Neue Strassen, neuer Verkehr
Danach tischten die Diskussionsteilnehmer ihre Argumente auf. Und da kam wieder alles auf die Bühne, was man die letzten 60 Jahre so hörte. Die SP-Vertreterin Susanne Thommen wusste, man könne die Milliarde statt für ein Tunnel für Besseres einsetzen. In Etwa: Man müsse den Verkehr nur entflechten, Fussgänger und Velos und Autos trennen, Einbahnverkehr einrichten und Bäume pflanzen, dann werde alles gut. Und natürlich der Evergreen: Neue Strassen zögen neuen Verkehr an.
Brücke und Mobility Pricing
Und überhaupt, die Bauzeit sei zu lang. Sagte die SP-Frau noch, und man habe zu wenig Varianten studiert. Auch Silas Trachsel von der GLP sah eine Teillösung im Bäume pflanzen. Mit einer Milliarde gäbe es 100'000 davon. Oder im Mobility Pricing. Es brauche Kreativität, Tempo 30 und das Flüssigmachen des Verkehrs.
Und ein Besucher brachte den nächsten Evergreen: Die Brücke über den See.
Tapferer Ivo Reichenbach
Also ob das so einfach wäre, konterte Ivo Reichenbach tapfer gegen die Übermacht der Tunnelgegner. Es gebe in dieser Stadt so viele Verkehrsspezialisten wie Lakers-Fans. Man diskutiere schon Jahrzehnte, es brauche jetzt eine Lösung. Das mit dem Entflechten des Verkehrs gehe sowieso nicht. Weil dazu der Platz seitlich der Strassen fehle. Man brauche in der Stadt endlich mehr Lebensqualität und nicht überall Autos. Und das vorgeschlagene Mobility Pricing funktioniere auch nicht, denn die Schwyzer könnten das problemlos bezahlen. Damit hatte er selbst die Tunnelgegner auf seiner Seite.
Es war ein Hin und Her. Die GLP- und SP-Vertreter erklärten im Brustton der Wissenden, «wir sehen es so» und «wir meinen». Leutenegger und Reichenbach wussten es genauso, nur eben «unten durch».
Die Bürger sind überfordert
Am 10. September soll abgestimmt werden. Und zwar sollen die Bürger nicht nur über die Tunnel-Milliarde entscheiden, sondern auch darüber, welche Variante die bessere von zweien ist: Variante «Mitte» vom Hüllistein (Nähe Autobahnausfahrt Rüti/Jona) zum Seedamm. Mit Anschlüssen beim Teuchelweiher (grosser P in Rappis Mitte) und in Kempraten.
Oder Variante «Direkt»: Etwas kürzer, mit nur einem Stadtanschluss. Beim Teuchelweiher.
Da fragte ich mich: Wie sollen die überforderten Bürger denn wissen, was richtig ist, wenn die Ingenieure und Planer und der Stadtrat es nicht wissen?
«Wir sind am Prüfen»
Auch sonst hängt viel in der Luft. Zum Beispiel sagte Stadtrat Leutenegger, man wisse noch nicht genau, wie die Abstimmungsfrage am 10. September laute (fünf Monate vor der Abstimmung!).
Auch Verkehrszahlen gibt es keine aktuellen. Nur, dass 50 Prozent des Verkehrs Durchfahrer seien, und der Rest sei Innen- und Binnenverkehr. Zum Road Pricing sagte Leutenegger, «in einem Monat wissen wir mehr». Zu Tunnelanschluss in Rappis City: «Wir haben noch kein Projekt». Und zum möglichen Einbahnsystem in der Stadt: «Wir sind am Prüfen».
Ich bin dafür, aber….
Ich gebe es zu: Ich würde den Tunnel bauen. Weil dieser es ermöglichen würde, Rapperswil-Jona neu zu entwickeln und es mit dem Verschwinden des Verkehrs viel Freiflächen gäbe für Velofahrer, Fussgänger, fürs Flanieren, das Leben und einen funktionierenden ÖV.
Aber ich befürchte, der Stadttunnel wird vom Volk versenkt. Weil eigentlich nur klar ist, dass nichts klar ist. Und das wird vielen für eine Milliarde Franken zu wenig sein. Und obendrauf kommen noch jene, die für Autos sowieso wenig übrig haben. Und diejenigen, die sich davor ängstigen, dass dereinst in ihrer Nähe eine Baustelle entsteht.