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Kultur
02.03.2022

Tiere – Fremde und Freunde

Die Künstlerin Marlies Pekarek lud die Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee in ihr Atelier in St.Gallen ein.
Die Künstlerin Marlies Pekarek lud die Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee in ihr Atelier in St.Gallen ein. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy
Das Weltkulturerbe «Stiftsbezirk St.Gallen» war Ende Februar das Ziel des Kunstvereins Oberer Zürichsee. Die Sonderausstellung von Drucken und Handschriften wird durch Skulpturen Marlies Pekareks ergänzt.

Haben Tiere eine Seele? Durften Mönche Haustiere halten? Und gab es im Mittelalter schon Zoos? Diese und viele andere Fragen rund um Tiere und Menschen beantwortete vor Ort der St.Galler Historiker, Anglist und Stiftsbibliothekar Cornel Dora mit interessanten Informationen rund um das Thema der Winterausstellung «Tiere – Fremde und Freund» anhand von einzigartigen Handschriften und wertvollen Drucken.

Ausstellung zum Verhältnis zwischen Mensch und Tier

In der Zeit zwischen Antike und Früher Neuzeit, als das Verhältnis des Menschen zum Tier noch enger war als heute, halfen Tiere den Menschen mit ihrer Arbeitskraft, sie waren Statussymbole und Gefährten, aber auch Objekte wissenschaftlicher Neugierde und das furchterregende Andere, von dem Menschen sich abgrenzten – kurzum: Fremde und Freunde.

Präsidentin Cornela Brändli (2. v.r.) begrüsst den St.Galler Historiker, Anglist und Stiftsbibliothekar Cornel Dora. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy

Umgeben von den rund 170'000 Büchern in der ältesten und schönsten Bibliothek der Welt – Heilstätte der Seele –, lauschten die 27 Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee den spannenden Geschichten, die Cornel Dora zu den ausgestellten Büchern erzählte. In filigranen Buchstaben auf feinem Pergament verewigt, wurde sich der Frage gewidmet, ob der Mönch, der seine Katze überaus gern hatte, deswegen nun Gott weniger liebte. Oder die wundersame Geschichte des Zisterziensermönchs Bernhard von Clairvaux, der von einem Mückenschwarm geplagte wurde. Er drehte sich zu diesem um, exkommunizierte den Schwarm, der tatsächlich am folgenden Tage tot aufgefunden wurde.

Überaus interessant sind auch die schriftlich überlieferten Heiltränke der damaligen Tiermedizin, die wohl kaum einer heute noch anwenden würde, ebenso wenig wie die Rezeptur zur Empfängnisverhütung, bei der Frau am Arm die Gebärmutter einer Löwin zu tragen hatte. Der unterschiedliche, sehr hohe Wert der Tiere ist in germanischen Gesetzestexten festgehalten, die sehr exakt anlässlich des «Ting» u.a. den jeweiligen Delikten zugeordnet waren. Interessanterweise ist hier übrigens der Gegenwert einer gebärfähigen Frau einem Krieger gleichgestellt.

Das Verhältnis zu Tieren, ob Nutz- oder Schmusetier, ist bis heute ambivalent. Augustinus betrachtete seinerzeit Tiere als Geschöpfe Gottes, aber ohne Vernunft. Mit den Menschen gemeinsam hätten sie Gefühle und Triebe und damit Fähigkeiten wie Erinnerungsvermögen oder Selbsterhaltungstrieb.

Überraschendes Spiel mit Mensch-Tier-Mischwesen

Eine weitere Handschrift aus dem 9. Jh. mit einzigartigen Zeichnungen von Mensch-Tier-Mischwesen leitet zu den ausgestellten Werken von Marlies Pekarek über. Wie eine Bordüre zieht sich die leergeräumte Regalreihe in Hüfthöhe durch den Barocksaal, gefüllt mit kleinen Tieren und Mischwesen aus Bronze, Gips, Silikon, Seife und Wachs. «Paraden und Prozessionen» ist ein überraschendes und vergnügliches Spiel mit den Tieren und Gestalten.

  • Das St.Galler Atelier der Künstlerin Marlies Pekarek befindet sich unweit der Bibliothek. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy
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  • Der Kunstverein Oberer Zürichsee verbrachte einen überaus spannenden Freitagnachmittag in St.Gallen. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy
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Pekarek sammelte weltweit Souvenirs, Nippes oder Kitschfiguren, hat diese dann akkurat abgenommen, gegossen, zerteilt und zu wundersamen Wesen in schwarz und weiss neu zusammengefügt. In ihrem Atelier unweit der Bibliothek zeigt sie dem Kunstverein weitere einzigartige Kunstwerke und was sie auf originelle Weise aus Kopie und Original neu erschafft. Fasziniert ist sie vom Spagat zwischen Kitsch und Kunst und erschafft immer wieder kreatives Neues. Viele ihrer fein gearbeiteten Werke sind übrigens aus Seife, inspiriert durch den Grossvater, der Seifenfabrikant war.

Im Restaurant Brauwerk fand der fesselnde Nachmittag in St.Gallen einen gemütlichen Abschluss.

Nächster Anlass: Dienstag, 12. April 2022, Besuch der Jubiläumsausstellung «Echo» von Kunst Schwyz im Zeughaus Pfäffikon SZ mit anschliessender Mitgliederversammlung.

Kunstverein Oberer Zürichsee: www.kunstverein-oz.ch

Marie-Eve Hofmann-Marsy, Kunstverein Oberer Zürichsee