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Rapperswil-Jona
24.02.2020
24.02.2020 00:30 Uhr

Wochenkommentar: Qualitäts-Journalismus

Es gibt eine schrumpfende Anzahl von Zeitungen mit immer weniger Seiten und Artikeln. Schlimm ist das nicht, wenn wenigstens die Qualität stimmen würde.

Vor 25 Jahren starb Hanns Joachim Friedrichs. Er war eine Journalismus-Ikone: Zuletzt als Moderator der «ARD-Tagesthemen», grau im Haar, mit viel grauer Substanz im Kopf. Friedrich sagte im letzten Interview, die Aufgabe eines Journalisten sei «zu informieren und zu erhellen, also aufzuklären». Das einfache Journalismus-Credo ist bis heute nicht in der lokalen Zeitung angekommen.

Skandalisierung von Ton-Steine-Scherben

Fakt ist: Auf dem Grundstück von Roger Federer in Kempraten wurden Ton-Scherben und Mauersteine gefunden. Herkunft unklar. Das schrieb die Linthzeitung im Sommer. Mitte August meldet sich der Verein «Rives Publiques» aus dem Kanton Waadt und verlangte einen Trampelpfad zwischen dem See und dem Grundstück von Federer.  

Ab jetzt gab es für das Lokalblatt kein Halten mehr, dafür eine Serie satter Federer Schlagzeilen. Die absurde Forderung wurde auch dieses Jahr am 6. Januar und 8. Januar kampagnenartig aufgewärmt. Dass Rives Publiques als Verein praktisch inexistent ist, vor über drei Jahren seine letzte Generalversammlung abhielt und nicht einmal ihre Webseite funktioniert, erfuhren die Leser der Linth-Zeitung nicht. 

Stattdessen wurde am 21. Januar und 23. Januar Silvia Kündig, ehemals grüne Kantonsrätin und nicht gewählte Stadtratskandidatin, ins Spiel gebracht. Titel in der Linth-Zeitung: «Federer muss wegen Seeweg bangen». Kündig unterstütze Rive Publiques. Dieser Support basierte allerdings auf der Fehlinterpretation eines ZGB-Gesetzes-Artikels und verglühte wie eine Sternschnuppe.

Am 20. Februar meldet die Linth-Zeitung: Rives Publiques habe die Einsprache zurückgezogen. Trotzdem skandalisiert das Blatt: «Das ist aber nicht per se eine gute Nachricht für Tenniscrack Federer.» Nun habe ein neuer Verein eine Einsprache angekündigt. Dieses Mal heisst er «Aqua Viva» mit Sitz in Schaffhausen. Diesen Verein stört nicht das Fehlen eines Trampelpfades. Ihm passt nicht, dass Federer den See vor seinem Grundstück von Abfall befreien will. Dass sich Aqua Viva möglicherweise zu spät eingemischt hat, steht nirgends.

Journalistische Fehlleistungen

Dass sich die «einzige Tageszeitung im Linthgebiet» mit Erhellen und Aufklären schwer tut, ist nicht neu.

Im Juni versammelten sich ein paar dutzend Frauen in Rapperswil zum «Frauenstreik». Der aufgebauschte Titel: «Hunderte von Frauen streikten friedlich in Rapperswil-Jona». 

Und kurz zuvor hatte der Besitzer der Linth-Zeitung dargelegt, dass er noch mehr Subventionen aus Bern möchte. Beim Vortrag waren zehn Zuschauer anwesend, davon vier seiner Angestellten. Der peinliche Anlass wurde für die hauseigene Zeitung so fotografiert, dass man glauben konnte, es hätte viele interessiert was Hanspeter Lebrument zu sagen hat.

Schonung des Firma-Chefs, Solidarisierung mit Gleichgesinnten, Skandalisieren statt Faktencheck. Wenn solche Fehlleistungen von Anfängern in Gratiszeitungen publiziert werden, ist das nicht gut. Wenn aber für diese Art Journalismus auch noch 479.- Franken Abo-Gebühren pro Jahr verlangt werden, ist das ein Ärgernis.

Mario Aldrovandi, Linth24