Der vermeintliche Hase entpuppt sich meist als Kaninchen. Oder: Vermutlich wird kaum eine andere Tierform so häufig falsch benannt wie das Hauskaninchen. Dabei sind der Feldhase (Lepus europaeus) und das Europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus), die Stammform aller heute existierenden Kaninchenrassen, zwei Tierformen, die, so sollte man meinen, allein schon wegen ihrer äusseren Gestalt nicht miteinander verwechselt werden können. Feldhasen haben lange Ohren (Löffel) und kräftige Hinterläufe, die den deutlich kleineren, gedrungenen Wildkaninchen fehlen. Beide Arten und obendrein auch der Alpenschneehase (Lepus timidus varronis) gehören zur heimischen Fauna, sind also Wildtiere.
Das Hauskaninchen (Oryctolagus cuniculus f. domestica), gemeinhin als «Stallhase» bekannt, ist die domestizierte Form des ursprünglich in Südfrankreich und Spanien vorkommenden Wildkaninchens. Die in aller Regel für die Fleischgewinnung genutzten Tiere sollten ausschliesslich in Gruppen, heisst: ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechend, gehalten werden, was unverständlicherweise in den landauf, landab praktizierten Haltungsformen leider nicht eben häufig geschieht. Die Behauptung, dass die Unterbringung sehr vieler Hauskaninchen mehr als fragwürdig ist, kann eindeutig belegt werden.
Anders in Knies Kinderzoo. Dort beanspruchen acht Tiere dreier gefährdeter Rassen, die hinsichtlich der Erhaltungszucht vom Engagement der Stiftung Pro Specie Rara profitieren, eine vielfältig strukturierte Fläche grösseren Ausmasses.
Drei seltene Schweizer Kaninchenrassen
Das Schweizer Fuchskaninchen. Die ruhige, widerstandsfähige Rasse hebt sich durch ihr langes, flauschiges Fell, welches an dasjenige des blaufarbenen Polarfuchses erinnern soll, hervor. Im kontrastreichen Gegensatz dazu weisen der Kopf und die Ohren eine kurze Behaarung auf. Nur wenige ZüchterInnen nehmen sich dem heute selten gewordenen Fuchskaninchen an.
Das Schweizer Fehkaninchen. Das Hauptmerkmal dieser kleinen, eigenständigen Rasse, deren planmässige Zucht 1918 begann, ist die gewünschte, gleichmässig verlaufende «Perlung» im blaugrauen Fell, für AusstellungsrichterInnen das A und O. Auffallend sind aber auch seine breite Stirn und die aufrecht getragenen Ohren, welche dicht behaart sind. Der Name «Feh» bezeichnet die winterliche Fellfarbe der im hohen Norden verbreiteten Eichhörnchen.
Das Schweizer Dreifarben-Kleinscheckenkaninchen. Die jüngste der drei Rassen (sie wurde erst 1984 offiziell anerkannt) haben wir der Initiative und dem Ehrgeiz des Winterthurer Züchters Anton Häberli zu verdanken. Dieser hatte 1967 den Wunsch, ein buntes Kaninchen mit aparter Tupfenzeichnung hervorzubringen, das ein über die Wirbelsäule ziehendes Band mit schwarz-orangen Punkten, die sich parallel dazu auf dem sonst reinweissen Fell ausgeglichen verteilen sollten, aufzuweisen hat. Ohren, Nasen- und Augenpartie müssen ebenfalls farbig sein. Das Erreichen des ambitiösen Zuchtziels stellt eine grosse Herausforderung dar, weil die Rasse spalterbig ist. Das kann zur Folge haben, dass die direkten Nachkommen von Elterntieren mit vorzüglicher Fellzeichnung (nach festgeschriebenem Standard) dem Zuchtpaar gleichwohl nicht ebenbürtig sind.
Hauskaninchen als «missverstandenes Heimtier»
Die Anlage in Knies Kinderzoo soll – getreu dem Credo «Tiere erfahren. Biodiversität bewahren.» – aufzeigen, wie Hauskaninchen gehalten werden müssen. Ein erkannter Auftrag, solange diese leider noch immer weitherum verächtlich behandelten Tiere zu einer widrigen Daseinsform verurteilt sind, sowohl in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (Stichwort: «Tablar-Kühe») als auch im urbanen Umfeld, wo sie nur allzu oft in respektloser Manier die Rolle des missverstandenen Heimtiers aufgebürdet bekommen.