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Rapperswil-Jona
23.11.2025
23.11.2025 03:32 Uhr

«Frau Dillier, weshalb braucht es eine Steuererhöhung?»

Stadtpräsidentin Barbara Dillier: «Sparen, ohne die positive Entwicklung der Stadt zu gefährden.»
Stadtpräsidentin Barbara Dillier: «Sparen, ohne die positive Entwicklung der Stadt zu gefährden.» Bild: Markus Arnitz, Linth24
An der Bürgerversammlung vom 4. Dezember wird in Rapperswil-Jona über eine Steuererhöhung von 5 Prozent entschieden. Stadtpräsidentin Barbara Dillier gibt Auskunft.

Vorneweg noch: Am Donnerstag, 27.11. findet um 19.45 Uhr im Kreuz Jona ein Info-Anlass zur Finanzplanung statt. Dazu ist jedermann eingeladen.

Pro Million 840'000 Franken Kredit


Nun zum Interview. Linth24 hat mit Stadtpräsidentin Barbara Dillier zu den Stadtfinanzen gesprochen – und in den Finanzakten der Stadt recherchiert. (Siehe Kasten weiter unten.) Dabei zeigt sich, die Stadtfinanzen kippten ab 2018 in die Schuldenwirtschaft, während der Stadtrat weiterhin so tat, als sei die Stadt reich.

Frau Dillier, ist es möglich, in drei Punkten zu sagen, weshalb die Stadt den Steuerfuss von 74 auf 79 % erhöhen soll?
Barbara Dillier: Ja, das kann man. Erstens: Rapperswil-Jona kann seine Investitionen seit drei Jahren grossmehrheitlich nicht mehr selbst finanzieren. 2026 muss jede investierte Million mit einem Kredit von 840'000 Franken fremdfinanziert werden.
Zweitens: Die Ausgaben der Stadt wachsen bedeutend schneller als die Einnahmen. Pflichtaufgaben werden jährlich teurer. Ohne Korrektur würde das zu dauerhaften Defiziten führen.
Und drittens: Die Steuererhöhung braucht es, damit die Stadt handlungsfähig bleibt und die kommenden Generationen nicht mit Schulden überlastet werden.

9 Millionen Mehreinnahmen


Wieviel Geld bringt die Steuerfusserhöhung von 5 % pro Jahr?
Dillier: Wir rechnen mit 5,7 Mio. Franken. Dazu kommt die erwartete Steuerzunahme von gut 3 Prozent, was Mehreinnahmen von total rund 9 Millionen Franken ergibt.

Zugleich will der Stadtrat sparen, indem er «Ausgaben senkt» und «priorisiert». Was heisst das?
Dillier: Der Stadtrat prüft systematisch, wo Ausgaben und Investitionen reduziert oder verschoben werden können, und das, ohne die positive Entwicklung der Stadt zu gefährden.

Positive Entwicklung, wann setzt die denn ein?
Positive Entwicklung zeigt sich nicht nur an neuen Projekten, sondern an einer Stadt, die ordnet, was ansteht. Aktuell sind viele komplexe Themen in Arbeit – Infrastruktur, Finanzen, Personal, offene Entscheide. Es geht darum, zuerst Klarheit und Struktur zu schaffen, bevor wir neue Schritte tun. Fortschritt braucht Substanz. Darum räumen wir auf und wollen danach auf gefestigter Basis aufbauen. 

In den letzten Jahren glaubte man, die Stadt sei reich. Es wurden Millionen ins Schloss gepumpt, im Lido sollte ein neues Eisstadion entstehen und eine Badi für 75 Millionen – und im Burgerau ein Schulhaus für neun Klassen für 55 Millionen. Was wäre geschehen, ginge es so weiter?
Dillier: Ohne Kurswechsel würden wir voraussichtlich bis 2030 auf über 300 Millionen Schulden zusteuern. Das würde die Handlungsfähigkeit der Stadt stark einschränken. Genau deshalb braucht es jetzt einen Kurswechsel – damit wir weiter bewusst investieren können, ohne künftige Generationen übermassig zu belasten.

Leistungsüberprüfung folgt


Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) verlangt vom Stadtrat, die Leistungsüberprüfung der städtischen Aufgaben «speditiv» umzusetzen. Da fragt sich: Warum stellte die von einem FDP-Präsidenten geführte GPK ihrem früheren FDP-Stadtpräsidenten nie eine derartige Forderung?
Dillier: Dazu kann ich nichts sagen. Entscheidend ist: Die Leistungsüberprüfung wurde vom neuen Stadtrat kurz nach Amtsübernahme im Frühling sofort gestartet. Sie erfolgt speditiv und wird ab Budget 2027 wirksam.

