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Eishockey
13.10.2025
13.10.2025 07:56 Uhr

Unser Mann in Bern

Ist seit dieser Saison «Leiter National League» beim SC Bern: Der 38-jährige Rapperswil-Joner Diego Piceci.
Ist seit dieser Saison «Leiter National League» beim SC Bern: Der 38-jährige Rapperswil-Joner Diego Piceci. Bild: SCB
Er stammt aus Rapperswil-Jona und spielte bei den Lakers. Nun diktiert Diego Piceci als Leiter National League den Pulsschlag beim SC Bern. Ein Gespräch zwischen Aare und Obersee.

Aus Rapperswil-Jona zum grössten Eishockey-Klub der Schweiz: Diego Piceci ist seit Juli Leiter National League des SC Bern – und hatte in seinen ersten Monaten bereits vieles zu bearbeiten. Der 38-Jährige, der einst als Nachwuchsspieler bei den Lakers den Sprung in die National League verpasste, fand seinen Weg über die eigene Spielervermittlungsagentur und das elterliche Architekturbüro in Rapperswil-Jona in die «Businessclass» des Profisports.

Mit Bodenhaftung, klaren Vorstellungen und viel Engagement will der Rapperswiler den Traditionsklub aus der Hauptstadt wieder auf Erfolgskurs bringen.

«Der SC Bern ist einer der grössten Klubs Europas»
Diego Piceci

Diego Piceci. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Bern und Rapperswil-Jona?
Beides sind sehr schöne Städte. Was den Eishockeyklub betrifft, kann ich die Situation in Rapperswil-Jona aber weniger beurteilen, weil ich die Lakers auf Führungsebene nie von innen erlebt habe. Der SC Bern ist einer der grössten Klubs Europas mit einer grossen Tradition und einem Zuschauerzuspruch, der Massstäbe setzt. Dies definiert auch Erwartungshaltung und Druck. Deshalb ist der SCB mit den meisten anderen Schweizer Vereinen kaum zu vergleichen.

Wie sehr vermissen Sie den Zürichsee?
Wenn man am See aufgewachsen ist, braucht man Wasser in der Nähe. Aber in Bern haben wir die Aare – und die ist auch nicht zu verachten.

Sie machten den Schritt vom EHC Wetzikon in der dritthöchsten MyHockeyLeague zum grössten Eishockey-Klub der Schweiz. Wie hart war der Kulturschock?
Zuletzt war ich vor allem als Agent tätig. Deshalb kenne ich den Betrieb in National League und Swiss League sehr gut. Von einem Kulturschock kann man deshalb kaum sprechen. In Wetzikon war ich zunächst Geschäftsführer im Teilzeitpensum und dann Sportchef auf Mandatsbasis. Die Arbeit lässt sich nur schwer mit der Tätigkeit in Bern vergleichen – man muss zwar auch in Wetzikon eine Mannschaft zusammenstellen, sich mit Administrativem befassen und viel kommunizieren aber in Bern bewegt sich alles auf einem viel professionelleren Niveau mit ganz anderen Ansprüchen.

«Von einem Kulturschock kann man kaum sprechen»
Diego Piceci

Sie mussten schon viel über sich lesen: «No-Name-Sportchef», «Billig-Lösung», «Untersportchef». Was sind Sie nun wirklich?
Ich bin das, als was ich angestellt bin: Leiter National League.

Und das heisst?
Ich bin für die erste Mannschaft verantwortlich. Beim Nachwuchs stehen Nik Hess und Stefan Schneider in der Verantwortung. Und über allem steht Martin Plüss – als Sportdirektor und Mitglied der Geschäftsleitung.

Stört es Sie, dass Sie noch nicht überall mit dem selben Respekt behandelt werden?
Nein. Man darf mich nennen, wie man will. Dass eine gewisse Skepsis gegenüber einem Neuling vorhanden ist, kann ich nachvollziehen. Letztlich zählen geleistete Arbeit und die Resultate.

«Man darf mich nennen, wie man will»
Diego Piceci

Wie ist die Arbeitsteilung mit Sportdirektor Martin Plüss?
Wir haben die Büros nebeneinander und befinden uns im ständigen Austausch. Ich würde uns als Tandem bezeichnen, das unter anderem die Kaderplanung gemeinsam vorantreibt.

