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Rapperswil-Jona
14.04.2022
15.04.2022 08:53 Uhr

Ruedi Szabo: «Ich war ein Monster»

Der Fall war tief, doch Ruedi Szabo hat es trotz schwersten Taten geschafft, wieder zurück in die Gesellschaft zu finden.
Der Fall war tief, doch Ruedi Szabo hat es trotz schwersten Taten geschafft, wieder zurück in die Gesellschaft zu finden. Bild: zv
Am nächsten Sonntag erzählt Ruedi Szabo im Prisma in Rapperswil über sein Leben. Er hat sieben Banküberfälle verübt und wurde zu neun Jahren Haft verurteilt. Heute arbeitet er im sozialen Bereich. Von Rolf Lutz

Er hatte grosse Geldsorgen, er war verzweifelt und er wurde zum Bankräuber. Ruedi Szabo überfiel sieben Geldinstitute, wurde gefasst und verbüsste eine lange Haftstrafe. Doch im Gefängnis traf er auf Menschen, die an ihn glaubten und die es schafften, den Kriminellen wieder auf den rechten Weg zu führen.

Heute ist er als Sozialarbeiter unterwegs, spricht in Gefängnissen und Sozialen Institutionen, um kriminellen Menschen zu helfen, die Umkehr zu schaffen. «Ich möchte aufzeigen, dass es einen Weg aus der Kriminalität gibt, wenn der Wille vorhanden ist.»

Im Linth24-Interview hat sich mit Ruedi Szabo unterhalten. Es wurde ein Gespräch, das unter die Haut geht.

Linth24: Ruedi Szabo, Sie waren in den 90er Jahren ein erfolgreicher Bauunternehmer, dann muss aber ein gewaltiger Bruch in Ihrem Leben stattgefunden haben. Sie wurden zum Bankräuber. Wie konnte das passieren?
Ich war damals ein Kleinunternehmer mit sechs Angestellten, spezialisiert auf baubiologische Umbauten und Renovationen. 1995 kam die Baukrise, es gab viel weniger Aufträge und finanzielle Probleme haben sich immer mehr eingeschlichen. Ich war Familienvater mit fünf Kindern und musste diese versorgen. Im Zuge der Geldprobleme gab es zu allem Elend in der Partnerschaft auch dramatische Risse und meine Ex-Frau hat sich von mir getrennt. Es folgte Konkurs, es folgte die Scheidung mit enormen Forderungen. Ich wusste weder ein noch aus.

Das muss nicht zwangsweise dazu führen, dass man eine Bank überfällt...
Das stimmt. Es war eine Kurzschlusshandlung in der Verzweiflung. Ich habe völlig falsch «getickt», denn mein ganzer Lebensinhalt ist zu Bruch gegangen. Ich sagte mir: Wenn die Bank mir das Geld nicht geben will, dann gehe ich, und hole es mir.

Insgesamt waren es dann sieben Banküberfälle. Wie sah Ihre Gefühlswelt aus, als Sie eine Bank überfielen?
Ich war einfach nervös, wie vor jedem Einsatz, den ich früher in der Armee als Grenadier ausübte. Aber ich habe jegliche Gefühle in mir abgeschaltet und es mir selber gegenüber so schöngeredet: «Hey, ich will ja nur die Kohle». Heute ist es für mich nicht mehr nachvollziehbar, dass ich damals einfach jegliches Mitgefühl gegenüber den Menschen, die ich bedrohte, komplett ausgeschaltet hatte.

Sie sagten in einem Interview: Einer der grössten menschlichen Fehler, den man begehen kann, ist eben die Gefühle auszuschalten. Das war sicher am schlimmsten, als Ihnen in der Bank eine Frau mit einem kleinen Kind gegenüberstand?
Die Situation, die Sie ansprechen, die war tatsächlich die schlimmste überhaupt. Ich hatte ja Kinder im selben Alter und dann stehe ich da, und halte dem kleinen Kind die Pistole an den Kopf. Das ist das Primitivste, das ein Mensch machen kann. Wenn ich mir diese Situation heute nochmals durch den Kopf gehen lasse, dann muss ich sagen, ich war ein Monster. 

