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Kanton
22.09.2025
22.09.2025 12:12 Uhr

Jubiläum «St.Galler Erklärung»

Jubiläumsveranstaltung im St.Galler Pfalzkeller mit Bundesrat Beat Jans (stehend 1.v.r.) als Ehrengast.
Jubiläumsveranstaltung im St.Galler Pfalzkeller mit Bundesrat Beat Jans (stehend 1.v.r.) als Ehrengast. Bild: Andri Vöhringer
Die St.Galler Erklärung beging ihr 20-jähriges Bestehen würdig im Pfalzkeller. Vertreter aus Politik, Kirche und Religionen würdigten die Bedeutung des interreligiösen Dialogs.

Seit zwei Jahrzehnten setzt sich die St.Galler Erklärung für ein friedliches Miteinander der Religionen ein. Dieses Jubiläum wurde am 19. September im Pfalzkeller St.Gallen in festlichem Rahmen begangen. Zahlreiche Vertreter aus Regierung, Kirche, Religionsgemeinschaften und Wissenschaft unterstrichen die Relevanz der Erklärung für die Schweizer Gesellschaft.

Gruppenbild der Religionsvertreter und Politiker. Bild: Andri Vöhringer

Die Gastgeberin, Regierungsrätin Laura Bucher, eröffnete die Feier mit den Worten «Non abbiate paura – habt keine Angst». Sie wies auf die Aktualität der St.Galler Erklärung hin, die durch Veranstaltungen und die interreligiöse Dialog- und Aktionswoche Vertrauen schaffen und Ängste abbauen will.

Neben kulturellen Beiträgen – darunter ein Kurzfilm und eine Performance der Kulturkosmonauten – kamen verschiedene Vertreter der Religionsgemeinschaften zu Wort.

Bischof Beat Grögli, Kirchenratspräsident Martin Schmidt, Rabbiner Shlomo Tikotchinski, Phyllis Mertens von der Bahai’ Gemeinschaft, Imam Yakup Gürgün sowie Jeyakumar Thurairajah von der tamilisch-hinduistischen Gemeinschaft St.Gallen sprachen über Dialog, Vielfalt, Zusammenhalt und Respekt.

Professor Christian Rutishauser von der Universität Luzern bezeichnete die St.Galler Erklärung als «Meilenstein» und betonte die Verpflichtung, allen Menschen mit Wohlwollen zu begegnen.

Eine Performance der Kulturkosmonauten war ebenfalls Bestandteil der Jubiläumsveranstaltung. Bild: Andri Vöhringer

Rede von Bundesrat Beat Jans als Höhepunkt

Den Höhepunkt des Abends bildete die Rede von Bundesrat Beat Jans. Mit einer persönlichen Note erinnerte er sich an seine katholische Kindheit und an regelmässige Kirchgänge, die ihm bis heute eine Nähe zu Gottesdiensten bewahrt hätten. Er beschrieb den Pfalzkeller als Ort mit einer besonderen Atmosphäre, der – ähnlich wie die Basler Fasnacht in den Kellern – Gemeinschaft stifte und Menschen verbinde.

Jans hob hervor, dass religiöse Erfahrungen Halt geben, Sinn stiften und das soziale Netz stärken. «Religionsgemeinschaften schaffen Orte der Zugehörigkeit und leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft», betonte er. Besondere Bedeutung komme dem Engagement verschiedener Religionen zu, weil es Menschen ermögliche, ihre Feste, Hochzeiten oder Trauerfeiern in ihren eigenen Traditionen zu gestalten.

Eine weitere Impression von der Jubiläumsfeier. Bild: Andri Vöhringer

Als Justizminister erinnerte er an die Religionsfreiheit, die als Grundrecht in der Bundesverfassung verankert sei: «Für den Einzelnen bedeutet sie die Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben. Für den Staat ist sie eine Verpflichtung.»

Er berichtete von eigenen Begegnungen bei religiösen Feiern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften – vom Fastenbrechen mit Muslimen bis hin zu Gottesdiensten in Appenzell oder bei der Bundesfeier – und unterstrich die Vielfalt der religiösen Landschaft in der Schweiz.

Im Kern seiner Rede stellte Jans die verbindende Kraft der Religionen heraus: «Wir sehen alle nur einen Teil. Die ganze Wahrheit finden wir nur miteinander – im Dialog, im Zuhören.» In diesem Sinn sei die St.Galler Erklärung aktueller denn je, gerade in Zeiten von Unsicherheit und Abgrenzung. Unterschiede dürften nicht zu Gräben werden, sondern müssten als Bereicherung verstanden werden.

Vertreterinnen und Vertreter von Stadt, Kanton und Bund während des Jubiläumsanlasses. Bild: Andri Vöhringer

Mit einem Zitat des altpersischen Dichters al-Rumi («Die Wahrheit war ein Spiegel, der aus der Hand Gottes fiel. Er zerbrach, und jeder nahm ein Stück – und glaubte, er besitze die ganze Wahrheit») und einem Verweis auf den früheren St.Galler Bundesrat Kurt Furgler kam Jans zum Schluss seiner Rede: «Für das Zusammenleben gibt es kein Patentrezept. Der Weg kann nur über das offene Gespräch zum gegenseitigen Verständnis führen.»

Für ein gelingendes Zusammenleben brauche es offene Gespräche, gegenseitiges Verständnis und den Willen, Unterschiede auszuhalten. «Die St.Galler Erklärung erinnert uns daran: Viel wichtiger und grösser als das Trennende ist das Verbindende.»

Was ist die «St.Galler Erklärung»?

Die «St.Galler Erklärung für das Zusammenleben der Religionen und den interreligiösen Dialog» wurde 2005 im Rahmen der ersten interreligiösen Dialog- und Aktionswoche (ida) auf dem Klosterplatz St.Gallen veröffentlicht. Getragen von Religionsgemeinschaften sowie Vertretungen von Stadt und Kanton St.Gallen gilt sie seither als Herzstück des kantonalen Interreligionsdialogs.

Ihr Ziel ist es, Vorurteile und Ängste abzubauen, Vertrauen zwischen unterschiedlichen Glaubensrichtungen zu schaffen und in religiöser wie weltanschaulicher Vielfalt ein friedliches Miteinander zu fördern. Die Erklärung betont Offenheit, Respekt und gegenseitige Wertschätzung und bildet die Grundlage für konkrete Begegnungen zwischen den Religionen.

Eng verbunden ist die Erklärung mit der ida: Diese Plattform organisiert seit 2005 öffentliche Veranstaltungen, regionale Netzwerke und Dialogformate. Bis 2023 fand jeweils eine Aktionswoche rund um den Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag statt; inzwischen werden vermehrt auch Anlässe während des Jahres durchgeführt.

stgallen24/stz. / Linth24