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Kanton
12.07.2024

Faule Kritik an Sarah Bösch

Bild: who-s-who.ch
Die St.Galler Kinderkrippen-Leiterin und Rechts-Politikerin Sarah Bösch ist in eine Kontroverse geraten. Recherchen zeigen, dass die Vorwürfe ungerechtfertigt sind.

In der Gewerkschaftszeitung «work» der Unia und in der Folge auch verschiedenen anderen Ostschweizer Medien werden ihr Vorwürfe gemacht. Sie sei nach Anschuldigungen gegen einen Mitarbeiter ihrer Krippe wegen eines sexuellen Übergriffs nicht richtig vorgegangen. Das Rechercheportal Inside Justiz ist dem Vorfall nachgegangen – und kommt zu einem anderen Schluss.

Vorwürfe gegen Krippen-Mitarbeiter

Es ist das schlimmste Szenario für eine Kinderkrippe: Eltern beschuldigen einen Mitarbeiter, sich an ihrem Kind vergangen zu haben. Mit diesem Verdacht sah sich die «Hotelkrippe» von Sarah Bösch in St.Gallen konfrontiert. Allerdings schon vor einem Jahr, im Juni 2023. Die Geschäftsleitung handelte rasch: Bösch holte sich Rat bei einem Anwalt und einer Krippenberaterin und entschied nach den Konsultationen, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. «Bei diesem Entscheid stand die Sicherheit und Unversehrtheit der betreuten Kinder im Fokus. Sie sind unser höchstes Gut und nicht verhandelbar», schrieb die Hotelkrippe diese Woche zu dem Vorgang.

Der damalige Anwalt der Hotelkrippe arbeitet eine Vereinbarung aus, die dem Mitarbeiter vorgelegt wird und die er unterschreibt. Bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ist er freigestellt, zu seinem Schutz erfährt niemand von den Vorwürfen.

Schwere Vorwürfe ein halbes Jahr nach gütlicher Einigung

Jetzt, über ein Jahr später, macht der ehemalige Mitarbeiter Sarah Bösch in der Unia-Gewerkschaftszeitung «work» schwere Vorwürfe. Er sei überrumpelt worden, man habe ihm keine Bedenkzeit eingeräumt, die Krippe habe sich nie bemüht, die Vorwürfe auszuräumen und überhaupt sei in der Kita viel zu wenig Personal angestellt gewesen. Ein «Rundumschlag», wie es Tele Ostschweiz nennt. Doch die Vorwürfe fallen schnell in sich zusammen. Doch der Reihe nach. Bereits im letzten Herbst ist der ehemalige Mitarbeiter mit seinem Gewerkschaftsanwalt der «Hotelkrippe» vorstellig geworden und hatte die Austrittsvereinbarung in Frage gestellt. Die Hotelkrippe bessert in der Folge nach. Wie Inside Justiz in Erfahrung gebracht hat, wurden dem Mitarbeiter, der bereits zwei Wochen nach Austritt bei der Krippe eine neue Stelle in einer anderen Branche antreten konnte, CHF 3000 Lohn nachbezahlt. Die gütliche Einigung erfolgte anfangs 2024. Damit war alles in trockenen Tüchern – dachte die Krippe.

Aufklärung verpasst?

Anfangs Juli, ein halbes Jahr später, wirft der ehemalige Mitarbeiter der Krippe nun vor, sie habe nichts unternommen, um die Vorwürfe gegen ihn abzuklären. Der Vorwurf ist neu, aber tatsächlich war es nicht die Krippe, die Strafanzeige eingereicht hatte, sondern die Eltern, die der Sache nachgehen wollten. Sarah Böschs Hotelkrippe schreibt dazu in der Stellungnahme sinngemäss, der Leitung sei nach der Konsultation der externen Fachleute klar gewesen, dass bei der gegebenen Sachlage die Vorwürfe nie ausgeräumt oder bestätigt werden könnten, soll doch ein zweieinhalbjähriger Bub Opfer der sexuellen Handlung gewesen sein. Die Prognose der Hotelkrippe bestätigte sich am Ende: Das Strafverfahren der St.Galler Justiz wurde ohne Ergebnis eingestellt.

