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06.09.2019

CHANDIRAMANIS BÖRSENWOCHE NR 35

Trotz Handelskonflikt, Rezessionsbefürchtungen, politischen Turbulenzen in England und anderen negativen Ereignissen tendieren die Aktien freundlich.

Erwartungen einer Beruhigung und weiterhin tiefe Zinsen geben vermehrt zu Optimismus Anlass. Der Schweizer Börsenindex SMI hat Ende Woche die Marke 10‘000 Punkte wieder überschritten.

Die Berichtsperiode war auf politischer und wirtschaftlicher Ebene ereignisreich. Die neue Woche begann mit dem Resultat der Wahlen in den deutschen Bundesländer Brandenburg und Sachsen. Die Stärkung der AfD und Schwächung der etablierten Parteien CDU und SPD durch Protestwähler macht eine neue Regierungsbildung schwierig. Die ideologischen Ansichten sind zu unterschiedlich.

Im Gegensatz dazu sind in Italien Regierungsgespräche zwischen den Sozialisten und der Fünfsterne-Bewegung gelungen. Aber in Grossbritannien ist Brexit-Chaos noch grösser geworden. Parlament und Premierminister sind zerstritten und bis heute wissen wir immer noch nicht wie weiter. Kommt es zum Brexit im kommenden Oktober oder zu einer nochmaligen Verschiebung, all das ist möglich mit oder ohne Austrittsvereinbarung mit der EU.

Argentinien hat wiederum Devisenkontrollen eingeführt, um die Landeswährung vor dem Zerfall zu retten. Skeptiker schliessen hier einen Staatsbankrott und eine Währungsreform nicht aus.

Erstaunt hat trotz allem die relativ freundliche Aktienbörse. Hoffnungen auf eine Beruhigung im Zollstreit USA-China und Zinssatzsenkungen haben dominiert und die Aktienmärkte beflügelt. Auch der Mangel an Anlage-Alternativen in einem Umfeld mit dem de facto Nullzinsen gibt den Beteiligungspapieren Aufwind. Neben den Liegenschaften sind Aktien fast die einzige Anlageform, die eine positive Rendite bringt.

Das Wirtschaftswachstum der Schweizer Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal abgekühlt. Das Bruttoinlandprodukt legte von April bis Juni gegenüber dem Vorquartal lediglich um 0,3 Prozent zu, dies nach 0,4 Prozent im ersten Quartal 2019.

Marktbeobachter erwarten noch mehr Bremsspuren. Jedoch sind die meisten Aktienkurse von Industriewerten in den vergangen Tagen im Zuge der anziehenden Börse ebenfalls gestiegen. Nicht zu vergessen ist, dass die Indexschwergewichte (Nestlé, Basler Pharma) im laufenden Jahr die Kursentwicklung geprägt haben. Kleine und mittelgrosse Firmen sind seit Jahresbeginn kursmässig zurückgeblieben. Gesamthaft überstieg in der Berichtswoche der SMI wiederum die Marke von 10‘000 Punkten.

Aussichten

Nächste Woche wird in der Schweiz mit der neuen Hunderternote die Ausgabe der jüngsten Banknotenserie abgeschlossen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der möglichen zukünftigen Bargeldabschaffung. Das würde zusammen mit der Digitalisierung ein weiterer Stellenabbau bei den Banken bedeuten. Die UBS hat bereits Andeutungen in diese Richtung gemacht.

So handelt beispielsweise in Skandinavien und den USA die Gesellschaft schon weitgehend bargeldlos. In der Schweiz gilt nach wie vor das Motto «nur Bares ist Wahres». Längerfristig dürften jedoch auch bei uns Handygebrauch, Kreditkarten und elektronischer Zahlungsverkehr zunehmen.

Im Übrigen rechnen viele Marktbeobachter mit einer weiteren weltweiten wirtschaftlichen Abkühlung. Handels- und Währungskrieg, allzu lange Tiefzinspolitik der Notenbanken, Krise der deutschen Autoindustrie, Frankenstärke usw. könnten längerfristig ihre Spuren hinterlassen.

Unklar ist auch der Ausgang der Schweizer Parlamentswahlen im Oktober. Ein Linksrutsch, wie ihn die Medien erwarten, könnte eine beginnende Rezession verstärken, wenn Energie und Treibstoffe teurer werden. Sogenannte «Herbststürme» an den Aktienmärkten sind somit auch in diesem Jahr nicht ausgeschlossen. Das wäre dann wiederum eine Basis für ein «Weihnachtrally», wenn das Umfeld sich wieder verbessert.

Christopher Chandiramani, Kolumnist Linth24