Home Region Sport Schweiz/Ausland Rubriken Agenda
Rapperswil-Jona
09.05.2025
09.05.2025 17:31 Uhr

Ausflug– eine Hommage an gelebte Wertschätzung

Alexander Abarinov: Ausflug der 75-Jährigen von Rapperswil-Jona in die Kartause Ittingen.
Alexander Abarinov: Ausflug der 75-Jährigen von Rapperswil-Jona in die Kartause Ittingen. Bild: Linth24
Der in Rapperswil lebende Historiker und Schriftsteller Alexander Abarinov schreibt für Linth24 eine Kurzgeschichte über den Ausflug der 75-Jährigen.

Die Stadtverwaltung von Rapperswil-Jona hat mich einmal mehr überrascht – nicht durch grosses Getöse, sondern durch echte, stille Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen, die diese Stadt bewohnen. Die Wahlen sind längst vorbei, der Alltag hat sich wieder eingestellt, und – wenn man mit naivem Kiewer Blick argumentieren würde – gäbe es eigentlich keinen Grund mehr, städtische Gelder für luxuriöse Reisebusse zu verschwenden, um ein paar «heilige Orte» zu besuchen.

Einladung

Doch weit gefehlt. Genau 268 Einladungen wurden verschickt – an jene Bürgerinnen und Bürger, die dieses Jahr ihren 75. Geburtstag feiern. Und dann fuhr man sie in eine der schönsten Regionen der Schweiz: in den Kanton Thurgau. Keine majestätischen schneebedeckten Alpen hier – stattdessen sanfte grüne Hügel, durchzogen von Tälern, geschmückt mit uralten sakralen Bauwerken. Ein Ort, der eher leise verzaubert als laut beeindruckt.

Klöster im Regen – Ein Geheimtipp

Nach dieser Reise werde ich jedem empfehlen, Klöster an Regentagen zu besuchen. Denn wenn die Sonne strahlend scheint, der Himmel azurblau ist und es warm und mild ist – dann passt das überhaupt nicht zur Askese, zur Versenkung in die klösterliche Selbstbesinnung, zur Betrachtung der alltäglichen Ereignisse durch das Prisma der Schriften des Evangeliums.

Aber wenn man, wie heute in der Kartause Ittingen, mit zugeklapptem Regenschirm durch die schweren, barocken Gewölbe des 18. Jahrhunderts schreitet, auf kalten, von Generationen von Mönchen und Pilgern ausgetretenen und abgeschliffenen Steinplattenboden – dann schrumpft man innerlich ein bisschen zusammen. Und fühlt sich klein angesichts der hohen Decken, der kunstvoll bemalten Plafonds, des überwältigenden Altars.

Und wenn man danach in den vom Regen durchtränkten, grünen Klostergarten tritt – wunderschön, luxuriös in seiner Ordnung, aber eben traurig – dann ist da dieses leise Frösteln. Auch der gebeugte Flieder scheint das zu spüren. Und du denkst an das, was du eben noch verlassen hast: an die warme Geborgenheit des komfortablen Busses zum Beispiel...

 

  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    1 / 8
  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    2 / 8
  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    3 / 8
  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    4 / 8
  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    5 / 8
  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    6 / 8
  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    7 / 8
  • Ausflug der 75-Jährigen in die Kartause Ittingen am 7. Mai 2025 Bild: Alexander Abarinov
    8 / 8

59 Gäste und ein Fest für die Sinne

59 Menschen nahmen an dieser Fahrt teil, grösstenteils elegant gekleidete Damen und rund zwanzig rüstige Herren. Wir spazierten durch fast alle der kunstvoll restaurierten alten Gebäude, besuchten die Kathedrale des heiligen Lorenz, sahen uns die Klausen der Mönche an, prächtige Kachelöfen, bewunderten den alten Teich, einen künstlichen Wasserfall und das Spiel der Karpfen, oder besser gesagt, die Kreise auf dem Wasser, die jeden Angler begeistern.

Und dann setzten wir uns an die festliche Tafel.

Zvieri – Mehr als nur eine Mahlzeit

 «Zvieri», ist ein Schweizer Nachmittagsimbiss. Es ist eine heilige Sache. Es ist ein Muss im Tagesplan eines Schweizers, wie in einem Sanatorium oder einer Klinik; es ist eine Voraussetzung für einen gesunden Schweizer Lebensstil.

In diesem Fall kommt es nicht auf das Menü an, sondern auf den Luxus des geselligen Beisammenseins, wenn man im selben Raum etwas Leckeres isst, leichten Wein oder Mineralwasser trinkt und über friedliche Themen spricht.

Ich war begeistert von meinen Gesprächspartnern. Es sind unterschiedliche Menschen, aber was uns eint, ist das Alter.

75 – das ist, um es offen zu sagen, eine stattliche Zahl. Aber Sie hätten sehen sollen, wie viel Glanz und Jugend in den Augen dieser jungen Männer und Frauen lag, von denen sich viele noch nie gesehen hatten! Mein Namensvetter, ebenfalls Alexander mit Namen, sass mir gegenüber. Wir stiessen mit den Gläsern an. «Zum Wohl!  С Днём рождения!» (Alles Gute zum Geburtstag!) Dann öffnet er sein Handy und zeigt mir ... weisse Pilze! Die sind so schön, die sehen ja aus wie alle anderen auch! «Wow! Wo sind die denn?»

Pilze und mein Buch

«Tief in den Bergen, Kanton Graubünden. Aber du glaubst es nicht, da ist alles voll!» Sein Gesicht leuchtete.

Seine Tischnachbarin, Christiane, arbeitete früher als Sekretärin in einer Baufirma und später als Hotelrezeptionistin, spricht mehrere Sprachen. Mein Tischnachbar auf der rechten Seite, Rolf, war früher Versicherungsagent, seit zehn Jahren im Ruhestand.

«Du bist es mir schuldig, den Ort zu verraten! Du! Hast du verstanden? Gut!»

Jetzt hat er mein Buch über Rapperswil.

Ich bedauerte, dass mein deutscher Wortschatz so wenige Wörter enthielt, und ich wollte mich so gerne bei den Organisatoren des Treffens bedanken und meinen Nachbarn ein Kompliment machen.

Wir trennten uns als Freunde.
Alexander Abarinov.

Alexander Abarinov befindet sich seit Juni 2022 im Rahmen des Flüchtlings-Schutzprogramms in Rapperswil-Jona. Als gebürtiger Russe verbrachte er nach dem Studium in Geschichtswissenschaften den grössten Teil seines Lebens in der Ukraine. Bis zu seiner Pensionierung war er als oberster Entscheidungsträger im Innenministerium verantwortlich für die Resozialisierung straffälliger Jugendlicher. Ein weiteres Schaffensgebiet waren Literatur und Journalismus. Von 2020 bis 2022 veröffentlichte er bereits drei Bücher mit Kurzgeschichten in seiner russischen Muttersprache. 2023 folgte sein erstes Buch in deutscher Sprache, «Mein Rapperswil – Stadt des Glücks». 2024 veröffentlichte er sein neustes Werk, «Europäisches Tagebuch» auf Russisch.

«Mein Rapperswil – Stadt des Glücks» ist bei folgenden Verkaufsstellen erhältlich:
Visitor Center, Rapperswil Zürichsee Tourismus, Fischmarktplatz 1, 8640 Rapperswil
BücherSpatzGmbH, Marktgasse8,8640 Rapperswil
Verein Freunde von Alexander Abarinov, buch@abarinov.ch

Buchhandel unter ISBN 978-3-033-10119-7

Alexander Abarinov