Damit ist der Fall juristisch erledigt – das Vertrauen in einen Mitarbeiter aber noch nicht wieder hergestellt, wie auch der St.Galler Fachanwalt für Strafrecht Andreas Dudli auf Inside Justiz sagt: «Aus unternehmerischer Perspektive ist es sowohl für die Krippe als auch für den betreffenden Mitarbeiter auch nach einem Freispruch nicht zumutbar, dass der betreffende Mitarbeiter in der Krippe weiter beschäftigt wird. Auch wenn die Einstellung eines Strafverfahrens von Gesetzes wegen einem Freispruch gleichkommt, bleibt bei einigen dennoch latent das Bauchgefühl bestehen, dass das Verfahren nur deshalb eingestellt wurde, da einfach nicht genügend Beweise für eine Verurteilung vorlagen. Gewisse Eltern würden ihre Kinder wohl nicht mehr in diese Krippe schicken, wenn die betreffende Person weiter dort angestellt ist.»

Weitere Vorwürfe schon längst abgeklärt

Aber noch nicht genug der schmutzigen Wäsche: Der ehemalige Mitarbeiter kritisiert nun auch noch lautstark, es habe regelmässig zu wenig Personal für die Betreuung der Kinder zur Verfügung gestanden. In den Zeitungen des St.Galler Tagblatts erzählt eine andere ehemalige Mitarbeiterin dazu, sie habe die Zustände damals bei den Behörden angezeigt. Auch diese geben aber Entwarnung. Das kantonale Amt für Soziales bestätigt gegenüber der Zeitung, die Hotelkrippe erfüllte die Bedingungen für eine Betriebsbewilligung – und Hinweisen wie den behaupteten nähme man sehr ernst und reagiere umgehend. Der neue Anwalt der Hotelkrippe prüft deshalb, ob die Vorwürfe des ehemaligen Mitarbeiters in der Medienkampagne gegen Sarah Bösch und die Hotelkrippe den Straftatbestand der Verleumdung oder der üblen Nachrede erfüllt.

Die fragwürdige Rolle der Gewerkschaft

Inside Justiz wirft schliesslich die Frage auf, welche fragwürdige Rolle die Gewerkschaft Unia bei der Medienkampagne spielt. Zum einen hat ihre Zeitung «work» detailliert beschrieben, in welchem neuen Arbeitsumfeld der ehemalige Krippen-Mitarbeiter heute tätig ist. Mit diesen Informationen ist er für jeden späteren Arbeitgeber eindeutig zu identifizieren. Und wer stellt schon jemanden ein, der nicht nur einst im Verdacht einer sexuellen Handlung mit einem Kind stand, sondern auch noch eine Medienkampagne gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber initiierte?

Zum anderen wirft das Rechercheportal die Frage auf, ob die Zeitung den jungen Mann, der noch ganz am Beginn seiner beruflichen Laufbahn steht, nicht vor sich selbst hätte schützen und darauf aufmerksam machen müssen, dass er mit seinen Vorwürfen allenfalls Straftatbestände erfüllt, wenn er keine Beweise für seine Behauptungen beibringen kann. Die Gewerkschaftszeitung wollte darauf nicht Stellung nehmen und verwies lediglich darauf, man habe Frau Bösch ja das Recht zur Stellungnahme eingeräumt.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema auf dem Portal inside-justiz.ch: https://inside-justiz.ch/wie-man-es-auch-macht-ist-es-nicht-richtig/

Inside Justiz
von dem dieser Artikel stammt, ist ein Nachrichtenportal, das kritisch über die Justiz berichtet. Herausgeber ist der Trägerverein Inside Justiz. Die Initianten des Magazins sind Juristen und Journalisten, aber auch Praktiker des Rechts, die in Ihrer Arbeit immer wieder auf Missstände in der Justiz stossen, über die aufgrund von Filz, Unvermögen, mangelnder Zivilcourage oder schlicht fehlender Ressourcen nicht berichtet wird. Inside Justiz will das korrigieren.

Roger Huber und Lorenzo Winter, StGallen24