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Kultur
05.10.2023

Kunst trifft auf Stein

Wenn vergängliche Kunst auf ewigen Stein trifft: Gemeinschaftswerk der Künstlerinnen Carmen Müller und Sandra Raymann.
Wenn vergängliche Kunst auf ewigen Stein trifft: Gemeinschaftswerk der Künstlerinnen Carmen Müller und Sandra Raymann. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
Fünf regionale Künstlerinnen luden zur 3. Kunstausstellung Rock’n’Art in die Werkhalle Müller Naturstein AG in Neuhaus. Kunst traf auf Stein und begeisterte vielfältig und kreativ.

Den vielen Besuchern der dritten Kunstausstellung Rock’n’Art bot sich vom 29. September bis 1. Oktober 2023 eine einmalige Kulisse. Zwischen tonnenschweren, übereinander geschichteten Steinblöcken aus Bollinger Sandstein, Türmen aus Paletten und Metallgerüsten hingen kunstvoll beleuchtete Bilder und Mobiles oder standen filigrane Stabiles. Was ein einmaliges Gesamtbild ergab: Kunst traf auf Stein – Ewigkeit auf Vergänglichkeit.

Künstlerin Carmen Müller organisierte mit ihrer Schwester das erste Rock'n'Art. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee

Vor sechs Jahren hatten sich die beiden Kunstmalerinnen und Schwestern Carmen Müller und Evelyne Glaus zusammengetan und die erste Rock’n’Art organisiert. Dieses Jahr waren zusätzlich Sandra Raymann, Ursula Grossfeld und Marlene Fuchs mit dabei.

Sie hatten am Samstag zum Event mit Ausstellung, Führung, Apéro und Naturgesang geladen. An der Vernissage fand gar ein Rockkonzert mit der Rival Empire Band statt.

Einmalige Kulisse

«Die Vielfalt der Natur zeigt sich im Stein und der Ort spricht eine spezielle steinische Sprache», mit diesen Worten begrüsste Jan Müller die Gäste und Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee. Seit 1885 baut die Firma Müller Bollinger Sandstein ab und wird nun seit 2022 in der fünften Generation weitergeführt. Jan Müller, Geschäftsführer, führte aus, er habe hier als Kind selber Stein geschlagen. Der Stein sei 20 Millionen Jahre alt und vermittle ein Gefühl von Ewigkeit, betonte Müller mit Leidenschaft und lud zu einer späteren Führung durch die Firma ein.

  • Hedi K. Ernst führte gekonnt durch die Ausstellung. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
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  • Hedi K. Ernst freut sich über das Interesse und die vielen Besucher. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
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Kuratorin Hedi K. Ernst übernahm nun die Führung durch die Ausstellung. Der Ort habe sie im positiven Sinne verwirrt, bekannte sie. Carmen Müller aus Schmerikon hat laut Hedi K. Ernst erst nach der Kinderphase zu malen begonnen als Ablenkung vom Beruf und zum Loslassen. Sie holt sich die Inspiration für ihre Werke aus der Natur und von Fotos. Dabei versuche sie das Bild in Abstraktion zu bringen. Sie experimentiere gerne und lasse ihre Emotionen einfliessen, während sie in zarten und kräftigen Farben Schicht um Schicht aufträgt. Besonders stach ein Gemeinschaftswerk von Carmen Müller und Sandra Raymann ins Auge, das durch kräftige Farben verzaubert und wie ein harmonisches Ganzes wirkt.

Für Evelyne Glaus, die Schwester von Carmen, ist Malen ein Ausgleich zum Beruf. Sie experimentiert mit Rost, Textur und neustens mit Schütten und zarten Farben. Beim intuitiven Schaffen lässt sie Raum für Zufälliges und Gewolltes und bringt so gemäss Ernst ihre Kunstsprache nach aussen.

Sandra Raymann teilt die Freude am kreativen Prozess und die Inspiration durch die Natur mit den andern. Sie arbeitet gerne vielschichtig mit Spachtel, Pinsel und Mixed Media und malt seit ihrer Kindheit. Neuste Arbeiten sind in Neonfarben kombiniert mit zarten Strichen, die dem Bild eine grosse Tiefe geben. Es verbindet sie eine lange, tiefe Freundschaft mit Carmen Müller.

Marlene Fuchs malt seit über zwanzig Jahren. Ihre Technik – ein Mix aus transparenten Farben und figurativer Zeichnung – hat sie beibehalten. Ihre Werke sind eine Halbabstraktion mit nuancierter Perspektive mit Vor-Mittel- und Hintergrund. Jedes Bild erzähle seine eigene Geschichte, so Hedi K. Ernst.

  • Werke der beiden Künstlerinnen Ursula Grossfeld und Evelyne Glaus. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
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  • Die beiden Künstlerinnen (v.l.n.r.) Ursula Grossfeld und Evelyne Glaus. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee
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Ursula Grossfeld überraschte mit etwas ganz Neuem. Früher arbeitete sie mit der Kettensäge und stellte wunderschöne Skulpturen her. Jetzt zeigte sie filigrane Mobile und Stabiles in Neonfarben, die wie Farbtupfer im Raum wirkten. Spielerisch, sich bewegend, schwebend, ausbalanciert, in fluoreszierenden Farben mit Lichtreflexen vermitteln diese Objekte laut H.K. Ernst Leichtigkeit als Kontrastprogramm zu den Steinblöcken. Es handle sich um kinetische Kunst, so Ernst, die in den 1950er und 1960er Jahren an Popularität gewann.

Geschäftsführer Jan Müller von Müller Natursteine AG, Neuhaus, führt durch den Betrieb. Bild: Kunstverein Oberer Zürichsee

Firmenführung und besondere Konzert-Performance

Nicht minder beeindruckend war die Führung von Jan Müller durch die Firma. Er berichtete von der Langlebigkeit des Sandsteins. Dass die Blöcke erst 4-6 Monate vor weiterer Verarbeitung ruhen und austrocknen müssen, um Spannungsrisse zu vermeiden. Und dass deshalb im Winter der Steinbruch mit Hangwasser geflutet wird. Die Steinblöcke wiegen in der Regel 15 Tonnen und lassen sich je nach Einschluss besser oder weniger gut verarbeiten.

Anschliessend trat Silvia Römer, die in der Nähe der Werkhalle aufwuchs, mit einer speziellen Performance auf. Durch ihren jazzigen Naturgesang mit Lauten und Geräuschen vermittelte sie ein Gefühl für die Energie, die aus diesen riesigen, uralten Steinblöcken fliesst. Intuitiv geht sie in ihrem Gesang in globo auf die ausgestellten Werke ein und erläuterte in Worten, was sie dabei empfindet. Sie betonte das ewig Beständige des Steins und die Schönheit des Materials und spürte der Freude am Schaffensprozess und Kreativität der Künstlerinnen nach.

Der Event war als Ganzes ein Erlebnis der besonderen Art – zugleich aufwühlend, inspirierend, nachhaltig.

Antoinette Lüchinger, Kunstverein Oberer Zürichsee