Nachdem sich die 75 Musikantinnen und Musikanten aus dem gesamten Kantonsgebiet bereits seit Donnerstag in Mels einquartiert hatten, um zu proben, luden sie am Sonntag zum Abschlusskonzert, einer Matinée, ein. Gefolgt sind der Einladung mehrere hundert Gäste aus der näheren und weiteren Umgebung – der Löwensaal des Melser «Verrucano» war entsprechend gut gefüllt.
Im Vorfeld hatte der musikalische Gesamtleiter Niki Wüthrich ein Konzertprogramm zusammengestellt, das es in mehrerlei Hinsicht in sich hatte. So war es für die Musikantinnen und Musikanten ebenso anspruchsvoll, wie für den Zuhörer abwechslungsreich und unterhaltsam. Moderator Lukas Tribelhorn erklärte denn auch, dass das Blasorchester SGBV mit seinem Repertoire die Vielseitigkeit und Diversität der Blasmusik widerspiegelt.
Einmalige Akustik
Einen grossen Schwerpunkt nahm das vierteilige, 18-minütige Werk «Egmont – Symphonic Poem» ein. Es erzählt die tragische Geschichte des namensgebenden niederländischen Grafen Egmont von Gaure, seine schwierige Beziehung zu Philip II, seine Enthauptung in Brüssel und den daraus entstandenen Aufstand der Niederländer gegen ihre spanischen Besatzer (Achtzigjähriger Krieg), wie Moderator Tribelhorn einleitend erklärte.
Komponist Bert Appermont verstand es, mit pompösen Fanfaren das Hofzeremoniell des 18. Jahrhunderts, mit melancholischen Klängen die innere Zerrissenheit des Besungenen und mit einem gewaltigen Tutti am Ende die Einung der Niederlande gegen das Königshaus zu vertonen. Und ein dynamischer und präsenter Niki Wüthrich pflanzte die musikalisch gezeichneten Bilder mit seiner Interpretation direkt in die Köpfe der Zuhörerschaft. Untermalt wurde vor allem der Einfluss des spanischen Königshauses durch den Beibezug des Gitarristen Riet Buchli mit seiner akustischen Gitarre.
Dass die schwierigen und schnellen Läufe für Holz und Blech dabei leicht und differenziert von der Hand zu gehen schienen, war sicherlich zu grossen Teilen Wüthrichs Verdienst – aber nicht nur: Die Musikantinnen und Musikanten schienen perfekt vorbereitet und die Akustik im Löwensaal prädestiniert für Werke dieser Grössenordnung. Zwar verzeiht letztere wirklich nichts. Muss sie aber auch nicht, die Läufe sitzen genauso wie die Dynamik und die Intonation.
Das Leben tanzen
Unter dem Motto «Ein königliches Abenteuer...» führte das Duo Tribelhorn/Wüthrich weiter durchs Programm. Bei Werken wie «Coldplay in Symphony», ebenfalls aus der Feder von Appermont, zeigte Wüthrich denn auch auf, dass er nicht nur Dirigent und musikalischer Leiter ist, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch ein Unterhalter. Bekannte Titel der britischen Band Coldplay wie etwa «A Sky Full of Stars» oder «The Scientist», die in das Arrangement eingeflossen sind, holten die Gäste vom ersten Ton ab. Sie mündeten mit «Viva la Vida» in einem grossen Finale: Das Korps gab die volle Dröhnung, als würden es die Musikantinnen und Musikanten im wahrsten Sinne des Wortes von der Bühne in den Saal hinausposaunen: «Lebe das Leben. Feiere es. Tanze es.» Ein Gänsehautmoment.
Mit einem musikalischen Ausflug in die Karibik wurde die Stimmung mit «Danza Caribe» etwas gemächlicher. Der Komponist Alfred Reed legte über einen rhythmischen Teppich sanfte Melodien, dabei dominierte die Oboe. Und Wüthrich malte ein weiteres Bild einer beschatteten Bar an einem weissen Sandstrand, wo man unter Palmen mit einem Cocktail in der Hand und den Füssen im Sand die Aussicht auf das azurblaue karibische Meer geniessen kann.
Wahrhaftig königlich
Mit «El Camino real», einem Werk der 1. Stärkeklasse von Alfred Reed, fand das 90-minütige Konzert einen krönenden Abschluss. Der «königliche Pfad», wie das Werk übersetzt heisst, führte im 16. Jahrhundert auf 956 Kilometern entlang der Pazifikküste. Der Saumweg wurde von Missionaren angelegt und mit speziellen Bäumen und Senfsamen versehen. Eine ganze Reihe von Akkordfolgen, die von spanischen Flamenco-Gitarristen seit Generationen gespielt werden, machen das Werk authentisch und gehörfällig. Und wieder brillierten die Musikantinnen und Musikanten mit einer ausgesprochenen Präzision. Sie bewiesen, dass das Blasorchester SGBV das Beste und musikalisch Hochstehendste ist, was der St.Galler Blasmusikverband mit seinen Projekten zu bieten hat.
Ganz ohne Zugaben liess das begeisterte Publikum das diesjährige Projekt nicht enden. Unter langanhaltendem Applaus und Standing Ovations liess sich Wüthrich deshalb hinreissen, das Konzert mit zwei «Tänzen» ausklingen zu lassen – erst einer venezolanischen Tanzkomposition, gefolgt vom «Sonnentanz» von Klangkarussell.
Mit einem vom St.Galler Blasmusikverband offerierten Apero im Freien fand das Blasorchester SGBV definitiv seinen Abschluss. Die dargebotenen Klänge hallen allerdings noch nach, die Begeisterung über das Projekt hält bei den Musizierenden wie den Zuhörerinnen und Zuhörer weiter an. Eine Durchführung im 2023 dürfte Gewissheit sein. Ob dafür wieder das «Verrucano» als Schauplatz dient, bleibt allerdings noch offen.