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Kanton
02.03.2021
02.03.2021 05:57 Uhr

E-ID: Was dafür und was dagegen spricht

Die E-ID (Bild: fiktives anonymisiertes Muster) wird von Beni Würth (r.o.) befürwortet , von Ivo Kuster (r.u.) abgelehnt.
Die E-ID (Bild: fiktives anonymisiertes Muster) wird von Beni Würth (r.o.) befürwortet , von Ivo Kuster (r.u.) abgelehnt. Bild: Digitale Gesellschaft / ZVG
Am Sonntag wird in der Schweiz über das E-ID-Gesetz abgestimmt. Wer sich noch nicht zu einer Entscheidung durchringen konnte, findet hier kurz gefasst, um was es genau geht sowie die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente.

Darum gehts beim E-ID-Gesetz

  • Mittels E-ID soll eine einfache, sichere und eindeutige Identifizierung von Personen im Internet möglich werden, z.B. beim Bestellen von Waren und Dienstleistungen.
  • Der Bezug einer E-ID ist freiwillig.
  • Die E-ID soll nicht vom Bund, sondern von Unternehmen, Kantonen und Gemeinden angeboten werden, die frei gewählt werden können. Der Bund übernimmt nur die Prüfung, Anerkennung und Kontrolle. Er überlässt die technische Umsetzung völlig den Anbietern.
  • Das E-ID-Gesetz setzt die rechtlichen Leitplanken für eine staatlich anerkannte und geprüfte E-ID (elektronische Identität).
  • Für anfallende sensible Daten sollen strengere Regeln als im Datenschutzgesetz gelten.

«E-ID ist ein Baustein für eine innovative Schweiz»

CVP-Ständerat Beni Würth aus Rapperswil-Jona zählt zu den prominenten Befürwortern des E-ID-Gesetzes. Er legte seine Sicht kürzlich in einem Gastkommentar dar.

«Wenn ich den Stand der Online-Dienstleistungen im öffentlichen Sektor mit andern Staaten vergleiche, stelle ich fest, dass die Schweiz als High-Tech-Land nicht besonders gut da steht. Mit der E-ID schaffen wir die Grundlage, besser zu werden.»
Beni Würth

Wenn Würth den Stand der Online-Dienstleistungen im öffentlichen Sektor mit anderen Staaten vergleiche, stelle er zu seinem Bedauern fest, dass im High-Tech-Land Schweiz ein Verbesserungsbedarf bestehe. Das Corona-Krisenmanagement habe ebenfalls Defizite bei der Digitalisierung im öffentlichen Sektor aufgezeigt.

Die E-ID schaffe eine erste Grundlage zur Abhilfe und sei somit ein Baustein für eine innovative Schweiz.

«Wie beim öV möchte ich nicht verschiedene Tickets, sondern ein Ticket lösen. Ein einheitliches Ticket zur Nutzung der vielen elektronischen Dienstleistungen, mit dem ich mich x-fach identifizieren kann – kundenfreundlich, sicher und günstig.»
Beni Würth

Diverse Schweizer Kantone hätten begonnen, so genannte Portal-Lösungen umzusetzen. Würth vergleicht dies mit einem Einstiegsbahnhof in ein Netz digitaler Dienstleistungen. Doch wie beim öV wolle er nicht verschiedene Tickets, sondern ein einziges Ticket lösen. Dies sei der Zweck der nationalen E-ID: ein einheitliches Ticket zur Nutzung der vielen elektronischen Dienstleistungen, das kundenfreundlich, sicher und günstig eine x-fache Identifizierung ermögliche.

Dazu seien nationale Lösungen auch zweckmässig: Digitale Prozesse seien durchgängig, daher hält Würth kantonale E-IDs für wenig sinnvoll. Doch bei einem allfälligen Nein würde es wohl vermehrt zu kantonalen Alleingängen kommen.

Hauptstreitpunkt der Vorlage ist für Würth die Aufgabenteilung zwischen Bund und privaten E-ID-Anbietern. Gegner der Vorlage plädieren für eine technische Lösung und Umsetzung der E-ID durch den Bund allein, unter Verzicht auf die Zusammenarbeit mit Privaten. Doch angesichts des dürftigen Leistungsausweises bundeseigener Informatik hegt Würth Zweifel, dass eine reine Bundes-Lösung sicherer und besser sei.

«Dass der Staat die Datenhoheit nicht aus den Händen gibt, ist hier gewährleistet. Der Bund überprüft die Identität der Antrag stellenden Person und gibt grünes Licht für die E-ID-Ausstellung. So gesehen ist und bleibt der Bund alleiniger Herausgeber der E-ID.»
Beni Würth

Laut Würth verbleibe die Datenhoheit beim Bund. Dieser überprüfe die Identität der Antrag stellenden Person und gebe dann die Einwilligung für die E-ID-Ausstellung. So gesehen sei und bleibe der Bund alleiniger Herausgeber der E-ID. Zudem definiere der Bund die technischen Anforderungen und anerkenne und beaufsichtigte die privaten Anbieter.

E-ID-NutzerInnen hätten jederzeit die volle Kontrolle über ihre eigenen Daten und könnten selbst entscheiden, wem sie was und wann bekannt geben wollten. Der Besitz einer E-ID bleibe freiwillig.

