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Kanton
07.11.2022

«Wir steuern mit Vollgas auf eine Wohnungsnot zu»

Martin Neff sprach vor über 200 Gästen.
Martin Neff sprach vor über 200 Gästen. Bild: David Hugi
Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff schätzte am Raiffeisen Finanzforum «Zinswende: Na und?» in Wil die Zukunft des Schweizer Wohnungs-Markts ein. Sein Fazit: Für Wachstum ist neues Bauland einzuzonen.

«Trotz des Zinsanstiegs bei Hypotheken mit längeren Laufzeiten bleibt Wohneigentum attraktiv», beurteilt Martin Neff den Markt. «Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen bleibt sehr stark». Da diese Nachfrage durch das völlig ausgetrocknete Angebot auch künftig nicht befriedigt werden kann, dürften die Preise weiter steigen. Möchte die Schweiz sich weiter dem Wachstum verschreiben, werde man nicht darumkommen, für die wachsende Zahl der Zuwanderer und Haushaltsgründungen neues Bauland einzuzonen. Das müsse nicht zwingend heissen, auf der grünen Wiese, aber zumindest in den grossen Agglomerationen, wo noch immer Reserven verfügbar sind. 

Knappheit, Knappheit, Knappheit 

Die rasche Zinswende sei bereits Realität, doch der Markt bleibe heiss, weil das Angebot an Wohnungen und Einfamilienhäusern dramatisch klein sei (75'000 Wohneinheiten, die mittelfristig nachgefragt werden, stehen 48'000 gegenüber, die aktuell in der Pipeline sind). Die Knappheit – und weniger die Finanzierungsbedingungen – würde das Marktgeschehen dominieren. Die Engpässe beschränken sich längst nicht nur auf den Eigenheimmarkt, sondern haben bereits auch den Mietwohnungsmarkt erreicht. Denn auch heute werde zu wenig investiert, um die grosse Nachfrage befriedigen zu können. Es gäbe zwar noch immer Leerstände, doch meist an Lagen, die Neff «sich nicht mal für einen kurzen Hundespaziergang antun würde». 

Verdichtung nicht einfach umzusetzen

Die viel diskutierte Verdichtung ist gemäss Neff eine von vielen Massnahmen, aber nicht die einzige. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten deutliche Verdichtungstendenzen auszumachen sind, würden die heutigen Anstrengungen wohl kaum genügen, damit auch künftig genügend Wohnraum in der Schweiz erstellt werden kann. «Bauliche Verdichtung ist bereits teuer und aufwendig», so Neff. Bei anstehenden Umbau- und Ersatzneubauprojekten stehen dem Eigentümer oft hohe Hürden im Weg. «Strenge, unflexible und uneinheitliche, zum Teil auch unsinnige Bau- und Zonenordnungen sowie die herrschende, sehr liberale Einsprachepraxis verzögern, verteuern oder verhindern immer wieder den Bau von eigentlich sinnvollen Projekten.» Es sei eine allgemeine Haushaltsverkleinerung zu beobachten. Gepaart mit zu wenigen Wohnungen, zu viel Nachfrage und zu lange Wartezeiten für Baugesuche sei das Problem vorprogrammiert. Auf die Dauer gehe das nicht auf. «Wir steuern mit Vollgas auf eine Wohnungsnot zu!», schloss Martin Neff mit einem schon fast dramatischen Appell. 

Kommende Woche mit Jens Korte

Im Vorfeld des «Hauptacts Neff» hielten die beiden Raiffeisen-Spezialisten Raffael Eigenmann und Philipp Kammermann zwei Referate zu den Themen «Aktuelle Fragestellungen für Eigenheimbesitzer» und «Anlegen im inflationären Umfeld».

Am kommenden Mittwochabend geht das Raiffeisen Forum in die zweite Runde, ebenfalls mit einem hochkarätigen Gast: Jens Korte lebt und arbeitet seit Ende der 90er Jahre in New York und berichtet täglich für Radio und Fernsehen über die wirtschaftlichen Entwicklungen der grössten Volkswirtschaft der Welt. In Wil spricht er zum Thema: «Wette niemals gegen Uncle Sam – Warum die USA das Potential haben, die Weltwirtschaft zu retten.»

 

Raiffeisen Chefökonom Martin Neff. Bild: David Hugi
Martin Neff sprach am Raiffeisen Forum. Bild: Raiffeisen Schweiz
Beat Bollinger, Vorsitzender der Bankleitung Raiffeisenbank Wil und Umgebung. Bild: David Hugi
David Hugi, Wil24 / Linth24