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Weesen
28.12.2024
29.12.2024 08:18 Uhr

Historischer Fund auf Baustelle

Archäologen und Archäologinnen beim Freilegen der Mauern (l.). Drohnenaufnahme während der Ausgrabung im Sommer 2024 (r.).
Archäologen und Archäologinnen beim Freilegen der Mauern (l.). Drohnenaufnahme während der Ausgrabung im Sommer 2024 (r.). Bild: Weesen aktuell, Nr. 107/Dezember 2024/KASG/Collage: Linth24
Während Sanierungsarbeiten an der Hauptstrasse kamen Überreste der mittelalterlichen Stadt zum Vorschein. Die archäologischen Arbeiten wurden inzwischen abgeschlossen.

Das mittelalterliche Alt-Weesen befindet sich im Westen der heutigen Ortschaft Weesen. Alt-Weesen lag an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, welcher das schweizerische Mittelland mit dem Alpenrheintal und über die Bündner Pässe mit dem Mittelmeerraum verband.

Die Zerstörung von Alt-Weesen

Im Zuge des Konflikts zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen wurde das habsburgische Alt-Weesen 1388 nach der Schlacht bei Näfels durch einen Grossbrand zerstört. Eine Wiederbesiedlung des Stadtgebiets wurde von den siegreichen Eidgenossen verboten. Das Zentrum des heutigen Städtchens entstand weiter östlich.

Archäologie in Alt-Weesen

Reste von Alt-Weesen wurden bereits 1807 von Hans Conrad Escher während der Regulierung der Linth entdeckt. Erste archäologische Ausgrabungen erfolgten 1978 durch die Kantonsarchäologie St.Gallen. In den letzten 50 Jahren fanden weitere archäologische Untersuchungen statt. Dabei wurden Überreste von Wohnhäusern sowie der Stadtmauer mit vorgelagertem Stadtgraben und Grabengegenmauer ausgegraben und dokumentiert.

Überreste der mittelalterlichen Stadt

Im Rahmen der laufenden Strassen- und Werkleitungssanierungen der Hauptstrasse wurden weitere Gebäudereste sowie Teile der Stadt- und Grabengegenmauer freigelegt. Diese kamen westlich des Dorfladens Spar, auf einer Länge von rund 40 m zum Vorschein.

Gebäude

Der nur 1.2 m breite Leitungsgraben brachte einen Querschnitt durch zahlreiche, an die Stadtmauer angebaute Gebäude zum Vorschein. Ihre 60 cm bis 1.2 m breiten Mauern bestehen aus Kalkbruchsteinen und sind oftmals nur noch ein bis zwei Lagen hoch erhalten. Erwähnenswert sind Türschwellen sowie Mörtel-, Lehm- und Kiesböden.

Ausserdem wurde eine rechteckige Grube freigelegt. Sie war aufgrund der Funde – ein verkohltes Holzbrett und Eisenscharniere – wohl mit einer Holztüre verschlossen und diente wahrscheinlich als Keller. Ein für Weesen bislang einzigartiger Befund. Als besondere Objekte in diesem Keller sind Werkzeuge und ein eiserner Rüstungshandschuh zu nennen.

Vom gewaltsamen Ende der Gebäude im Jahr 1388 zeugt ein Brandhorizont. Darin lagen verkohlte Holzbretter und -balken sowie Teile von Mörtelböden, die von den oberen Geschossen der Häuser stammen.

Stadtbefestigung

Von der nördlichen Stadtmauer wurde ein 6.5 m langes Teilstück freigelegt. Sie weist eine Mauerstärke von 1.2 m auf und ist 1.10 m hoch erhalten. Nordöstlich davon liegt ein Teilstück der nördlichen Grabengegenmauer, welche den Stadtgraben gegen die Feindseite hin abschloss. Sie ist teilweise noch knapp 2 m hoch erhalten.

Im Bereich der Kreuzung von Haupt- und Schulstrasse gelang es auch erstmals, die östliche Grabengegenmauer archäologisch nachzuweisen. Die Grabengegenmauer bildet den nördlichen bzw. östlichen Abschluss des Stadtgrabens und markiert damit die Grenze des Stadtgebietes.

Zusammenfassung

Die bei den Ausgrabungen in der Hauptstrasse dokumentierten Befunde ergänzen das bisher bekannte Bild von Alt-Weesen. Die nördliche Stadtmauer besass einen vorgelagerten Graben mit Grabengegenmauer. Im Bereich der Kreuzung von Haupt- und Schulstrasse bog die Stadtmauer samt Graben und Grabengegenmauer gegen Süden ab.

Die Stadtmauer war im Innern dicht mit aneinanderstossenden Gebäuden, wohl mehrheitlich Wohnhäusern, bebaut. Südlich dieser Häuserzeile lag die West-Ost verlaufende Strasse. Sie führte wohl im Bereich der Kreuzung von Haupt- und Schulstrasse durch ein noch nicht archäologisch nachgewiesenes Stadttor Richtung Fli und Amden.

Dank und Ausblick

Dank der guten Planung durch die Bauherrschaft (Tiefbauamt Kanton St.Gallen, Luca Nicolosi und Gemeinde Weesen, Bruno Huber) und der hervorragenden Zusammenarbeit mit der Baufirma Hösli AG (Martin Zweifel, Bruno Trümpi und Team) konnten die archäologischen Arbeiten reibungslos und ohne Beeinträchtigung des Bauprogramms durchgeführt werden.

Die Keramik- und Knochenfunde sind gereinigt und die heikleren Metallfunde beim Restaurator. Ihre Bestimmung steht noch aus. Ebenfalls genauer zu untersuchen ist eine Reihe von Materialproben. Die Auswertung von Funden und Proben wird weitere Einblicke in damalige Lebenswelten ermöglichen.

Übersichtsplan der archäologischen Befunde. Im roten Bereich die Neuentdeckungen 2024. