Linth24: Alice Walker, am Sonntag ist Muttertag. Was geht Ihnen als fünffache Mutter und neunfache Grossmutter durch den Kopf?
Alice Walker: Ich hatte immer das Gefühl, ich brauche auch meinen Mann, um eine gute Mutter zu sein. Wenn jemand sagt, eine Mutter schaut nach den Kindern, kocht auch gut, dann finde ich immer, sie brauche doch auch eine Stütze, einen Mann. Darum wurde der Tag bei uns nie grossartig gefeiert.
Aber ein bisschen feierten Sie ihn doch schon?
Ja, die Kinder schenkten mir zum Beispiel eine Zeichnung. Später beschlossen meine Schwester Vreni und ich, dass wir den Muttertag für uns selber feiern. Wir machten frischfröhlich einen Spaziergang und gingen irgendwo etwas Feines essen. Aber heute ist das aus Altersgründen nicht mehr möglich. Und für mich ist der Muttertag gar nicht so wichtig – mit 95 ist nicht mehr so viel wichtig.
Wie war das früher: Haben Sie ihre Kinder damals strenger erzogen als heute üblich?
Wir wohnten im eigenen Haus. Darum musste ich die Kinder nie ermahnen, leise zu sein. Das gab uns eine gewisse Freiheit, die sich auch auf die Kinder übertragen hat. Über uns wohnten noch zwei Mieter ohne Nachwuchs. Meine Kinder hatten immer viel Platz und ihre Gspännli wohnten in der Siedlungsstrasse. Autos gab es damals viel weniger. So aufzuwachsen empfand ich immer als Privileg.