Mehr Glaubwürdigkeit, weniger negative Botschaften
Schon der Start der Konferenz beschäftigte sich mit einem sehr aktuellen Thema: Wie lassen sich Menschen weltweit dazu motivieren, gegen den Klimawandel vorzugehen? Die leitende Autorin des Weltklimarats für den Bericht zum 1,5-Grad-Ziel Linda Steg redete nicht lange um den heissen Brei herum. «Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, das eigene Verhalten klimafreundlich auszurichten – Ernährung, Mobilität, Energie, Recycling oder politisches Engagement», so Steg.
Trotzdem passiere aktuell noch zu wenig, weil der Mensch immer danach strebe, seinen Komfort, seine Sicherheit und seine individuell verfügbaren Ressourcen wie Geld zu verbessern. Doch klimafreundliche Massnahmen erfordern häufig eine Investition in diesen drei Bereichen: ob Elektroauto, Solaranlage auf dem Haus, Wärmeisolierung und erneuerbare Heizlösung, klimafreundliche Ernährung oder weniger energieintensives Reisen.
Das ist laut Umwelt-Psychologin Steg aber keine Ausrede, denn die Menschen reagieren sehr wohl auf Impulse, sich klimafreundlich zu verhalten. Bisher habe man einfach auf die falschen Kampagnen gesetzt: Statt wie bisher immer nur über die negativen Aspekte von aus Klimasicht falschem Verhalten zu sprechen, reagieren laut Steg Menschen viel stärker darauf, wenn «positives, klimafreundliches Verhalten so kommuniziert wird, dass sich die Leute in ihrem Lebensalltag daran orientieren können.»
So seien die Bevölkerung oder Angestellte laut Studien wesentlich eher bereit, sich umweltfreundlich zu verhalten, wenn auch ihr eigenes Land oder ihr Unternehmen glaubwürdig umwelt- und klimafreundliches Verhalten vorlebe. Denn der Mensch orientiert sich laut Steg als soziales Wesen an seinem Umfeld. «Wenn eine Gruppe, zu der man sich selbst zugehörig fühlt, Klima- und Umweltwerte priorisiert, bestärkt das auch das Verhalten von einzelnen Menschen in ihrem Alltag», so Steg.
Die Verantwortung lässt sich deshalb auch nicht auf das Individuum abschieben. «Leute ändern ihr Verhalten erst, wenn sie sehen, dass es leicht ist, dass Staat und Unternehmen in die entsprechende Infrastruktur investieren und dass viele Menschen diese Angebote aktiv nutzen», sagt Steg. Die intrinsische Motivation für klimafreundliches Verhalten bei Einzelnen bilde zwar eine starke Basis für klimafreundliches Verhalten, das Umfeld müsse aber so gestaltet werden, dass es das richtige Verhalten auch auslöse und bestärke. Zug und Bus werden nur genutzt, wenn es komfortabel sei. Vegan gekocht und gegessen werde erst, wenn man wisse, dass das nahrhaft, lecker und einfach sein kann.
Im interkulturellen Kontext führt das laut Steg zu je nach Weltregion unterschiedlichen Herausforderungen, weil der Wohlstand sehr ungleich verteilt sei. Ärmere Menschen neigen dabei eher zu klimafreundlichem Verhalten als wohlhabende, wobei es auch hier eine Grenze nach unten gebe: «Menschen können sich nur um Umwelt und Klima kümmern, wenn die eigenen Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wohnen und Sicherheit erfüllt sind.»
Weltweite Komplexität durch interkulturellen Dialog steuern
Diese weltweite Komplexität lässt sich nicht ändern, stellte Steve Kulich, ein in China tätiger Professor für interkulturelle Kommunikation, fest. «Aber wir haben die Methoden, den Dialog über gemeinsame Ziele auch zwischen unterschiedlichen Kulturen und Staaten zu steuern», so Kulich. Diesen Dialog über gemeinsame Anstrengungen müsse man auch in einer Zeit führen, in der die Polarisierung in und zwischen Gesellschaften wieder zugenommen habe.