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Rapperswil-Jona
04.02.2021
04.02.2021 09:38 Uhr

Sozialamt Rapperswil-Jona: «Würde und Respekt» fehlt

C.B. aus Rapperswil-Jona: Sozialhilfe ist ein Grundrecht.
C.B. aus Rapperswil-Jona: Sozialhilfe ist ein Grundrecht. Bild: Linth24
Das Sozialamt Rapperswil-Jona will einem Sozialhilfebezüger 150 Franken am Existenz-Minimum abziehen. An anderen Orten spielt das Geld keine Rolle. Wo ist die Verhältnismässigkeit?

C.B.* beantragt im Dezember 2020 Unterstützung auf dem Sozialamt Rapperswil-Jona. Ausgesteuert und wegen Corona keine neue Stelle in Aussicht, bleibt ihm nichts anderes übrig.
Auf dem Sozialamt aber schlägt ihm ein eisiger Wind entgegen. Warum?

Von März 2016 bis Dezember 2017 musste der früher bei einer Bank als Anlageberater tätige C.B. nach einer beruflichen Odyssee Hilfe des Sozialamts in Anspruch nehmen. 2017 kam er überraschend zu einer Erbschaft von 16‘000 Franken, mit der er wegen seiner Arbeitslosigkeit aufgelaufene Rechnungen beglich.
Pflichtgetreu reichte er dazu alle Unterlagen dem Sozialamt ein. Daraufhin verfügte der damalige stellvertretende Leiter des Sozialamtes von Rapperswil-Jona wegen der Erbschaft eine Leistungskürzung. Zudem verlangte er von C.B. eine Schuldanerkennung und Rückerstattung in Höhe dieser Erbschaft.

Verwaltungsgericht schützt C.B.

C.B. erhob dagegen Einsprache. Der Fall gelangte schlussendlich ans Verwaltungsgericht. Dieses pfiff die Stadt zurück und führte aus, dass «C.B. nicht verpflichtet werden kann, eine Schuldanerkennung und Rückzahlungsverpflichtung zu unterschreiben.» Zudem dürfe «die Rückforderung einer zu Unrecht bezogenen Sozialhilfeleistung nicht direkt am Sozialhilfebudget in Abzug gebracht werden.»

Die Schikane beginnt von Neuem

2018/2019 war C.B. wieder berufstätig. Er meldete dies ordnungsgemäss dem Sozialamt, welches trotz der Tatsache, dass C.B. nun wieder berufstätig war, keine Anstalten machte, eine Rückforderung für früher bezogene Unterstützungsleistungen zu verlangen.
Wegen Auftragsmangel verlor C.B. seine Stelle und landete im Dezember 2020 erneut auf dem Sozialamt. Nun begann das alte Spiel von vorne. Derselbe Vertreter des Sozialamtes verfügte wiederum eine Kürzung des Grundbedarfs in Höhe von 150 Franken.
Das sind, nachdem C.B. die Wohnung in Höhe von 1‘400 Franken bezahlt hatte, 15 % der ihm noch zum Leben übrigbleibenden 997 Franken.

Zudem verlangte das Sozialamt erneut die Rückerstattung der Erbschaft aus 2017. Obwohl das Gericht damals klarstellte, dass dies nicht rechtens sei.
Das Sozialamt begründete seinen erneuten Rückgriff mit der Aussage, es gelte seit 2018 ein neues Sozialhilfegesetz, welches dies zulasse.
C.B. reichte Rekurs ein. Dieser liegt nun wieder beim Stadtrat.

Kommentar:
«Wie der Gang aufs Schafott»

Es gibt in der Schweiz kein Bundesgesetz betreffend Rückzahlung von Sozialleistungen. Kantone, Gemeinden und Mitarbeiter verschiedener Sozialämter entscheiden oft nach Belieben. Und nicht selten in Unkenntnis der geltenden Rechtslage.

Sozialhilfe ist ein Grundrecht
Dabei wird vielfach vergessen: Der Anspruch auf Sozialhilfe ist in der Schweiz ein verfassungsmässiges Grundrecht.
Im Falle von C.B. macht die Stadt somit einen Aufstand wegen 150 Franken, deren Abzug für den Betroffenen existenzbedrohend ist. Das ist eine eher deprimierende Erkenntnis, wenn man in Betracht zieht, wie die Stadt sonst mit dem Geld umgeht und sogar reichen Liegenschaftsbesitzern ihre private Hecke bezahlt.

«Der Gang aufs Schafott»
Zieht man die Erfahrungen von drei weiteren Betroffenen mit ein, mit denen Linth24 wegen ähnlicher Sorgen in Kontakt steht, ist der Antrag auf Sozialhilfe in Rapperswil-Jona «wie der Gang aufs Schafott», wie einer der Sozialhilfebezüger dies ausführt. Und C.B. ergänzt: Wer dort «Würde und Respekt» erwartet, liegt fehl.

Es bleibt die Frage, ob das Vorgehen des Sozialamtes System hat. Will man damit die Sozialhilfebezüger zermürben und massregeln, um dafür an anderen Orten grosszügig Geld ausgeben zu können?

Markus Arnitz, freier Mitarbeiter Linth24