Nach der Begrüssung durch Guido Baumgartner, Co-Leiter der IG Halle, begab sich der Kunstverein Oberer Zürichsee ins Obergeschoss des Kunst(Zeug)Hauses, um den interessanten Ausführungen von Baumgartner zu folgen.
Kunstverein an der Ausstellung «frei»


Kompromisslos frei
Künstler Erwin Schatzmann (1954) hat das Thema einerseits mit dem farbenfrohen Gesslerhut in einen historischen Zusammenhang gestellt. Baumgartner erzählte dazu die Wilhelm Tell Geschichte. Frei sei nur, wer bereit sei, den Preis dafür zu zahlen, ergänzte Baumgartner. Künstler Schatzmann lebe kompromisslos frei. Er erbaute sich gar sein «Morgenland» in Winterthur – einen einzigartigen Offspace, war den Erläuterungen zu entnehmen. Hier hat er sein Atelier und Platz zum Experimentieren.
Schatzmann ist in Agasul (Nähe Illnau) aufgewachsen und nach dem KV nach Indien gereist. Dort zog er mit den Sadhus – den Heiligen Indiens – umher. Zurück in der Schweiz, begann er 1979 als freischaffender Künstler zu arbeiten und tut dies seit über vierzig Jahren.
Die IG Halle zeigt zurzeit einen Ausschnitt aus seinem Universum – Holzskulpturen, Möbel, Malerei, Haute Couture bis hin zu Installationen. Er habe auch eine eigene Sprache und Schrift entwickelt und philosophische sowie autobiografische Bücher veröffentlicht, so Baumgartner. Seine Motive sind geprägt von religiösen, volkstümlichen und mythologischen Inhalten – wie zum Beispiel sein Gemälde von den drei nordischen Schicksalsgöttinnen, den Nornen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft symbolisieren. In dieser Arbeit kombiniert er laut Baumgartner religiöse und mythologische Symbole verschiedener Kulturen und schafft damit neue Verbindungen.

Befreiung durch neue Methoden und Ansätze
Sandra Capaul arbeitet mit Lacken, Drehscheibe und speziellen Papieren. Durch die Drehung der Scheibe werden Lackfarben nach aussen bewegt und teils verspritzt. Damit nicht ihr ganzes Atelier dabei in Mitleidenschaft gezogen wurde, baute sie um die Drehscheibe Gestelle mit Papier auf. Diese Werke, «Circus of the Sun», inspiriert von einer Gedichtsammlung von Robert Lax, wirken im Gegensatz zu «Fluid» – den 17 in Schwarz gehaltenen Arbeiten – luftig, transparent und wie von Regen gemalt. Sandra Capaul versuche auf diese Art, Arbeiten zwischen Kontrolle und Zufall zu schaffen.

Patrik Fuchs fotografierte zerplatzte Ballone hyperrealistisch. Seine Aufnahmen zeigen einen anderen Ansatz zum Thema und vermitteln einen Hauch von Freiheit. Mit seinen kunstvollen Fotografien von Nistkästen und Isolatoren, die wie kostbare Fundgegenstände wirken, hinterfragt Fuchs die Bedeutung von Freiheit zwischen Schutz und Gefangenschaft. Wer wolle sich vor wem schützen? Wer ist frei? Wie ist man frei?

Ganz andere Gefühle und Gedanken lösen die grossformatigen, filigranen Scherenschnitte von Marlis Spielmann bei näherer Betrachtung aus. Die wunderschönen, farbigen und zum Teil beidseitig bemalten Arbeiten enthalten ästhetische, aber auch brutale Bilder von Frauen – Frauen in Ketten, entblösst, entwürdigt. Spielmann hinterfragt damit die Rolle der Geschlechter, die Freiheit der Frauen und ihre Gefangenheit in Mustern und Verhaltensweisen.
Susanne Lyner spielt mit neuen Formaten mit ihrem in sechster Version gezeigten Farbflickenteppich aus Acrylfarbe mit dem Titel «Farbwandern». Ihre Farbobjekte entstehen, indem sie Acrylfarbe in die Luft wirft und auf einen temporären Untergrund fallen lässt, bis sich ein dichtes, mehrschichtiges Geflecht bildet – losgelöst von einem statischen Träger. Ihr Werk wirkt wie ein fliegender Teppich. Auch in ihrer Malerei bringt sie die Farben frei von gegenständlichen Assoziationen zur Entfaltung.

Die Ausstellung ist noch bis 5.11.2023 geöffnet.
Weitere Infos unter www.ighalle.ch.