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Rapperswil-Jona
26.04.2023
30.06.2023 10:07 Uhr

Stadttunnel: Viel Interesse und wenig Klärung

Stadttunnel als Chance? v.l.n.r. RJ Bauchef Christian Leutenegger; Ivo Reichenbach (Die Mitte); Moderator Stefan Schmid; Susanne Thommen (SP); Silas Trachsel (GLP); Fabienne Perret (Fachexpertin Verkehr); Marcel Gämperli (Fachexperte Stadtentwicklung)
Stadttunnel als Chance? v.l.n.r. RJ Bauchef Christian Leutenegger; Ivo Reichenbach (Die Mitte); Moderator Stefan Schmid; Susanne Thommen (SP); Silas Trachsel (GLP); Fabienne Perret (Fachexpertin Verkehr); Marcel Gämperli (Fachexperte Stadtentwicklung) Bild: Markus Arnitz, Linth24
400 Leute besuchten gestern den Info-Abend «Stadttunnel als Chance». Der gut organisierte Anlass half Zweiflern aber kaum weiter. Der Tunnel dürfte es schwer haben. Kommentar von Bruno Hug

Eines muss man den Moderatoren Stefan Schmid vom St. Galler Tagblatt, Stadtbau-Chef Christian Leutenegger und den Diskussionsteilnehmern lassen: Sie machten ihre Aufgabe sehr gut. Leutenegger gab sich alle Mühe, den rund 400 Besuchern im Kreuzsaal im Namen des Stadtrates den irgendwann zu bauenden Stadttunnel zu «verkaufen».
Und auch die Diskussionsrunde setzte sich bravourös in Szene. Ivo Reichenbach, Präsident Die Mitte, für den Tunnel, Susanne Thommen (SP) und Silas Trachsel (GLP) dagegen. Und die Fachexperten Fabienne Perret und Stadtbaumeister Marcel Gämperli spielten ausgleichende Gerechtigkeit.

Tunnel ja oder nein

Stadtrat Leutenegger stieg ein mit dem Argument, es brauche nun eine Volksabstimmung. Man müsse endlich wissen, wie die Stadt weiter zu planen sei. Und auch der Kanton verlange von Rapperswil-Jona eine klare Antwort: Tunnel ja oder nein. Sonst – so in etwa die Botschaft – nehme in St. Gallen zur Lösung der hiesigen Verkehrsprobleme niemand mehr einen Griffel in die Hand. 

Unten hindurchschieben

Eine Botschaft, die alle verstehen. Für die Siedlungsentwicklung und die Verkehrs- und Freiraumkonzepte dieser Stadt muss man wissen, ob die täglich 25'000 Fahrzeuge «unten hindurchgeschoben werden», wie ein Bürger in der Schlussdiskussion sagte, oder ob der Verkehr weiterhin oberirdisch rollt, lärmt, stinkt und steht.
Es brauche jetzt einen «Grundsatzentscheid», wie Stadtrat Leutenegger sachlich zum Besten gab.

  • Linke Schleife orange: Variante «Mitte» mit Anschlüssen im Teuchelweiher (Stadtmitte) und Kempraten. Schleife rechts, rot: Variante «Direkt» mit nur einem Anschluss beim Teuchelweiher. Bild: zVfg
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  • Stadttunnel als Chance? Stadtpräsident Martin Stöckling Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Stadttunnel als Chance? Präsentation Informations-und Podiumsveranstaltung 25.April 2023 Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Stadttunnel als Chance? Christian Leutenegger, Bauchef Rapperswil-Jona Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Stadttunnel als Chance? v.l.n.r. RJ Bauchef Christian Leutenegger; Ivo Reichenbach (Die Mitte); Moderator Stefan Schmid; Susanne Thommen (SP); Silas Trachsel (GLP); Fabienne Perret (Fachexpertin Verkehr); Marcel Gämperli (Fachexperte Stadtentwicklung) Bild: Markus Arnitz, Linth24
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Neue Strassen, neuer Verkehr

Danach tischten die Diskussionsteilnehmer ihre Argumente auf. Und da kam wieder alles auf die Bühne, was man die letzten 60 Jahre so hörte. Die SP-Vertreterin Susanne Thommen wusste, man könne die Milliarde statt für ein Tunnel für Besseres einsetzen. In Etwa: Man müsse den Verkehr nur entflechten, Fussgänger und Velos und Autos trennen, Einbahnverkehr einrichten und Bäume pflanzen, dann werde alles gut. Und natürlich der Evergreen: Neue Strassen zögen neuen Verkehr an.

