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Amden
24.10.2023
24.10.2023 14:01 Uhr

«Es gibt keinen Amtszwang mehr»

Peter Remek, Gemeindepräsident von Amden
Peter Remek, Gemeindepräsident von Amden Bild: Linth24 / Web /freie Nutzung
Amden sucht händeringend nach einem neuen Gemeinderat. Gemeindepräsident Peter Remek nennt die Hintergründe.

Am Sonntag war in Amden Wahlen für den Gemeinderat, aber es gab keine Kandidaten. Niemand wollte als Nachfolger für Walter Zahner gewählt werden. Zahner hatte im April nach 6 Jahren im Gemeinderat aus persönlichen Gründen seinen sofortigen Rücktritt erklärt.

Weil es keine Kandidaten gab, war das Wahldebakel vom Sonntag absehbar: Auf den Stimmzetteln erschienen diverse Namen, aber zu wenige für eine gültige Wahl. Den Gemeindepräsidenten Peter Remek hat es auf jeden Fall nicht überrascht. Im Interview mit Linth24 sagt er, wie es nun weitergeht.

Herr Remek, hat es Sie überrascht, dass am Sonntag noch keine Wahl zustande gekommen ist?

Nein. Für den ersten Wahlgang gilt das absolute Mehr. Da es keinen offiziellen Wahlvorschlag gab und auch kurzfristig niemand kommuniziert hat, dass er sich zur Wahl stellt, war es zu erwarten, dass niemand das absolute Mehr erreicht.

Für das Amt hat niemand kandidiert. Wie erklären Sie sich das?

Das ist schwierig zu beurteilen. Die beiden Ortsparteien - die Mitte und die SVP -  haben grosse Bemühung unternommen, eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden und viele Personen persönlich angesprochen. Ich gehe davon aus, dass jede angesprochene Person ihre eigenen Beweggründe hatte.

Ist nach Ihrem Dafürhalten die Unlust zu kandidieren ein Amler Problem oder sehe Sie da grössere Zusammenhänge?

Ich denke «Unlust» ist das falsche Wort. Sicherlich ist es so, dass sich nicht jede oder jeder für ein öffentliches Amt interessiert. Bei Personen, die sich grundsätzlich interessieren würden, stellt sich dann aber zusätzlich die Frage, ob die Übernahme eines solchen Amtes mit dem Beruf oder Privatleben vereinbar ist.

Das Problem, dass es zunehmend schwieriger wird, Kandidaten für ein solches Amt zu finden, stellt sich nicht nur in Amden, sondern grundsätzlich in allen Gemeinden. Einwohnerstärkere Gemeinden haben hier allerdings gegenüber kleinen Gemeinden den Vorteil, dass ein grösserer Pool an möglichen Kandidaten besteht.

In Gemeinden mit einer kleinen Verwaltung ist es zudem oftmals so, dass Mitglieder des Rates verwaltungsnahe Aufgaben oder die Leitung von Projekten übernehmen müssen, was bei der Suche von Kandidaten je nach Motivation der Kandidaten entweder ein Vorteil oder aber auch ein Nachteil sein kann.

«Ich habe darauf verzichtet, einzelne Personen auf eine mögliche Kandidatur anzusprechen.»
Peter Remek, Gemeindepräsident Amden

Haben Sie selbst versucht, Menschen aus der Gemeinde zu motivieren?

Generell ja. Allerdings sind es die Stimmberechtigten, die entscheiden sollen, wie sich der Gemeinderat zusammensetzt. Aus diesem Grund habe ich bewusst darauf verzichtet, einzelne Personen auf eine mögliche Kandidatur anzusprechen.

Wenn sich bis am Freitag kein neuer Kandidat, keine neue Kandidatin meldet, dann kommt es erneut zu einer «wilden Wahl». Versuchen Sie, das zu vermeiden? Wenn ja, wie?

