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Kultur
12.09.2024
12.09.2024 18:16 Uhr

Grenzen – künstlerisch betrachtet

Der Kunstverein Oberer Zürichsee besuchte die Ausstellung ARS Termini der IG Halle mit tiefsinnigen und beeindruckenden Werken von fünf Kunstschaffenden.
Der Kunstverein Oberer Zürichsee besuchte die Ausstellung ARS Termini der IG Halle mit tiefsinnigen und beeindruckenden Werken von fünf Kunstschaffenden. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
Der Kunstverein Oberer Zürichsee besuchte die Ausstellung ARS TERMINI der IG Halle im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil mit tiefsinnigen Arbeiten zum Thema Grenzen/Grenzüberschreitungen.

Der Ausdruck Ars Termini stammt vom mythologischen, römischen Gott Terminus, zuständig für Grenzen und Garant der Rechtssicherheit. Die Kunstschaffenden Roger Eberhard, Maharisikaa Preeti, Fraenzi Neuhaus, Beatrice Minda und Kurt Caviezel widmen sich teils schon seit mehreren Jahren diesem Thema und erschaffen Arbeiten, die aufrütteln, sich dem Betrachtenden aber erst nach genauerem Hinsehen oder Erläuterung erschliessen. Sehr verschiedene und teilweise eigenwillige Betrachtungsweisen des Themas kommen zur Geltung.

Es ist bereits die 103. Ausstellung der IG Halle. Kurator und Co-Präsident der IG Halle Guido Baumgartner führte durch die Ausstellung und erläuterte viele interessante Details. Die Ausstellung sei einerseits ein Spiegel der Zeit, aber ebenso der Zukunft, besonders durch die Arbeiten von Maharishikaa Preeti mit ihrem pionierhaften Konzept von lebenden Kunstwerken – den ArtBeings. Diese sind zu einigen Anlässen in der Ausstellung anwesend. Dabei werden die Grenzen der Wahrnehmung gemäss Kurator Baumgartner ebenso gedehnt wie der vorherrschende Kunstbegriff.

  • Durch die Ausstellung führte Kurator Guido Baumgartner (l.). Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
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  • Bild des Eckerstaudamms, wo einst die innerdeutsche Grenze verlief. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
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Willkürliche Grenzen

Nicht immer sind Grenzen, auch Landesgrenzen, eindeutig. Sie können sich aufgrund geologischer Veränderungen, von Eroberungen oder Friedensverträgen verschieben. Roger Eberhard hat solche Orte fotografiert, beispielsweise die Stadt Shenzhen in China – eine Sonderverwaltungs- und Wirtschaftszone –, eine Steppe in Südafrika oder gar eine Sesselliftstation in den Schweizer Alpen. Es sind Schauplätze von Umbrüchen, Konflikten, dramatischen Schicksalen oder schlicht von geologischen Veränderungen.

Ein Foto zeigt den Eckerstaudamm im Harzgebirge, der während des zweiten Weltkriegs von Kriegsgefangenen in Fronarbeit errichtet wurde. Die Grenze zwischen West- und Ostdeutschland verlief anschliessend mitten durch den Staudamm, und in den vierzig Jahren ihres Bestehens starben viele Menschen beidseits dieser Grenze. Noch heute gebe es viele solche Grenzstreite, so Baumgartner. Gezeigt wird auch ein Foto des Furggsattel-Skilifts, Zermatt, aus dem Jahr 2017. Die Grenze zwischen der Schweiz und Italien verläuft hier entlang der Wasserscheide. Doch schmolz inzwischen der Gletscher ab, und die Grenze verschob sich. Nun steht der Skilift auf Schweizer Gebiet, sodass die bisherigen Mietzahlungen an Italien dahinfallen.

Zwischen Innen- und Aussenraum

Beatrice Minda zeigt Fotografien aus den Jahren 2010/11 aus dem Iran. Sie überschreitet dabei die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Raum, sodass sie ungewöhnliche Einblicke in Innenhöfe und Wohnräume ermöglicht. Die Bilder offenbaren viel über die Geschichte und Kultur des Landes und zeigen Vergänglichkeit und Wandel auf. So ist ein sogenannter «korsi» zu sehen, ein persischer Heiztisch, den es kaum noch gibt. Ein glühendes Kohlebecken diente den am Tisch versammelten Menschen als Heizung. Unter dem Tisch hingegen bot sich im Verborgenen Raum für Berührungen. Wohlhabende Familien hatten einen speziellen repräsentativen Raum für Gäste, die anderen Räume waren privat und dienten gemäss Bildbeschreibung ausschliesslich der Familie.

Guido Baumgartner (l.) erläutert eine Installation. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee

Räume als Grenzen

Die Installation von Fraenzi Neuhaus, ein Tunnel aus biegsamen Kunststoffrohren und Kabelbindern, die dem Gebilde einen stacheligen Eindruck verleihen, ist begehbar und grenzt Innen- und Aussenraum voneinander ab. Sie wurde eigens für diese Ausstellung von der Solothurner Künstlerin geschaffen. Das auffällige Werk soll Grenz-Erfahrungen vermitteln. Wie fühlt man sich beim Durchschreiten des künstlichen Tunnels? Gefangen oder beschützt? Die Reaktionen sind laut dem Kurator sehr verschieden.

Globale Vernetzung und ihre Grenzen

Kurt Caviezel befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema Vernetzung und nutzt Webcams seit über zwanzig Jahren als künstlerisches Medium. Mit Caviezels Installation taucht man ein in die moderne vernetzte Welt. Mit Livestreams von Webcams und Bildern aus Überwachungskameras aus der ganzen Welt bespielt er die neun Wandbildschirme in der Ausstellung. Da sind Bilder von Fussgängern, Häusern, Büros, Verkäuferinnen am Ladentisch etc. zu sehen. Es fragt sich: Wem gehören diese Bilder? Sind sie öffentliches Gut und jedem zugänglich? Ist diese Kunst grenzwertig? Aus diesem Langzeitprojekt ist inzwischen ein Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Winterthurer Hochschule ZHAW entstanden: die Live Bild-Maschine «Watching the World». Sie ist öffentlich zugänglich.

Ein Spiegel (l.) und eine begehbare Kunstinstallation sind Teil der Ausstellung ARS Termini im Kunst(Zeug)Haus. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee

Lebende Kunstwerke

Die Künstlerin Maharishikaa Preeti arbeitet mit Menschen als lebende Kunstwerke. Mitten im Raum hängt ein grosser Spiegel und lädt zur Selbstreflexion ein. Wer sich darin spiegelt, kann sich als potenzielles Kunstwerk wahrnehmen. Damit verschiebt die Konzeptkünstlerin den Fokus vom Objekt auf den Menschen. In ihrem ArtBeings-Projekt dient der PreetiMirror als Werkzeug der Transformation, so Baumgartner. Preeti ist bis etwa 2000 international durch Filmwerke bekannt geworden. Sie hat bis dato den einzigen Film im Bergeller Dialekt mit Personen aus Stampa geschaffen, wofür sie den Filmpreis des Bundesamts für Kultur erhielt. Seit 2002 arbeit sie am Langzeitprojekt ArtBeings.

Die Ideenvielfalt der Ausstellung ist überwältigend und regt gleichzeitig zur Diskussion über Kunstformen und ihren Inhalt an. Die Ausstellung läuft noch bis 3. November 2024. Weitere Informationen: www.ighalle.ch.

Antoinette Lüchinger, Kunstverein Oberer Zürichsee