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13.03.2020
13.03.2020 21:01 Uhr

CHANDIRAMANIS BÖRSENWOCHE 11

Ein neuer Erdölkrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien, die Corona, das führte zeitweise zu Panik an den Aktienbörsen.

Bereits am Montag kam die Meldung, dass sich die OPEC (Erdölvereinigung arabischer Staaten) und Russland nicht über ein empfohlenes Niveau des Rohölpreises einigen können. Beide erhöhen die Produktion, Erdöl fällt über Nacht um nahezu einen Drittel.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärt das Corona-Virus zur Pandemie, d.h. zu einer weltweit verbreiteten Epidemie. Gleichzeitig steht Italien still durch Ausnahmezustand - geschlossenen Läden und Schulen, Kinos, Theater, Restaurants, Sportanlässe und Versammlungen usw. werden abgesagt. US-Präsident Trump, der die Krankheit lange heruntergespielt hatte, schliesst in einer Hauruckübung plötzlich die Grenzen, Einreiseverbot für Asiaten, Europäer mit Ausnahme Grossbritanniens und der eigenen Landsleute.

Auch die Lage an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei ist weiterhin angespannt. Der türkische Präsident Erdogan gibt seine Rolle als «Türsteher Europas» zunehmend auf, will mehr Geld von der EU oder die Grenzen für Flüchtlinge öffnen. Das dürfte so oder so Europa in Zukunft belasten.

Die Europäische Zentralbank hilft nur indirekt durch Anleihenskäufen und Notkredite an Banken. Eine Senkung der Leitzinsen gibt es nicht, obwohl es von den Aktienmärkten erwartet worden war.

Alle diese negativen Meldungen ergaben eine toxische Mischung, welche zeitweise eine panikartige Flucht aus den Aktien verursachte. Tagesverluste und Schwankungen von zeitweise über 10 Prozent (am Montag und Donnerstag) gehörten zu den grössten seit der Finanzkrise im Jahre 2008. Erst am Freitag kam es zu einer Erholung, welche nicht bereits im Keime erstickt wurde. Gute Jahresberichte von beispielsweise Baloise, Geberit, Galenica, Vifor, der Liechtensteinischen Landesbank, der Glarner Kantonalbank, Cie. Fin. Tradition und IFV Hartmann u.a. wurden im Rahmen der Aktienbaisse kaum wahrgenommen. Zurzeit versenden einige Firmen Einladung und Unterlagen zu den jährlichen Generalversammlungen. In der Regel wird nicht empfohlen, teilzunehmen, und das Stimmrecht an den unabhängigen Vertreter zu delegieren oder elektronische anzustimmen. Auf Essen oder Apéros wird grundsätzlich verzichtet. Roche verlangt sogar eine Gesundheitserklärung bei allfälliger Teilnahme. Geberit will nur ein kleines Publikum (beschränkte Zulassung). Die Luzerner Kantonalbank verschenkt Essensgutscheine für Abwesende.

Aussichten

Würde die gegenwärtige Situation länger anhalten, könnten nicht nur einzelne Branchen wie Tourismus oder Event-Management usw. leiden, sondern die ganze Wirtschaft in eine Rezession abgleiten. Konjunkturforscher erwarten mindestens 1.5 Prozent schwächeres Wachstum oder Stillstand für das laufende Jahr.

Die «Zinswaffen» der Notenbanken werden immer wirkungsloser. Die Leitzinsen der EZB und SNB sind bereits auf null oder negativ. Als Alternative bleiben fast nur noch Devisenkäufe übrig, Interventionen vor allem zur Stärkung des Dollars und des Euros. Die Schweizer Wirtschaft erwartet Steuererleichterungen, z.B. längere Zahlungsfristen, mehr Entschädigungen für Kurzarbeit oder verlängerte Überbrückung für Arbeitslose.

Im Januar hätte man noch fast überall gedacht, die Wiederwahl von Donald Trump in den USA wäre ein «Sonntagsspaziergang». Da blühten noch Wirtschaft und Aktienbörse, die Demokraten ernteten bereits bei Vorwahlen eine Niederlage nach der anderen. Heute, wenige Wochen später, sieht die Situation ganz anders aus. Die Corona-Krankheit könnte aus heutiger Sicht die US-Wahlen im November kräftig durcheinander wirbeln.

Verhaltenstipps: Panik ist ein schlechter Ratgeber, keine überhasteten Verkäufe von Aktien tätigen, Dividenden kassieren. Diese sind gesichert. Grossen Generalversammlungen fernbleiben. Wenn sich die Märkte beruhigt haben, vereinzelt Jagd nach «Schnäppchen» (Qualitätsaktien, Dividendenperlen, auch Bereiche Pharma, Food, Versicherungen usw.). Vielleicht können wir auch erheblich Vermögenssteuern sparen, wenn die Durststrecke bis zum Jahresende anhält.

Christopher Chandiramani, Börsenanalyst und freier Mitarbeiter Linth24