Die Schlossuhr schlägt dreieinviertel. Die wartende Menge wogt und tobt schon rund ums Rathaus herum. Fanfarenklänge ertönen und das Spektakel beginnt. Ein 100kg schwerer Lebkuchen senkt sich langsam die Fassade entlang. Gierige Hände strecken sich ihm entgegen und wer am höchsten springt, erhascht ein Stück der süssen Leckerei. Das alljährliche Ritual hat eine jahrhundertealte Geschichte.
Start im Vorhimmel
Pünktlich um 11 Uhr öffnet sich die Eichentüre zum Rathaussaal, dem Vorhimmel des Geissebei. Vorhimmel heisst er nicht, weil dort diejenigen Platz nehmen, die bald das Zeitliche segnen könnten, sondern weil an diesem Ort Essen, Trinken, Humor und Witz die Anwesenden in himmlischen Gefilden schwelgen lassen.
Stadtpräsident Martin Stöckling begrüsste die «hochwohllöbliche Festgemeinde» und besonders den Ehrengast, Rocco Delli Colli. Auf Italienisch. Ben fatto, signor sindaco!
Mit dem nächsten Atemzug legte er gleich ein Geständnis ab: Er, Martin Stöckling, habe das Geissebei an einen chinesischen Investor verkauft. Deshalb würden im nächsten Jahr keine Würste, Brötli und Biberli verteilt, sondern Billig-Natels und Unterhaltungselektronik made in China. Der Stadtschreiber sei schon an der Bestellung bei Temu, Wish und Alibaba.