Bei der Gerichtsverhandlung, bei der Sie zu neun Jahren Haft verurteilt wurden, machte der Vater des Kindes eine Aussage. Erzählen Sie uns von diesem Ereignis.
Das war eine sehr bewegende Aussage. Er erzählte, wie schrecklich es seiner Familie danach ergangen ist. Die Familie hat unwahrscheinlich gelitten – das kleine Mädchen hat lange keine feste Nahrung mehr zu sich genommen und ist in der Pubertät magersüchtig geworden. Und das alles nur, weil ich mich nicht im Griff hatte.

Ruedi Szabo hat sein Leben in einem Buch festgehalten: «Knallhart durchgezogen» ist in allen Buchhandlungen erhältlich und sehr spannend zu lesen. Bild: zVg

Gerade im Gefängnis muss dann aber etwas ganz Besonderes vorgefallen sein. Sie wandelten sich vom Krimminellen, der Finanzinstitute überfällt und Menschen bedroht zum geläuterten Christen.
Ich war anderthalb Jahre in Untersuchungshaft. Wenn man so lange in Untersuchungshaft ist, dann geht man psychisch vor die Hunde. Bei vielen kommt es dann zu Suizid-Gedanken, und von «harten Typen» zu sprechen, das kann man vergessen. Eine sehr wichtige Ansprechperson war der damalige Gefängnispfarrer Georg Schmucki. Er glaubte an mich, er brachte innere Werte an die Oberfläche, die ich nicht kannte oder unterdrückte. Schritt für Schritt, und auch mit der Hilfe weiterer Menschen, fand ich zu mir und fand so zum Glauben. Ich erfuhr durch den Glauben Vergebung, wie wir es jetzt im Osterfest feiern. Jesus ist für unsere Sünden am Kreuz gestorben. Er hat sie alle auf sich genommen.

Aber die Aggressionen gehen doch nicht von heute auf morgen weg?
Das stimmt. Deshalb habe ich dann im Gefängnis auch eine Therapie begonnen. Meine Therapeutin war eine Frau, und die hat richtig hart mit mir gearbeitet, was mir am Anfang überhaupt nicht passte. Aber sie hat es geschafft, dass ich meine Wut in den Griff bekam und lernte, diese zu kanalisieren.

Sie sagen heute von sich, dass Sie ein anderer Mensch sind als davor...
Ja, das stimmt. Und ich kann es nicht genügend sagen: Das habe ich Menschen zu verdanken, die an mich geglaubt haben, die in mir das Potential für Gutes sahen und dieses dann auch an die Oberfläche brachten. Das war mein Seelsorger im Gefängnis, die Therapeutin, das waren aber auch Sozialarbeiter, die mich begleiteten und viele andere Menschen mehr, die mit mir diesen Weg gegangen sind.

Wie sind Sie heute unterwegs?
Heute patrouilliere ich am Rhein entlang und suche Randständige und Drogensüchtige auf und versuche ihnen zu helfen. Zuvor absolvierte ich eine sozialpädagogische Ausbildung und arbeitete mit Menschen mit physischer und psychischer Beeinträchtigung, um diese beruflich zu integrieren. Lange  arbeitete ich auch mit jungen Menschen im Gefängnis.

Also zurück dorthin, wo Sie selber jahrelang sassen.
Genau. Denn im Knast sah ich viele junge Männer, die keine Ausbildung hatten, und deshalb, wenn sie rauskommen, wieder rückfällig werden, weil sie kein Geld verdienen können. Fünfzehn Jahre habe ich in diesem Metier gearbeitet. Es ist meine Berufung, junge Kriminelle mit meinem Beispiel auf einen guten Pfad zu führen – ihnen zu zeigen, wie man es trotz krimineller Laufbahn schaffen kann, wieder zurück in die Gesellschaft zu finden und ein aufrechter und ehrlicher Bürger werden.

Talk mit Ruedi Szabo

«Durchgekreuzt – Vom Bankräuber zum Sozialarbeiter»

Ort: Kirche im Prisma, Glärnischstrasse 7, Rapperswil
Datum: Sonntag, 17. April 2022
Zeit: 09.00 Uhr und 11.00 Uhr
Oder um 11.00 Uhr als Live-Stream

Rolf Lutz, Linth24