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Rapperswil-Jona
09.09.2025
09.09.2025 18:01 Uhr

Stadtpräsidentin Dillier: «Wir leben über unsere Verhältnisse»

Stadtpräsidentin Barbara Dillier zu den Stadtfinanzen: «Wir finanzieren unsere Investitionen mehrheitlich über Kredite.»
Stadtpräsidentin Barbara Dillier zu den Stadtfinanzen: «Wir finanzieren unsere Investitionen mehrheitlich über Kredite.» Bild: Linth24
Stadtpräsidentin Barbara Dillier hat an der Bürgerversammlung die Stadtfinanzen dargelegt. Im Interview mit Linth24 nimmt sie Stellung. Die tristen Finanzfakten sehen Sie am Berichtsende.

Linth24: Frau Dillier, sie sagten an der Bürgerversammlung, die finanzielle Situation von Rapperswil-Jona habe sich über die letzten Jahre deutlich verschlechtert. Weshalb?

Barbara Dillier: Die aktuelle Lage ist klar: Wir befinden uns in einem Wandel von einem Ertragsüberschuss zu einem Aufwandüberschuss. Unsere Ausgaben übersteigen die Einnahmen. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren bei gleichzeitig tiefem Steuerfuss viel investiert. Das hinterlässt Spuren.

Linth24: War diese Entwicklung absehbar?

Barbara Dillier: Ja. Das Finanzverhalten der Stadt war über Jahre darauf ausgerichtet, wichtige Projekte zu realisieren. Heute zeigt sich: Diese Strategie war auf Dauer nicht tragfähig, zumindest nicht ohne Gegenfinanzierung. Das ist eine nüchterne Analyse der heutigen Situation.

«Unser Finanz-Polster schmilzt dahin.»
Barbara Dillier

Linth24: Was bedeutet das für die Vermögenslage der Stadt?

Barbara Dillier: Unser Nettovermögen pro Einwohner rutscht ins Negative. Wir hatten über Jahre ein solides Polster. Dieses schmilzt dahin. Wenn kein Gegensteuern erfolgt, entsteht eine Nettoschuld je Einwohner, die den kantonalen Durchschnitt weit übersteigt.  

Linth24: Hat die Stadt noch Geld in der Kasse?

Barbara Dillier: Der Bestand an flüssigen Mitteln ist deutlich zurückgegangen. Das ist nicht gut, weil das unsere kurzfristige Zahlungsfähigkeit negativ betrifft. Parallel dazu steigen die Einnahmen kaum an. Wir tätigen Investitionen, ohne sie aus dem laufenden Ertrag finanzieren zu können. Das zehrt unsere Reserven auf.

Linth24: Die Schulden nehmen zu.

Barbara Dillier: Richtig. Die langfristigen Schulden steigen an. Wir landen in den kommenden Jahren bei über 300 Millionen Franken. Gleichzeitig ist der Selbstfinanzierungsgrad deutlich unter 100 %, sprich, in den tiefen zweistelligen Bereich gesunken. Das heisst: Wir finanzieren unsere Investitionen mehrheitlich über Kredite. Somit ist klar: Wir müssen handeln.

Linth24: Welche Möglichkeiten hat der Stadtrat?

Barbara Dillier: Der Stadtrat hat sich an der Bürgerversammlung klar positioniert: Es gibt drei Stellschrauben: Die Ausgaben reduzieren, die Einnahmen erhöhen oder Investitionen überdenken. Keine dieser Optionen ist einfach. Sie sind politisch wie gesellschaftlich anspruchsvoll.

Linth24: Was bedeutet das für den Steuerfuss?

Barbara Dillier: Einerseits ist der Steuerfuss in Rapperswil-Jona tief, was Standortvorteile bringt. Andererseits ist es bei den heutigen Ausgaben und Investitionen unmöglich, damit eine ausgeglichene Rechnung zu erzielen. Der Stadtrat prüft alle Optionen. Wichtig ist mir, es geht nicht um Aktionismus, sondern um eine vorausschauende, realistische Finanzpolitik.

Linth24: Das tönt nun doch etwas vorsichtig.

Barbara Dillier: Dem Stadtrat ist wichtig, das Vertrauen der Bevölkerung zu behalten, indem wir ehrlich und sachlich kommunizieren und die nötigen Entscheidungen treffen. Dazu gehört auch, offen zu sagen: Wir leben über unsere Verhältnisse. Nun braucht es eine Kurskorrektur.

Linth24: Wie erleben Sie die Bevölkerung mit Ihrem Weckruf?

Barbara Dillier: Ich erhalte viel konstruktives Feedback. Das ist wichtig. Was ich mir wünsche, ist die Einsicht, dass wir diese Herausforderung nur gemeinsam lösen können. Es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit der Zukunft unserer Stadt.

Interview Bruno Hug

Die Stadt in der Schuldenwirtschaft

 

Stadtpräsidentin Barbara Dillier hat an der Bürgerversammlung vom 4. September drei Grafiken aus der Finanzplanung der Stadt gezeigt. Linth24 interpretiert und kommentiert sie.

Der Finanzplanung einer Gemeinde liegt eine rollende Planung zugrunde, die jährlich aktualisiert wird. Die folgenden Grafiken bilden eine Momentaufnahme von Frühherbst 2025 ab und haben prognostischen Charakter.

Vom Ertrags- zum Aufwandüberschuss

Die erste Grafik zeigt die Finanzentwicklung von Rapperswil-Jona von 2020 bis 2029 bei einem Steuerfuss von 74%. Das Bild verdeutlicht: Der Aufwand der Stadt wächst mehr als die Erträge. Es kommt wiederkehrend zu Defiziten. Die graue, untere Linie mit den roten Zahlen zeigt:

  • 2020 hatte die Stadt einen Finanzüberschuss von 16,506 Millionen.
  • 2029 entstünde gemäss Finanzplanung ein Defizit von 21,738 Millionen.
Bild: zVg

Nettovermögen kippt ins Minus

Die zweite Grafik zeigt das Nettovermögen der Rapperswil-Joner, respektive, wenn das Vermögen den Schulden gegenübergestellt wird. Ab 2024 kippt die Stadt in ein «strukturelles Defizit». Die Ausgaben übersteigen Jahr für Jahr die Einnahmen. Schulden und Zinsen steigen permanent an.

Die roten Zahlen in der Mittellinie zeigen:

  • 2020 besass jeder Rapperswil-Joner ein Vermögen von 3’874 Franken.
  • 2029 hätte, ohne sparen, jeder Bürger eine Schuld von 3'865 Franken.

Erschreckend: Im Schnitt besitzt jeder St. Galler Bürger ein Gemeindevermögen von 345 Franken. In Rapperswil-Joner aber hätte jeder Bürger Schulden von fast 4'000 Franken.

Bild: zVg

Zu Lasten späterer Generationen

Die dritte Grafik zeigt: Die Schulden von Rapperswil-Jona würden gemäss dem bisherigen Finanzplan bis 2029 auf 306 Millionen Franken steigen. Sie wären drei (!) Mal höher als das kantonale Mittel. Schulden aber müssen zurückbezahlt werden. Das führt zu einer (unfairen) hohen Belastung für folgende Generationen. Sie müssen dann Überschüsse erwirtschaften, um die von unserer Generation gemachten Schulden abzubauen.

Bild: zVg
Bruno Hug, Linth24