Apropos Kaderplanung. Da laufen nun bereits die Verhandlungen für die nächste Saison. Wie weit seid Ihr beim SC Bern?
Wir sind stetig dran – sprechen fast täglich mit Spielern und Agenten. Mit Dario Rohrbach haben wir bereits einen Leistungsträger und aktueller Topscorer der SCL Tigers unter Vertrag genommen. Den Kontrakt mit Captain Ramon Untersander konnten wir verlängern. Das sind wichtige Zeichen – gegen aussen und gegen innen.

Wie viel Sinn macht es, dass kurz nach Saisonstart schon Transfers für die nächste Spielzeit kommuniziert werden?
Darüber könnte man lange diskutieren, aber so läuft die freie Markwirtschaft. In der National Hockey League (in Nordamerika/die Red.) ist alles viel regulierter.

Wäre dies in der Schweiz nicht auch praktikabel?
Man müsste sich entsprechende Regeln geben. Natürlich wäre vieles planbarer, wenn beispielsweise ein Transferstopp bis am 15. Januar bestehen würde. Im jetzigen Modell verpflichtet man Spieler – und weiss nicht, wie sie sich sportlich entwickeln oder ob sie von einer Verletzung gebremst werden.

«Die Agentur ist stillgelegt und verkauft»
Diego Piceci

Sie waren mit der Agentur «Onside Sports Agency» in der Spielervermittlung und Beratung tätig. Wie gross ist der Schritt von der Selbstständigkeit in die Struktur eines Klubs?
Für mich war das kein Problem – weil ich die Strukturen und Entscheidungswege von der Privatwirtschaft und meiner Tätigkeit als Agent gut kenne.

Was ist mit der Agentur passiert? 
Sie ist stillgelegt und verkauft.

Das heisst, die Gefahr von Interessenskonflikten besteht nicht?
Nein – und es wird auch nicht so sein, dass nun alle meine ehemaligen Spieler zum SC Bern kommen. Und falls doch einer kommt, liegt es daran, dass der Spieler sehr viele Qualitäten aufweist und der SCB eine spannende Adresse ist.

«Ich wünsche den Lakers nur das Beste – ausser natürlich gegen den SCB»
Diego Piceci

Vergangene Woche wurde Trainer Jussi Tapola entlassen – nach nur neun Spielen. Wie sehr schmerzt ein solcher Entscheid?
Das ist für die ganze Organisation immer ein spezieller und keinesfalls ein lustiger Moment. Aber gelegentlich gibt es keine andere Lösung, um dem Team neue Impulse zu verleihen.

Nun steht mit Heinz Ehlers ein alter Bekannter an der Bande. Weshalb fiel die Wahl auf den Dänen?
Wir suchten einen Trainer mit Erfahrung in solchen Situationen, der eine gesunde Autorität ausstrahlt aber unsere Mannschaft auch weiterentwickeln kann. Mit Heinz haben wir, nach unserer Meinung, den perfekten Trainer für die aktuelle Situation gefunden.

Was braucht es, um den SC Bern nachhaltig zu alter Grösse zurückzubringen?
Wir stecken in gewisser Weise in einem Prozess. Auf gewissen Positionen in der Mannschaft braucht es sicher gewisse Anpassungen – an den anderen Ruhe und Konstanz. Ich bin aber dezidiert der Meinung, dass man aktuell nicht alles schlechtreden darf. Unsere aktuelle Mannschaft hat sicher mehr Qualität als es die aktuelle Tabellenlage aussagt. Die vergangene Saison schlossen wir auf dem 3. Platz ab. Und in der Champions Hockey League sind wir bereits im 1/8-Final. 

Nochmals einen Seitenblick nach Rapperswil-Jona. Wo steht der SC Bern am 9. März 2026 – vor oder hinter den Lakers?
(lacht) Im Idealfall vor den Lakers! Wobei ich ihnen nur das Beste wünsche – ausser natürlich gegen den SCB.

Thomas Renggli