Für Würth ist die Aufgabenteilung bei der E-ID zwischen Bund und Privaten zweckmässig und bewährt. Jede Seite fokussiere auf das, was sie am besten könne: Der Staat reguliere, akkreditiere und überwache, der private IT-Anbieter sorge für die technische Umsetzung.

«Missbrauchspotenzial bei E-ID ist gewaltig»

Der Eschenbacher SP-Politiker Ivo Kuster ist Mitglied im überparteilichen BürgerInnen-Komitee, welches das Referendum gegen die E-ID-Vorlage unterstützt und sich für ein Nein einsetzt. Auf Anfrage von Linth24 hat er die wichtigsten Gegen-Argumente und Überlegungen zusammengefasst.

«Eine E-ID ist zweifellos eine Erleichterung für Verwaltungsakte, Verträge und Einkäufe. Grundsätzlich falsch ist aber die Absicht, dass der Staat die Herausgabe dieses sehr wichtigen ‹Elektronischen Schweizer Passes› ausgerechnet privaten Konzernen überlassen muss!»
Ivo Kuster

Aus Kusters Sicht würde eine E-ID zweifellos eine Erleichterung darstellen, etwa bei Verwaltungsakten, Verträgen und bei Einkäufen im Internet.

Doch findet er es grundsätzlich falsch, dass der Staat die Herausgabe dieses sehr wichtigen «Elektronischen Schweizer Pass» ausgerechnet privaten Konzernen überlassen muss, die ein handfestes kommerzielles Interesse an Daten haben. Die Verwaltungen würden damit gezwungen, Firmen die gesamten Daten des Einwohneramts auszuhändigen, dazu käme es zu einer elektronischen Speicherung biometrischer Daten. Für Kuster grundsätzlich sehr heikel.

«Der Staat als Herausgeber würde seinen Hauptfokus darauf legen, dass diese E-ID das Stimmgeheimnis wahrt und kein Missbrauch betrieben werden kann. Krankenkassen, Banken und Versicherungen legen ihren Hauptfokus logischerweise auf Nutzer-Freundlichkeit, damit möglichst viele bei ihnen die ID bestellen und dafür etwas zahlen.»
Ivo Kuster

Kuster sieht ein gewaltiges Missbrauchspotenzial bei der E-ID. Jeder Herausgeber lege einen anderen Hauptfokus auf die E-ID: Der Staat würde ganz gewiss vornehmlich darauf achten, dass bei seiner E-ID das Stimmgeheimnis gewahrt und kein Missbrauch betrieben werden könne.

Krankenkassen, Banken und Versicherungen als Anbieter würden vornehmlich auf Nutzerfreundlichkeit fokussieren, mit dem Ziel, dass möglichst viele Menschen bei ihnen eine E-ID bestellen und dafür bezahlen.

Da der Bund für eine Interoperabilität der Datenformate sorgt, ist technisch ein Informationsaustausch zwischen Anbietern möglich. Wer z.B. mit seiner E-ID von Anbieter X an der Amtsstelle Z, die mit Anbieter Y kooperiert, einen Antrag stellt, wird dem Anbieter Y Einblick in die Daten gewähren. (Siehe Artikel in der «Republik».)

Für Kuster stellt das vorliegende E-ID-Modell eine vorauseilende Privatisierung einer staatlichen Infrastruktur dar. Er vergleicht die Situation mit der Gründung der SBB 1902, aus einer Not heraus. Nachdem sich die Bundesversammlung 50 Jahre zuvor für konkurrierende Privatbahnen ausgeprochen hatte, hätte dieses Modell nur zu Spekulation und Abschottung, aber zu keinem Miteinander geführt.

Auch die verschiedenen privaten E-ID-Anbieter erwarteten entsprechend riesige Gewinne, insbesondere durch die Auswertung von Daten und Nutzerverhalten von Millionen SchweizerInnen.

«Wenn Befürworter behaupten, dass der Staat zu einer E-ID gar nicht befähigt sei, dann ist umgekehrt daraus zu schliessen, dass er dieses Datenproblem auch nicht überwachen kann. Bei Abstimmungen und Wahlen ist aber diese Kontrolle fundamental. Eine digitale Demokratie braucht einen starken Service Public bei der Identität.»
Ivo Kuster

Wenn E-ID-Befürworter argumentieren, der Staat sei zu einer Ausstellung gar nicht dazu befähigt, müsse man laut Kuster umgekehrt daraus schliessen, dass der Staat dieses komplexe virtuelle Datenproblem kaum überwachen könne. Doch genau bei Abstimmungen und Wahlen sei die Kontrolle für den Staat fundamental wichtig. Eine digitale Demokratie brauche einen starken Service Public bei der Identität.

Hinsichtlich Datenhoheit bevorzugt Kuster ein anderes Modell: Die E-ID-Daten seien bei einem selbst z.B. auf dem Pass zu speichern. Über einen sicheren Zugangsbereich auf dem Smartphone würde man jene Daten freigeben, die z.B. für einen Einkauf oder einen Verwaltungsakt nötig seien. Damit würden keine Datenberge vorauseilend an private Herausgeber übergeben. Doch Kuster vermutet, dass die E-ID-Konsortien oder die Techkonzerne bei einer solchen Umkehr der Datenhoheit kaum mitmachen wollten.

Stefan Knobel, Linth24