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Rapperswil-Jona
23.10.2022

«Hier herrscht viel Gewalt, Kriminalität und Armut»

Miriam Bernales-Kühni stammt aus der Region. Zusammen mit ihrem Mann leitet sie das  Hilfswerk Estacion Esperanza in Peru.
Miriam Bernales-Kühni stammt aus der Region. Zusammen mit ihrem Mann leitet sie das Hilfswerk Estacion Esperanza in Peru. Bild: zv
Miriam Bernales-Kühni ist in der Region aufgewachsen und führt seit 2014 ein Hilfswerk in den Slums von Lima. Linth24 hat sie während ihres Heimaturlaubes in Rapperswil getroffen.

«Estación Esperanza» heisst das Hilfswerk, das Miriam Bernales-Kühni zusammen mit ihrem Mann in Peru 2014 gegründet hat. Sie erlebt dort «täglich Armut, Gewalt, Kriminalität und Unterdrückung. Wir wollen mithelfen, dass die Menschen ein würdevolles und eigenständiges Leben führen können», so die engagierte Sozialarbeiterin gegenüber Linth24.

Miriam, Ihr Weg klingt abenteuerlich: Sie schlugen ursprünglich eine Karriere im Tourismus ein – die Türen für eine Karriere standen Ihnen offen. Doch Sie gründeten in den Slums von Lima ein Hilfswerk. Wie kam es dazu?
Ui, wo soll ich anfangen? (lacht). Es stimmt, nach meiner Ausbildung bei einem grossen Reiseveranstalter hatte ich im beruflichen Umfeld gute Entwicklungschancen. Doch schon früh schlug mein Herz für soziale Projekte. Nach meiner Konfirmation reiste ich mit meinem Vater nach Uganda, um dort ein Hilfswerk kennenzulernen. Da spürte ich, dass diese Arbeit meine Berufung ist. So engagierte ich mich nach der Berufsausbildung für verschiedene Hilfsprojekte, zum Beispiel in Peru in einem Kinderheim für Strassenkinder.

 

In den Slums von Lima, Peru Bild: zv

Und sind Sie dann gleich geblieben?
Nein, ich kehrte zuerst wieder zurück in die Schweiz, denn ich wollte eine Ausbildung an einer Sozialfachschule absolvieren. Im Rahmen dieser Ausbildung an der ZHAW war es möglich, ein Praktikum in Lima zu absolvieren. So weilte ich wieder für ein halbes Jahr in Peru, um mit jugendlichen Strafverbrecher zu arbeiten. Dort lernte ich auch meinen heutigen Mann kennen. Wir hatten drei Jahre nur über Internet Kontakt, bis ich die Fachhochschuleabgeschlossen hatte.

Sie haben geheiratet und vor acht Jahren das Hilfswerk «Estación Esperanza» gegründet. Erzählen Sie uns davon.
Estación Esperanza befindet sich nördlich von Lima. Dort herrscht In den Slums viel Gewalt, insbesondere auch häusliche Gewalt, Kriminalität und Drogenmissbrauch. Wir leisten vor allem Präventionsarbeit, in dem wir versuchen, die Kinder und Jugendlichen von der Strasse wegzuholen. Wir unterstützen sie auf ihrem Weg zu einem Schulabschluss und einer beruflichen Ausbildung. Damit sie während dieser Zeit nicht auf krumme Touren geraten und sich selbst positiv erfahren und entwickeln, bieten wir beispielsweise Aktivitäten im sozialen- und sportlichen Bereich an. So sind wir ein Ort der Begegnung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Ein Ort, wo sie Sicherheit erleben dürfen und wo sie gefördert werde. Dadurch entsteht die Motivation, das Leben zielorientiert zu gestalten.

Mit ihrem Hilfswerk kümmern sie sich um Kinder, Jugendliche und Familien. Bild: zv

Wie viele Menschen können heute von Ihrer Institution profitieren?
Wenn wir alle Aktivitäten an den drei Standorten zusammennehmen, dann arbeiten wir pro Woche mit bis zu 150 Kindern, 50 Jugendlichen und auch rund 50 Erwachsenen.

Wie sieht die tägliche Arbeit in den Slums aus?
Jeder Tag sieht ganz anders aus, denn es gibt sehr viele, unerwartete Situationen. Wir haben zum Beispiel einen Pilotkindergarten eröffnet, das heisst, jeden Tag ist für die Kleinen Kindergarten angesagt. Am Nachmittag gibt es Nachhilfeunterricht und ein Kinderprogramm, und wir bieten auch Familienbegleitung an, unternehmen Hausbesuche und organisieren Sportmöglichkeiten.

Auch sportliche Aktivitäten gehören zum Tagesprogramm. Bild: zv

Ihr Hilfswerk lebt von Spenden. Wie sieht hier die Situation aus?
Ganz am Anfang zahlte ich vieles aus dem eigenen Ersparten. In Lima selbst erhalten wir vor allem Kleiderspenden. Die finanzielle Unterstützung stammt aus der Schweiz. Wir haben einen grossen Kreis von privaten Spendern und sind dankbar, dass auch verschiedene Stiftungen und Kirchgemeinden an uns denken. Da sich unser Projekt sehr positiv entwickelt, wachsen natürlich auch die Ausgaben.

Welche Projekte stehen dringend an?
Wir haben unterdessen drei Standorte, an denen wir arbeiten. An einem haben wir mit dem Bau eines eigenen Kindergartens und einer eigenen Schule begonnen. Das Bildungssystem in Peru unterstützt die Menschen in den Slums viel zu wenig. Doch Bildung ist das grösste Gut, damit Kinder und Jugendliche aus der Misere herausfinden. Dieses Bauprojekt übersteigt unsere bisherigen finanziellen Möglichkeiten.

Geniesst den Heimaturlaub: Miriam Bernales-Kühni hier in der Altstadt von Rapperswil Bild: Rolf Lutz, Linth24

Sie weilen jedes Jahr für vier Wochen in der Gegend von Rapperswil, verbringen hier Ihren Heimaturlaub. Ich nehme an, der Kontrast zu Ihrer Welt, in der Sie sonst leben, muss sehr gross sein.
Das stimmt. Jedes Mal, wenn ich wieder zurückkehre nach Peru, habe ich ein paar Wochen emotional zu kämpfen. Ich geniesse die Zeit hier in Rapperswil unglaublich, erfreue mich beispielsweise an der prächtigen Landschaft. Dort, wo wir wohnen, ist rundherum alles Sand und es gibt kaum Grün. Dann erlebe ich den Kontrast vor allem auch in der Sicherheit. Hier in Rappi fühle ich mich sicher, hier kann ich mich frei bewegen.

Mehr Informationen über das Hilfswerk Estacion Esperanza erhalten Sie hier.

Rolf Lutz, Linth24