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Leserbrief
Kanton
18.05.2021

«News-Konsum schränkt den Blick aufs Wesentliche ein»

Daniel Ast wünscht sich, dass sich das «intelligente journalistische Fachpersonal vom News-Journalismus verabschiedet».
Daniel Ast wünscht sich, dass sich das «intelligente journalistische Fachpersonal vom News-Journalismus verabschiedet». Bild: Linth24
«Demokratie kann nur gut funktionieren, wenn Journalisten die Wahrheit ans Licht bringen und die Sachverhalte in der ganzen Komplexität darstellen», meint Daniel Ast.

«Die Bevölkerung ist heute immer bestens informiert und doch wissen wir oft weniger als früher. Welche Gründe liegen vor? Liegt es an den verlockenden News? Häppchenweise süffige Geschichten, schockierende Bilder, dramatische «Fakten», … Der News-Konsum schränkt den Blick aufs Wesentliche ein. Dadurch werden insgesamt weniger gute Entscheidungen gefällt. Es gibt sogar bekannte Stimmen, die sehen eine Gefährdung der Demokratie durch News.

Wie sollen die Mächtigen überwacht werden?

Wenn wir ehrlich sind, erleben wir dies gerade in den vergangenen Monaten hautnah. Wie können Bürgerinnen und Bürger bei Abstimmungen und Wahlen richtig entscheiden? Wie sollen die Mächtigen überwacht werden? Die Nachrichtenschwemme verdrängt den gehaltvollen politischen Diskurs. Wer liest heute noch Bücher über Klimawandel, Ökosysteme, Humusrevolution, Rekarbonisierung, Infektionskrankheiten,…? Demokratie kann nur gut funktionieren, wenn Journalisten die Wahrheit ans Licht bringen und die Sachverhalte in der ganzen Komplexität darstellen.

Es braucht mehr qualitativen Journalismus

Eine solche Vorgehensweise ist schwierig und aufwändig – im Gegensatz zur News-Produktion. Es braucht mehr qualitativen Journalismus. Der investigative Journalismus deckt Fakten und Missstände auf. Die Erklärungspublizistik beschreibt das grössere Bild und liefert Hintergründe und Erklärungen. Diese Qualitätsansprüche sind herausfordernd und somit teuer – und sie funktionieren schlecht im News-Format. Die Demokratie braucht auch Menschen, die den Mächtigen auf die Finger schauen – weltweit, regional und lokal.

Vom News-Journalismus verabschieden

Wichtig ist, dass stets sauber, tiefgründig und umfassend recherchiert wird. Daraus entstehen lange Artikel, Dokumentarfilme, Podcasts und Bücher. Solche Arbeitsergebnisse können nur von Fachexperten erzeugt werden. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass sich das intelligente journalistische Fachpersonal vermehrt dem investigativen Journalismus und der Erklärungspublizistik widmet und sich vom News-Journalismus verabschiedet. Der Umschwung muss – wie bei der Gesundheitsvorsorge, dem Schutz der Ökosysteme, … – von der Kundschaft kommen. Der Markt wird sich daran richten. Die Demokratie wird sich freuen.»

Daniel Ast, Siebnen SZ