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Fussball
15.03.2024
15.03.2024 12:45 Uhr

FC Rapperswil-Jona: Trainer David Sesa – ein Glücksgriff

Taktische Analyse beim FC RJ: David Sesa im Gespräch mit Assistent Giuseppe Perrone.
Taktische Analyse beim FC RJ: David Sesa im Gespräch mit Assistent Giuseppe Perrone. Bild: Rolf Lutz
Der FC Rapperswil-Jona blickt den kommenden Wochen und Monaten voller Tatendrang entgegen. Nach einer beeindruckenden Aufholjagd verströmen die Verantwortlichen Optimismus. Trainer Sesa sagt: «In der Challenge League hat es Platz für uns.»

Dieser Artikel ist auch im Linth24 Magazin publiziert, welches in Rapperswil-Jona in alle Haushalte verteilt wurde.

Der Winter ist nicht unbedingt die ideale Zeit für Fussball in der Schweiz. Doch der FC Rapperswil-Jona scheint sich an kühlen Tagen besonders wohl zu fühlen. Von den letzten neun Meisterschaftsspielen 2023 gewann er acht – nur bei Leader Etoile Carouge musste es als Verlierer vom Feld. Und ins neue Jahr ist das Team von Trainer David Sesa ebenso fulminant gestartet. Auf einen 4:2-Sieg zum Wiederbeginn bei Brühl St. Gallen folgte im ersten Heimspiel 2024 ein 3:0 gegen den FC Lugano. Und die Serie geht weiter. Mittlerweile steht das Team bereits auf Platz 2.

Hätte Rappi nicht in der Startphase der Meisterschaft gegen die zweiten Mannschaften von Basel, YB und vom FCZ dreimal verloren und gegen Brühl eine ärgerliche Forfaitniederlage (wegen eines nicht gemeldeten Spielers auf dem Machtblatt) kassiert, wäre die Ausgangslage noch besser.  

Zufrieden mit der Entwicklung

Trainer Sesa ist so oder so  zufrieden mit der Entwicklung: «Wir sind auf dem richtigen Weg. Dass sich die Mannschaft zuerst finden musste, war keine Überraschung.

David Sesa. Bild: Rolf Lutz
«Mit Djorkaeff stiess ein Schlüsselspieler erst spät zum Team.»
David Sesa

Mit Oan Djorkaeff stiess ein Schlüsselspieler erst spät zum Team – und von den Neuzuzügen hatten Spieler wie Tia, Morgado und Ajeti zuletzt kaum Spielpraxis.»

Der Ex-Internationale weist ausserdem auf die Unwägbarkeiten in der Promotion League hin: «Die U21-Teams sind hervorragend ausgebildet und frei von grossem Druck. Ausserdem bewegen wir uns in einer Liga, in der wir weit reisen und einen grossen Aufwand betreiben müssen.» Blickt er in die Challenge League, ist sich Sesa aber ziemlich sicher, dass es dort auch Platz für Rappi hätte: «Stade Nyonnais, der Aufsteiger des letzten Sommers, belegt mit der praktisch gleichen Mannschaft wie vergangene Saison einen Platz im Mittelfeld der Tabelle.»

Sesa spricht mit der Gelassenheit eines Mannes, der im Fussball alles gesehen hat. Als Spieler hinterliess er vor allem in Italien tiefe Spuren. Nach seinem Wechsel von Servette zum Serie-B-Klub Lecce (1998) trug der frühere FCZ-Junior entscheidend zum Aufstieg der Süditaliener in die höchste Klasse bei – und machte die Grossklubs auf sich aufmerksam. Zwei Jahre später wechselte er zur SSC Napoli – für 16 Milliarden Lire, umgerechnet rund 13 Millionen Schweizer Franken. Lange war dies eine der höchsten je für einen Schweizer Fussballer bezahlten Transfer­summen.

Erzählt Sesa von jener Zeit, kommt er ins Schwärmen: «Damals war im Calcio fast alles möglich. Die Serie A galt als Nonplusultra.» Bei den heissblütigen Tifosi ist der Grat zwischen Euphorie und Depression aber schmal – vor allem in Neapel: «Im San Paolo vor 82’000 Zuschauern einzulaufen, ist unbeschreiblich. Als Spieler wirst du verehrt – und musst in der Stadt das Portemonnaie nie zücken. Läuft es schlecht, kann es aber auch unangenehm werden. Als wir 2001 abgestiegen sind, konnten wir nur in Begleitung einer Polizeieskorte zurück.»

Napoli war die aufregendste Station in Sesas Laufbahn. Die erfolgreichste war aber Lecce – privat wie sportlich. Hier lernte er seine spätere Ehefrau Roberta kennen, hier schoss er seine wichtigsten Tore. «Wenn ich in Lecce bin, werde ich noch heute auf meinen Treffer zum 1:0-Sieg gegen Inter im März 2000 angesprochen. Das vergessen die Leute nie mehr.»

«Damals war im Calcio fast alles möglich. Die Serie A galt als Nonplusultra.»
David Sesa

Sesa erzählt die Geschichte mit Stolz. Aber auch mit der Demut eines Mannes, der weiss, dass im Fussball nichts von allein kommt. Als Trainer verdiente er seine Sporen als Assistent des heutigen Servette-Coach René Weiler bei Anderlecht (Belgien) und Al Ahly (Kairo) ab: «An beiden Orten hat der Fussball eine immense Bedeutung – das sind Klubs, die die Massen mobilisieren.» In Ägypten seien Spiele vor 100’000 Fans keine Seltenheit.

Kurzes Gastspiel in Bellinzona

In der Schweiz musste er sich wieder an beschaulichere Verhältnisse gewöhnen. Doch wild kann’s auch hierzulande zu und her gehen. Dies realisierte Sesa bei seinem kurzen Gastspiel in Bellinzona im August 2022. Wegen Differenzen mit dem uruguayischen Klubboss Bentancur warf er nach nur zwei Monaten und nach einem Freundschaftsspiel gegen die U21 des FC Lugano den Bettel hin und fuhr in die Deutschschweiz zurück. «Unter diesen Umständen konnte man nicht arbeiten. Wir hatten Meinungsverschiedenheiten wegen Transfers und der Zielsetzung.»

Doch bekanntlich ist jedes Ende auch ein Anfang. Nur drei Tage später stand Sesa beim FC Rapperswil-Jona an der Seitenlinie. Dies sei Zufall gewesen, erinnert er sich. Rappi hatte sich gerade von Trainer Stefanachi getrennt.

Und weil Sesa sowohl Präsident Rocco Delli Colli als auch den damaligen Sportchef Stefan Flühmann schon lange kennt, war der Deal unkompliziert und schnell abgewickelt. 

«Wir haben hervorragende Strukturen, einen guten Nachwuchs und ein intaktes Umfeld.»
David Sesa

Anderthalb Jahre später ist Sesa am Obersee noch immer glücklich – auch weil er das Potenzial des Vereins sieht: «Wir haben hervorragende Strukturen, einen guten Nachwuchs und ein intaktes Umfeld.» Die Rückkehr in die Challenge League sei ein realistisches Szenario: «Wenn nicht in dieser Saison, dann nächste.»

  • Für die Schweizer Nationalmannschaft lief Sesa 36-mal auf. Bild: Totomarti
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  • Auf Stadtbummel: In Lecce kann Sesa noch heute sein eigenes Trikot kaufen. Bild: Totomarti
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  • Der prominenteste Club von Sesas Karriere war die SSC Napoli. Bild: Totomarti
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  • In Lecce erreichte der Zürcher Legendenstatus. Bild: Totomarti
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Thomas Renggli