- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Der Krieg in der Ukraine geht bald in sein drittes Jahr. Nimmt man den ukrainischen Putsch von 2014 zum Anfangspunkt der Auseinandersetzungen, dann dauern sie schon zehn Jahre.
In westlichen Medien dominiert vor allem der ukrainische Blick – verständlich, da Russland hier als Aggressor gilt. Dabei wird es weitgehend mit dem Machthaber Wladimir Putin gleichgesetzt.
Doch das ist eine verkürzte Darstellung. Bei einer Reise nach Russland habe ich erfahren, wie die normalen Menschen über den Krieg denken. Ihre Ansichten sind erstaunlich nüchtern. Ihre grosse Sehnsucht heisst: Frieden.
«Spiel der Mächtigen»
Viele sehen den Krieg als «Spiel der Mächtigen», die sich nicht um das Wohl des Volkes kümmern. Ich habe keine einzige Person getroffen, die in einem martialischen Rausch gefangen wäre.
Wer in den Krieg zieht, macht das oft, weil er muss, oder um des Geldes willen, nicht unbedingt aus einem patriotischen Pflichtgefühl heraus. Mit dem Grossen Vaterländischen Krieg, wo es darum ging, die Heimat gegen Hitler zu verteidigen, kann man das nicht vergleichen.
Kritisch gegenüber Medien
Gleichzeitig sind die Menschen oft auch kritisch gegenüber den Medien eingestellt. Viele wissen noch aus Sowjetzeiten, dass man die Berichte nicht für bare Münzen nehmen darf und zwischen den Zeilen lesen muss.
Ein Soldat sagte seiner Mutter: «Glaub nicht, was du im Fernsehen siehst.»
Manche glauben an «Präventivschlag»
Niemand, mit dem ich gesprochen habe, will diesen Krieg. Dennoch können viele Putins Beweggründe nachvollziehen. Die Umtriebe der ukrainischen Nationalisten oder «Faschisten» werden als Bedrohung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine wahrgenommen.
Und dass die Nato oder die EU dereinst bis an die russische Grenze reichen könnte, verstärkt dieses Gefühl. Manche halten Putins Invasion daher für eine Art «Präventivschlag», so verkehrt das in westlichen Ohren klingen mag.
Witze über Putin
Das heisst nun aber nicht, dass die Menschen gegenüber ihrem mächtigen Präsidenten nicht auch kritisch wären. Im Internet kursieren erstaunlich viele Witze über Putin, die beispielsweise die staatliche Überwachung aufs Korn nehmen.
Sanktionen bringen nichts
Was man ihm Westen auch viel zu wenig zur Kenntnis nimmt: Die Sanktionen haben null Einfluss auf die russische Kriegsplanung. Die Reichen und Mächtigen lachen nur darüber. Anders die normale Bevölkerung: Sie leidet unter der Teuerung.
Meschen wollen Frieden
Würde man die Menschen fragen, dann käme heraus, dass die allermeisten Frieden und ein normales Leben haben wollen, ohne die Furcht, für das Machtspiel derer «da oben» die eigene Existenz aufs Spiel setzen zu müssen. Es müsste allerdings ein Frieden sein, der dem russischen Bedürfnis nach Sicherheit Rechnung trägt.
Wann, wenn nicht in der Weihnachtszeit, wäre es Zeit, dem Frieden eine Chance zu geben?