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Kanton
17.01.2020
17.01.2020 11:33 Uhr

Ärzte sind gegen Spitalschliessungen

Die Ärztegesellschaft des Kantons St.Gallen lehnt die Spitalstrategie der Regierung und die damit geplante Schliessung von vier Spitälern ab.

Bisher war nicht bekannt, wie sich die Ärzte zur Spitalstrategie stellen. Die Ärztinnen und Ärzte wären in vielerlei Hinsicht von einem Strategiewechsel betroffen. Einerseits als Ärzte in den neun Spitälern des Spitalverbundes. Andererseits als freipraktizierende Grundversorger und Spezialärzte in privaten Praxen. Letztlich aber auch als Belegärzte in privaten Spitälern in- oder ausserhalb des Kantons. Nach ihren eigenen Angaben bleibt es das oberste Gebot der Ärzteschaft, den Patientinnen und Patienten eine optimale medizinische Versorgung überall im Kanton zu ermöglichen. Heute Morgen wurde ihre Stellungnahme zu den Vorschlägen der Regierung veröffentlicht. Und daraus wird deutlich: Die Strategie der Regierung wird abgelehnt.

Originalmittelung der Ärztegesellschaft des Kantons St.Gallen: 

So nicht! Notwendiger Korrekturbedarf der St.Galler Spitalstrategie

Die Ärztegesellschaft des Kantons St.Gallen anerkennt die Notwendigkeit einer Strategiereform bei
den öffentlichen Spitälern. Die von der Regierung vorgeschlagene «4plus5»-Strategie lehnt sie in
dieser Form aber ab. Im Sinne einer optimalen medizinischen Versorgung fordert sie auch eine zielführende Klärung des Rollenverständnisses und der Aufgabenteilung zwischen den freipraktizierenden Ärztinnen und Ärzten und den Spitälern.

Die Ärztegesellschaft das Kantons St.Gallen teilt die Meinung des Regierungsrates, dass eine strategische Neuausrichtung der Spitalstrategie nötig ist. Für die zu wählende Strategie bedarf es aber aucheiner Klärung der unterschiedlichen Rollen und Aufgaben der öffentlichen und privaten Spitäler einerseits sowie der freipraktizierenden Ärzte andererseits. Die gemeinsame Erarbeitung kooperativerLösungen, das Andenken innovativer Strukturen sowie die individuelle Betrachtung der Regionen undihrer jeweiligen Bedürfnisse stehen für die Ärzteschaft dabei im Vordergrund. Ein korrekter, betriebswirtschaftlich gerechneter Tarif für den praxis- und spitalambulanten Bereich gehört ebenfalls dazu.Ist es doch heute schon schwierig, den gewünschten medizinischen Nachwuchs in die Ostschweiz zuholen oder hier zu halten.

Voraussetzungen für eine optimale medizinische Versorgung

Die Ärztegesellschaft sieht folgende Punkte als notwendige Grundlage und Voraussetzung für die zukünftige medizinische Versorgung des Kantons:

■ Die bestehenden Spitäler erhöhen ihre Fallzahlen und ihre Versorgungsqualität.

■ Zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sind die Praxiszulassungen seitens des Gesundheitsdepartements mit den jeweiligen Regionalvereinen der Ärztegesellschaft transparent zu planen und auch genügend Spezialisten zuzulassen.

■ Für die Absolventinnen und Absolventen des Medical Masters müssen genügend Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen.

■ Die Patienten haben freien Zugang zu einer adäquaten Versorgung, welche durch die niedergelassene Ärzteschaft und die Spitäler sichergestellt wird.

■ Die primäre Versorgung soll in der Regel praxisambulant erfolgen (Hausärzte und Spezialisten).

■ Zwischen den freipraktizierenden Ärzten und den Spitälern sollen unterschiedlichste Kooperationsformen möglich sein.

■ Der Notfalldienst muss, je nach gewählter Organisationsform, in der Verantwortung der Ärzteschaft und ihrer Regionalvereine bleiben und, wo sinnvoll, unter Mitwirkung der Spitäler oder des Kantons neu aufgestellt werden (Dienstkreise, Abgabe des Telefons in der Nacht, Hausbesuchsdienst). 

