Die Walz, ein alter Brauch zünftiger Gesellen nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit, wurde die letzten 2 Pandemie-Jahre auf eine harte Probe gestellt. Sah man die Wandergesellen früher öfters im Obersee Gebiet, schienen sie während Corona wie vom Erdboden verschluckt. Jetzt ist das Reisen und Arbeiten wieder uneingeschränkt möglich, was den Gesellen ihre Wanderjahre leichter macht. Mitten in Rapperswil traf Linth24 auf zwei, die nicht in der sonst oft gesehenen schwarzen Zimmermannstracht daherkamen.
Auf Schusters Rappen durch die Stadt

Linth24: Eure Kluft sieht man nicht alle Tage. Welche Berufe bringt ihr mit?
Elgin, 27J. aus München: «Ich bin seit 2 Jahren und 3 Monaten als «Fremde Stukkateurin» des Freien Begegnungschachts (FBS) unterwegs.»
Pelle, 25J. aus Beckum «Ich seit 3 Monaten als «Fremder Bäcker». Beim FBS bin ich noch Aspirant und Elgin ist meine Mentorin, die mir alles zeigt.»
Beide sind seit ein paar Tagen in der Schweiz. Getroffen haben sie sich in Meersburg am Bodensee. Frauen trifft man unter den Wandergesellen eher weniger. Elgin arbeitete und walzte in den letzten 2 Jahren in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei und jetzt in der Schweiz.

Linth24: Wie läuft das genau mit der Walz?
Pelle: «Wir müssen uns an strenge Regeln halten. Wer auf die Walz gehen will, muss schuldenfrei, nicht vorbestraft, ledig, kinderlos und unter 30 Jahre sein. Man darf keine Verantwortung zuhause hinterlassen. Handy ist verboten und für Unterkunft und Transport dürfen wir kein Geld ausgeben. Wir sind also zu Fuss unterwegs oder auf die Mitnahme von Anderen angewiesen. Tadelloses Benehmen ist Pflicht, so dass die Wandergesellen, die nach uns kommen, keine Probleme bekommen.»
Elgin: «Am ersten Tag müssen wir über das Ortsschild klettern und dürfen dann während der ganzen Wanderschaft, die 3 Jahre und 1 Tag dauert, nie näher als 50km an unser Zuhause. Arbeiten müssen wir zu marktüblichen Bedingungen, um Lohndumping zu vermeiden und höchstens 3 Monate am gleichen Ort. Auf der Wanderschaft müssen wir unsere Nachnamen ablegen und auch alle Kenntlichkeiten über den sozialen Stand.»

Im Wanderbuch, das jeder Geselle mit sich trägt, werden die Arbeitszeugnisse und die Amtsstempel der besuchten Gemeinden eingetragen. Die ganze Habe ist ein Bündel mit dem Nötigsten. Den Wanderstock muss jeder selbst aus einem gefundenen Stück Holz schnitzen. In einer Welt der Ablenkung und des ungezügelten Konsums ist das Leben als Wandergeselle nicht nur eine Reise durch die Welt, sondern vor allem, eine Reise zu sich selbst.