Es ist Punkt 13.00 Uhr am Sonntag – als der Rapperswil-Joner Stadtpräsident Martin Stöckling höchstpersönlich im Stadthaus ans Rednerpult schreitet und die Abstimmungsresultate vorliest. Dabei lässt er die Katze sofort aus dem Sack: «Rapperswil-Jona bleibt auch in Zukunft die grösste Stadt der Schweiz, die kein Parlament hat und deren politische Geschäfte von der Bürgerversammlung gelenkt werden.» Die Entscheidung an der Urne fiel denkbar knapp. 4355 Abstimmende (51,72 Prozent) sagten «Nein», 4065 (48,28 Prozent) waren für die Anpassung der Gemeindeordnung. Die Stimmbeteiligung lag bei 45,33 Prozent.
Der FDP-Präsident als schlechter Verlierer
Dies veranlasste Christian Meier, Präsident der lokalen FDP und Mitglied des Pro-Komitees, über die politische Disziplin der Bevölkerung herzuziehen. Es sei ein Armutszeugnis für die direkte Demokratie, wenn über die Hälfte der Bevölkerung der Urne fernbleibe: «So müssten sich die Parteien eigentlich überlegen, sich aus dem politischen Geschäft zurückzuziehen. Dieses Resultat ist ein Beweis, dass vor allem mit Geld Politik gemacht werden kann.»
Dass dieses Votum aus der FDP kommt erstaunt ebenso sehr, wie die Tonalität der Erklärung. Genauso gut müssten sich die Parteien eigentlich selber hinterfragen. Wenn alle sieben Ortsparteien für eine Vorlage einstehen – und dabei auch noch die Unterstützung der Regierung besitzen, kann es als Bankrotterklärung verstanden werden, wenn das Anliegen von den Stimmbürgern versenkt wird. Oder mit anderen Worten: Der Souverän scheint den Parteien ebenso wenig zu trauen wie dem Politestablishment.
Die Sieger perplex vor Freude
Schon fast perplex vor Freude zeigen sich die Gewinner, ausnahmslos Quereinsteiger ohne politische Erfahrung: Robert Hegner, Software-Ingenieur, Journalistin Franziska Kohler, Gastronom Joe Kunz und Unternehmer Martin Casal. Stellvertretend für das Komitee sagt Hegner: «Unser Erfolg beweist, dass die Menschen in Rapperswil-Jona mit dem jetzigen System zufrieden sind und sich von den Parteien nicht alles diktieren lassen wollen.» Gleichzeitig fügt er an: «Das Resultat ist so knapp, dass es auch auf die andere Seite hätte kippen können.»
Es sind versöhnliche Töne am Ende eines aufgeheizten Abstimmungskampfes. Diese nimmt Stadtpräsident Stöckling auf: «Den demokratischen Entscheid gilt es zu akzeptieren. Jetzt wissen wir, wie wir weiterarbeiten können. Der Stadtrat wird sich weiterhin in den Dienst der Öffentlichkeit stellen.»
Die Diskussion geht weiter
Nicht ganz so entspannt sieht es FDP-Präsident Meier: «In der ersten Abstimmung vor sieben Jahren waren noch Zweidrittel gegen das Parlament. Nun sind es nur noch rund 50 Prozent. Die Diskussion wird weitergehen.» Oder mit anderen Worten: Geht es nach dem Willen der Parteien, war dies noch nicht die letzte Abstimmung über die Einführung eines Stadtparlaments in Rapperswil-Jona.
Thomas Renggli