Meldet sich bis am Freitag nur ein Kandidat, ist dieser in stiller Wahl gewählt. Meldet sich kein Kandidat, gilt für den zweiten Wahlgang das relative Mehr, d.h. der Kandidat mit den meisten gültigen Stimmen ist gewählt.

Auch wenn das kantonale Abstimmungs- und Wahlgesetz diesen Prozess so vorsieht, kann man sich insbesondere bei einer stillen Wahl die Frage stellen, inwiefern diese durch einen Entscheid der Stimmberechtigten legitimiert ist.

Um das Risiko einer «wilden Wahl» zu minimieren, hat die Gemeinderatskanzlei den Prozess für den zweiten Wahlgang klar und verständlich auf ihrer Internetseite kommuniziert und wird diesen auch in der nächsten Ausgabe der Ammler-Zitig, die am Freitag erscheint, kommunizieren.

Aus vorstehend erwähnten Gründen wird der Gemeinderat aber auch für einen zweiten Wahlgang darauf verzichten, einzelnen Personen aktiv zu einer Kandidatur zu bewegen

Angenommen, es kommt zu dieser wilden Wahl, dann kann es passieren, dass ein Amler gewählt wird, der das gar nicht will. Was passiert dann?

Das kantonale Abstimmungs- und Wahlgesetz sieht nicht vor, dass eine Wahl aktiv angenommen werden muss. Die Wahl wird der betroffenen Person aber direkt nach der Wahl in Form einer schriftlichen Wahlanzeige mitgeteilt, dies mit Verweis auf Art. 106 Abs. 1 des kantonalen Abstimmungs- und Wahlgesetzes, dass die Wahl als angenommen gilt, wenn das Mandat nicht innert drei Tagen ab Versand der Mitteilung ablehnt wird.

Kann der unfreiwillig Gewählte ablehnen und was riskiert er, wenn er oder sie das tut?

Seit einer Revision der kantonalen Gesetzgebung im Jahr 2023 besteht im Kanton St. Gallen kein «Amtszwang» mehr. Jede gewählte Person hat somit grundsätzlich das Recht, die Wahl innert einer vorgebebenen Frist abzulehnen. Rechtliche Konsequenzen hat eine solche Ablehnung nicht.

«Der Gemeinderat muss sich Gedanken machen.»
Peter Remek, Gemeindepräsident Amden

Wie ist das für Sie persönlich, dass Sie verantwortlich sind für einen Gemeinderat, in den niemand Neues will?

Natürlich bin auch ich nicht glücklich darüber, dass sich für den ersten Wahlgang keine offizielle Kandidatin und kein offizieller Kandidat gemeldet hat. Schade finde ich dies v.a. deshalb, weil der Einsitz im Gemeinderat eine einmalige Gelegenheit bietet, als Einzelperson oder Vertreterin bestimmter Bevölkerungsgruppen die Zukunft von Amden aktiv mitzugestalten. Wie bereits erwähnt, ist das «Wollen» aber nur einer von vielen Faktoren dafür, ob sich jemand für oder gegen eine Kandidatur für ein öffentliches Amt entscheidet.

Nachdem die beiden Ortsparteien dem Gemeinderat einige Wochen vor dem Termin für die Eingabe der offiziellen Wahlvorschläge mitgeteilt haben, dass sie trotz intensiver Suche noch keine offizielle Kandidatin oder keinen offiziellen Kandidaten für den freien Sitz im Gemeinderat gefunden haben, wurde den Präsidenten der Ortsparteien mitgeteilt, dass sich Interessenten für den freien Sitz bei Fragen bezüglich Aufgaben, Arbeitsaufwand oder Ablauf der Sitzungen, resp. bezüglich Beschlussfassung gerne bei der Gemeinderatskanzlei melden dürfen.

Genutzt wurde dieses Angebot allerdings nicht.

Sicherlich muss ich der Gemeinderat aber mit Blick auf die kommunalen Wahlen im Jahr 2024 Gedanken machen, wie mehr Personen dazu motiviert werden können, sich für ein öffentliches Amt zur Verfügung zu stellen.

Mario Aldrovandi, Linth24