flughafen

Dadurch, dass ich so viel Gepäck aber keinen Lieferwagen besitze, müssen wir mit zwei Autos nach Kloten fahren, in einem die grosse Kiste, mein Koffer, mein Rollstuhl, ich und der Chauffeur und im zweiten Auto das restliche Material. Meine Eltern reisen auch mit an den Flughafen, doch ich bin mir nicht ganz sicher, ob meine Mutter auch mitkommt, da sie schon jetzt dermassen nervös ist und es nicht wisse, ob sie es bis nach Zürich schafft.

Ich stelle mich auf eine lange Reise und auf eine lange Wartezeit in Japan ein, somit habe ich im Handgepäck viel Proviant dabei, um nicht in einen Hungerrast zu gelangen. Doch ich freue mich extrem auf den Flug und die Ankunft und die Spiele in Tokio.

  • Vollbeladen geht es auf zum Flughafen und auf nach Tokio. Bild: Sandra Stöckli
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  • Bild: Sandra Stöckli
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Linda Barberi, Linth24