Brücke und Mobility Pricing

Und überhaupt, die Bauzeit sei zu lang. Sagte die SP-Frau noch, und man habe zu wenig Varianten studiert. Auch Silas Trachsel von der GLP sah eine Teillösung im Bäume pflanzen. Mit einer Milliarde gäbe es 100'000 davon. Oder im Mobility Pricing. Es brauche Kreativität, Tempo 30 und das Flüssigmachen des Verkehrs.
Und ein Besucher brachte den nächsten Evergreen: Die Brücke über den See.

Tapferer Ivo Reichenbach

Also ob das so einfach wäre, konterte Ivo Reichenbach tapfer gegen die Übermacht der Tunnelgegner. Es gebe in dieser Stadt so viele Verkehrsspezialisten wie Lakers-Fans. Man diskutiere schon Jahrzehnte, es brauche jetzt eine Lösung. Das mit dem Entflechten des Verkehrs gehe sowieso nicht. Weil dazu der Platz seitlich der Strassen fehle. Man brauche in der Stadt endlich mehr Lebensqualität und nicht überall Autos. Und das vorgeschlagene Mobility Pricing funktioniere auch nicht, denn die Schwyzer könnten das problemlos bezahlen. Damit hatte er selbst die Tunnelgegner auf seiner Seite.

Es war ein Hin und Her. Die GLP- und SP-Vertreter erklärten im Brustton der Wissenden, «wir sehen es so» und «wir meinen». Leutenegger und Reichenbach wussten es genauso, nur eben «unten durch».

Die Bürger sind überfordert

Am 10. September soll abgestimmt werden. Und zwar sollen die Bürger nicht nur über die Tunnel-Milliarde entscheiden, sondern auch darüber, welche Variante die bessere von zweien ist: Variante «Mitte» vom Hüllistein (Nähe Autobahnausfahrt Rüti/Jona) zum Seedamm. Mit Anschlüssen beim Teuchelweiher (grosser P in Rappis Mitte) und in Kempraten.
Oder Variante «Direkt»: Etwas kürzer, mit nur einem Stadtanschluss. Beim Teuchelweiher.

Da fragte ich mich: Wie sollen die überforderten Bürger denn wissen, was richtig ist, wenn die Ingenieure und Planer und der Stadtrat es nicht wissen?

«Wir sind am Prüfen»

Auch sonst hängt viel in der Luft. Zum Beispiel sagte Stadtrat Leutenegger, man wisse noch nicht genau, wie die Abstimmungsfrage am 10. September laute (fünf Monate vor der Abstimmung!).
Auch Verkehrszahlen gibt es keine aktuellen. Nur, dass 50 Prozent des Verkehrs Durchfahrer seien, und der Rest sei Innen- und Binnenverkehr. Zum Road Pricing sagte Leutenegger, «in einem Monat wissen wir mehr». Zu Tunnelanschluss in Rappis City: «Wir haben noch kein Projekt». Und zum möglichen Einbahnsystem in der Stadt: «Wir sind am Prüfen».

Ich bin dafür, aber….

Ich gebe es zu: Ich würde den Tunnel bauen. Weil dieser es ermöglichen würde, Rapperswil-Jona neu zu entwickeln und es mit dem Verschwinden des Verkehrs viel Freiflächen gäbe für Velofahrer, Fussgänger, fürs Flanieren, das Leben und einen funktionierenden ÖV. 

Aber ich befürchte, der Stadttunnel wird vom Volk versenkt. Weil eigentlich nur klar ist, dass nichts klar ist. Und das wird vielen für eine Milliarde Franken zu wenig sein. Und obendrauf kommen noch jene, die für Autos sowieso wenig übrig haben. Und diejenigen, die sich davor ängstigen, dass dereinst in ihrer Nähe eine Baustelle entsteht.

Bruno Hug, Linth24