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Kanton
11.06.2024
11.06.2024 16:05 Uhr

Memorial für Nazi-Opfer

Auschwitz – das wohl bekannteste Konzentrationslager
Auschwitz – das wohl bekannteste Konzentrationslager Bild: Symbolbild
Die Stimmen der NS-Überlebenden werden die Geschichte nicht ewig überdauern. Scheiden die Überlebenden dahin, so werden es auch ihre Stimmen und Geschichten tun. Um dies zu vermeiden, sieht man im Rheintal ein Memorial für die Opfer dieses dunklen Zeitalters vor.

Im Rheintal soll ein Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet werden. Um sich zu diesem Thema ordentlich Gedanken zu machen, fanden sich am 10. und 11. Juni zahlreiche Experten und Interessierte im Schulhaus Hadwig in St.Gallen zu einer Fachtagung ein. In diesem gemeinsamen Raum sollen neue Ideen entstehen und Wissen ausgetauscht werden.

Geschichte bewahren

Die erste grosse Rednerin an diesem Tag war niemand Geringeres als Regierungsrätin Laura Bucher aus St.Margrethen. «Gestern noch bin ich dem Rhein entlang gejoggt und habe dort wortwörtlich die Grenze überschritten. Dabei wurde mir wieder bewusst, wie nahe das alles geschehen ist.» Die Tagung ist daher extrem wichtig. Noch dazu, weil sie in einem Ausbildungszentrum für Lehrer stattfindet. «Wir müssen uns daran erinnern, für wen wir die Geschichte aufarbeiten: Für die nachfolgenden Generationen!»

Zu schnell seien in dieser Zeit Grundrechte und Humanität über den Haufen geworfen worden. «Und auch die neutrale Schweiz ist hier nicht unschuldig. Anders als wir uns gerne präsentieren.» Konkret: «Ja, wir haben Flüchtlinge aufgenommen. Aber zehntausende wurden abgewiesen. Fremdenfeindlichkeit ist also keine Erscheinung der Neuzeit.»

Regierungsrätin Laura Bucher Bild: Fabian Alexander Meyer

Doch warum ausgerechnet ein Memorial im Rheintal?

«Das Rheintal markiert das Ende einer Fluchtbewegung. Hier trafen die Flüchtlinge in die Schweiz ein und befanden sich auf (mehr oder weniger) neutralem Boden.» Ein Mann, der besonders für seinen Einsatz für die Flüchtlinge in die Geschichtsbücher einging, war Paul Grüninger. Entgegen seiner Dienstvorschriften verhalf er Flüchtlingen zum Eintritt in die Schweiz. «Doch leider flog es auf und die Regierung tat sich schwer mit der Rehabilitierung von Grüninger.» Das stellt ausserdem auch die Frage, wie viel Platz man nicht-Opfern an einem Memorial geben darf. Wird auch Grüninger ein Teil davon?

«Die Geschichte ist für viele Menschen einprägsam. Einzelschicksale treffen auf ganze Familien. Daher ist eine Erinnerung mehr als nur historische Aufarbeitung. Wir müssen der Opfer gedenken und jenen zuhören, die berichten können.» Denn diese Stimmen werden verstummen. «Wir müssen die Realität des Holocausts vermitteln. Insbesondere dann, wenn der letzte Überlebende gestorben ist.»

Wie geht man als Land damit um, dass man «davongekommen» ist?

Diese Frage warf Manuel Frick, Liechtensteinischer Regierungsrat, in den Raum. «Ja, wie geht das? Wir als Land kommen davon, während unweit von uns einer der schlimmsten Genozide der Weltgeschichte begangen wird.» Er argumentiert damit, dass die Grösse des Fürstentums und auch dessen Nähe zur neutralen Schweiz mitverantwortlich dafür seien, dass man als Land «davongekommen» ist. «Wir wollen und sollen all denen gedenken, die es eben nicht geschafft haben, diesem Verbrechen an der Menschheit zu entkommen.»

Und wie sieht dieses Denkmal aus?

Viele Details sind noch nicht bekannt. Aber was man weiss: 2025 wird ein entsprechender Wettbewerb stattfinden. Von 2026-2027 wiederum wird dan das Siegerprojekt umgesetzt. Das Konzept sieht drei Elemente vor. Erinnern, Vermittel und Vernetzen. Kanton und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund haben in Zusammenarbeit mit dem jüdischen Museum Hohenems entsprechende Grundlagen erarbeitet. Errichtet werden soll das Memorial im Raum Diepoldsau.

Fabian Alexander Meyer, StGallen24