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28.02.2020
06.03.2020 18:14 Uhr

CHANDIRAMANIS BÖRSENWOCHE 9

Alle sind nervös und reden nur noch vom Corona-Virus, die Bevölkerung und auch die Medien. Die Aktienmärkte stürzen ab, quasi in Erwartung negativer Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Alltag.

Im Gegensatz zu China, wo die Verbreitung und die Todesfälle bei der Corona-Krankheit stagnieren, überraschte der starke Anstieg in Europa und der übrigen Welt.

Auch die Schweiz ist betroffen. Aus Angst begann die neue Woche mit starken Rückschlägen an den Aktienbörsen. Der Verlust betrug bis Freitagmittag rund 15 Prozent der Börsenkapitalisierung, schätzungsweise 250 Milliarden CHF (alleine in der Schweiz, entspricht grössenmässig etwa einem Viertel aller Vorsorge-Guthaben), der grösste Absturz seit der Finanzkrise. Auch sonst fanden bereits Hamsterkäufe in Supermärkten statt.

Weiter hat der Bundesrat am Freitagmorgen alle Grossveranstaltungen ab 1000 Teilnehmer verboten («besondere Lage» gemäss Epidemie-Gesetz). Basler Fasnacht, Automobilsalon Genf, Engadiner Skimarathon, Sportveranstaltungen usw. werden abgesagt oder die Zuschauer ausgeschlossen.

Als Folge des Virus wird eine weltweite Abschwächung der Wirtschaft befürchtet - vor allem das Fehlen von Produkten, Rohmaterialien und Halbfabrikaten, nicht nur aus China. Sämtliche Produktionsketten könnten betroffen sein. Eine Normalisierung liegt in weiter Ferne. Und die Notenbanken haben bis jetzt kaum mehr Liquidität in die Märkte gepumpt.

Vor allem der Fremdenverkehr dürfte stark betroffen sein. Zwar schaut der Schweizer Tourismus auf ein Rekordjahr 2019 zurück. Fast 40 Millionen Hotel-Logiernächte wurden im vergangen Jahr registriert. Das sind so viele Hotel-Übernachtungen wie noch nie in der Geschichte des Schweizer Tourismus. Dasselbe gilt auch für die Bergbahnen, Schifffahrt, Gastwirtschaft und andere Tourismus-Veranstalter. Aber die Experten machen sich Sorgen über die nahe Zukunft. Wenn die Gäste aus China fehlen, gibt das schätzungsweise einen Umsatzeinbruch von 5-10 Prozent, was mit Besuchern aus Indien, den USA, Europäern und Inländern wieder kompensiert werden muss.

Die Finma (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht) veröffentlichte eine umfassende Beurteilung der Stabilität und Eigenkapitalstärke der systemrelevanten Schweizer Banken. Die Notfallpläne von Credit Suisse und UBS beurteilt sie als genügend bzw. umsetzbar. Die von PostFinance, Raiffeisen und Zürcher Kantonalbank eingereichten Notfallpläne erfüllen allerdings die gesetzlichen Anforderungen noch nicht.

Zahlreiche Firmen veröffentlichen Abschlussergebnisse für das Jahr 2019. Die meisten entsprechen den Erwartungen der Anleger oder waren sogar eher etwas besser, z.B. Alcon, Also Holding, Lafarge-Holcim, Kühne & Nagel, Swiss Life. Einzig Sunrise und Kudelski warteten mit etwas tieferen Ergebnissen auf. Aber alle Meldungen wurden überschattet vom allgemeinen Kurssturz.

Etwas besser konnten sich die Immobilien-Aktien halten, Swiss Prime Site, Swiss Property und Allreal, die rekordhohe Werte vorlegten.

Unter den wenigen Gewinnern waren die Aktien des Baukonzerns Implenia, dank einer Ankündigung, die Geschäfte ab Juni 2020 in einen Bau- und einen Immobilienbereich (Ina Invest Holding) aufzuspalten. Edelmetall, v.a. Gold wurde in dieser Krisensituation stark nachgefragt. Erdöl verbilligte sich dagegen.

Aussichten

Das ganze Ausmass der Corona-Krankheit kann aus heutiger Sicht nicht abschliessend beurteilt werden. Was aber momentan feststeht: Die Corona-Krankheit ist «lediglich» mit den Symptomen einer stärkeren Grippe vergleichbar und heilt bei gesunden Menschen ohne Spätfolgen aus. Sogar die Mortalitätsrate bleibt verhältnismässig gering.

Über die wirtschaftlichen Folgen tappen wir im Dunkeln. Erste Schätzungen rechnen mit einem 5000 Milliardenschaden (Dollar). Im besten Fall haben wir in einigen Monaten Medikamente und Impfstoffe zur Verfügung.

Was die Aktien betrifft, so wurden wir total überrumpelt - zu spät, um zu verkaufen. Aber vermutlich haben wir das Schlimmste schon hinter uns. Minus 15 Prozent in zwei Wochen nach dem Allzeithöchst - das bedeutet die schlechteste Woche seit 2008.

Jetzt sollten wir eigentlich wieder Dividendenperlen herauspicken. Zu einem gegebenen Zeitpunkt wären weitere Zinssenkungen der Notenbanken hilfreich, um die negativen wirtschaftlichen Folgen abzufedern.

Christopher Chandiramani, Börsenanalyst und freier Mitarbeiter Linth24