Die Jahresabschlüsse der Stadt der letzten 15 Jahre – siehe weiter unten – zeigen, wie die Stadtfinanzen ab 2018 ins Negative kippten. Das Vermögen von gegen 1'000 Franken pro Einwohner drehte sich in eine Schuld von bis zu 4'000 Franken. Jedoch, niemand hat gewarnt. Haben Sie eine Erklärung?
Dillier: Die Finanzlage verschlechterte sich schrittweise, ohne dass dies konsequent aufgegriffen wurde. Dabei haben Aufwertungen in den Abschlüssen die Lage zudem noch schöner dargestellt, als sie tatsächlich waren. Denn diese Aufwertungen betreffen Anlagen, kein verfügbares Geld.

Nur FDP muckste auf 


Die FDP Rapperswil-Jona muckste im Frühling 2024 als einzige Partei auf und klagte über die «sich eintrübenden Finanzen» der Stadt, die im Vergleich zu Zürcher Gemeinden abfallen würden. Unterstützt die FDP nun die Bemühungen des Stadtrats?
Dillier: Das wird sich im politischen Prozess zeigen.

Ex-GPK-Präsident Blöchlinger schrieb kürzlich in einem Post, es sei «traurig», was mit der Finanzpolitik der Stadt passiert sei. Der alte Stadtrat habe das Finanzleitbild offenbar «in den Papierkorb geworfen». Frau Dillier, stimmt das?
Dillier: Die Einschätzung betrifft eine vergangene Amtszeit, in der ich nicht dabei war. Klar ist heute nur: Die Finanzlage der Stadt hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert, sodass Investitionen vermehrt über Kredite finanziert werden mussten. Nun aber übernimmt der Stadtrat Verantwortung und geht die nötigen Schritte an.

Weitere Erhöhung möglich


Gibt es nach den geplanten 5 % weitere Steuererhöhungen?
Dillier: Die aktuelle Massnahme schafft eine tragfähige Grundlage, doch die finanzielle Lage und die drei Hebel – Einnahmen, Ausgaben und Investitionen – müssen laufend überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf die generellen wirtschaftlichen Entwicklungen und neue Vorgaben von Kanton oder Bund. Weitere Steuererhöhungen können deshalb nicht ausgeschlossen werden.

Noch die Frage: Was passiert, wenn die Steuererhöhung abgelehnt wird?
Dann passiert, was der Stadtrat transparent aufgezeigt hat: Die Schulden steigen, und unsere Handlungsspielräume sinken – auf Kosten kommender Generationen.

Und Sie sind enttäuscht?
Es geht nicht um mich oder meine persönlichen Gefühle.
Als Stadtpräsidentin ist es meine Aufgabe, die Ausgangslage offen zu benennen und die Konsequenzen darzulegen. Die Entscheidung liegt bei den Stimmberechtigten. Das ist gelebte Demokratie.

Recherchen zeigen: Ab 2018 stürzten die Finanzen ab

Folgend bildet Linth24 die von der Stadt im Internet publizierten Finanzzahlen ab. Dabei zeigt sich: zwischen 2010 und  2017 konnte sich Rapperswil-Jona fast durchwegs selbst finanzieren. Ein Beispiel: 2011 konnte die Stadt 90 % der Investition «aus dem eigenen Sack» bezahlen. Und: 2012 lag bei einer Selbstfinanzierung von 142 % sogar 42 % mehr Geld in der Kasse, als die Stadt investierte.
Ausserdem besass die Stadt ein beträchtliches Vermögen. Auf jeden Bürger gerechnet waren das meist gegen 1'000 Franken.  

Selbstfinanzierungs-              Vermögen pro 
grad in %                                       Einwohner in Fr.

2010   179 %                                 + 767 Fr.
2011     90 %                                  + 822 Fr.
2012   142 %                                 + 665 Fr.
2013     66 %                                  + 915 Fr.
2014     90 %                                  + 981 Fr.
2015   104 %                                 + 957 Fr.
2016   289 %                                  - 585 Fr.
2017     50 %                                 + 11.7 Fr.

Schuldenwirtschaft ab 2018

Ab 2018 setzte  die Schuldenwirtschaft ein. Und das, obwohl 2019 noch aufs neue Rechnungsmodell umgestellt wurde und die städtischen Liegenschaften (Schulhäuser etc.) aufgewertet wurden. Ohne diese Aufwertung hätten die Zahlen noch schlechter ausgesehen.   

Selbstfinanzierungs-              Schulden pro 
grad in %                                       Einwohner in Fr.

2018   123 %                                    - 163 Fr.
2019   255 %                                 - 4'018 Fr.
2020   114 %                                 - 4'205 Fr.
2021     91 %                                 - 4'145 Fr.
2022     73 %                                 - 3'983 Fr.
2023     24 %                                 - 2'943 Fr.
2024     30 %                                 - 2'077 Fr.

Fazit: 2024 konnte die Stadt nur noch 30 % ihrer Investitionen selbst finanzieren, und 70 % mit fremdfinanzierten Krediten. Und die Schulden betrugen pro Bürger 2'077 Franken! 

Bruno Hug, Linth24
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