Übergeordnete Ziele

Das Ziel einer reformierten Spitalpolitik muss in jedem Fall sein, allen Menschen − ob jung oder alt −überall im Kanton eine hohe Qualität an medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Mit welcher Anzahl Spitäler dies zu bewerkstelligen ist, soll nochmals vertieft diskutiert werden. Alle Regionen sinddabei mit gleichen Vorgaben zu messen und zu bewerten. Wichtige Punkte sind die Erreichbarkeit,eine gute Qualität mit genügenden Fallzahlen sowie attraktive Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen. Die vorgesehenen Mehrspartenspitäler müssen in ihrer Organisation berücksichtigen, dass esauch weiterhin Pflegenotfälle, Palliativpatienten und Patienten ohne Ambitionen auf maximale Versorgung gibt. Solche Angebote wurden bisher sehr gut von den fünf von Schliessungen betroffenen Regionalspitälern bereitgestellt.

Starkes Zentrumsspital und leistungsfähige Regionalspitäler

Die Ostschweiz braucht ein starkes Zentrumsspital St.Gallen, welches sich für die Region als auch fürdie Aus- und Weiterbildung des Nachwuchses einsetzt. Aus ländlicher Sicht besteht aber aktuell derEindruck, dass die Landspitäler auf Kosten des Zentrumsspitals «über die Klippe springen» und möglichst schnell «ausbluten» sollen. Für die Ärztegesellschaft ist nicht nachvollziehbar, warum nicht alleRegionen gleich kritisch begutachtet und hinsichtlich des Handlungsbedarfs beurteilt wurden. Siezweifelt auch an den behaupteten finanziellen Einsparungen. Die Strategie «4plus5» mit einem Zentrumsspital (Kantonsspital St.Gallen), drei Mehrspartenspitälern (Grabs, Wil und Uznach) und fünf Gesundheits- und Notfallzentren (Wattwil, Altstätten, Walenstadt, Flawil und Rorschach) orientiertesich von Beginn weg und ohne Begründung an bestimmten, nie hinterfragten zahlenmässigen undörtlichen Standortvorgaben.

Gesundheits- und Notfallzentren sind keine Lösung

Die vorgeschlagenen fünf Gesundheits- und Notfallzentren (GNZ) sind für eine patientenorientierteVersorgung weder zielführend noch überlebensfähig. Die minimalistische personelle und medizinische Ressourcenausstattung zeigt, dass mit den GNZ keine qualitativ hochstehende Medizin mit teilweiser stationärer Behandlung angeboten werden kann. Solche GNZ können weder die medizinischen Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllen noch wirtschaftlich betrieben werden. Über kurz oderlang würden sie mangels Qualität, fehlendem Personal und wirtschaftlicher Überlegungen wohl geschlossen werden. Spitäler und niedergelassenen Ärzte sollten gemeinsam die zukünftigen ambulanten Versorgungsstrukturen regional und kantonal entwickeln.

Interkantonaler Fokus

Die Kantonale Ärztegesellschaft erwartet vom Regierungs- und Kantonsrat folglich massgebliche Korrekturen an der vorgestellten Spitalstrategie. Der Fokus soll insbesondere über den eigenen Kantonhinaus gerichtet werden, da die Patientinnen und Patienten letztlich «mit den Füssen abstimmen»und das für sie beste kantonale oder ausserkantonale Angebot wählen werden.

Kein «Ausbluten» der Spitäler

Die zeitliche Umsetzung erscheint der Ärztegesellschaft unrealistisch zu sein. Das Personal verlässtschon jetzt die von einer möglichen Schliessung betroffenen Standorte. Es kann zu Schliessungen voneinzelnen Abteilungen oder ganzen Spitälern kommen, noch bevor entsprechende Kapazitäten andernorts aufgebaut sind. Es drohen Engpässe in der Gesundheitsversorgung, die bei der Bevölkerunggrosse Unsicherheit und Skepsis gegenüber der Strategie auslösen. Um die Spitäler teils bis 2027 offen zu halten, würde es per sofort enormer finanzieller, personeller und kommunikativer Anstrengungen bedürfen. Bis zur Umsetzung der nötigen Massnahmen dürfen keine weiteren Abteilungengeschlossen werden und die betroffenen Spitäler müssen für Mitarbeitende wie auch für die Patienten weiterhin attraktiv ausgestattet und positiv beworben werden.

Angebot zur Zusammenarbeit

Die Ärztegesellschaft steht den politischen Akteuren jederzeit für eine konstruktive Zusammenarbeit
zur Verfügung. Dürfen medizinische Angebote doch nicht durch eine «eindimensionale ökonomische
Brille» allein betrachtet werden. Im Zentrum aller Überlegungen muss immer und jederzeit das Wohl
der Patientinnen und Patienten stehen.

Linth24, OM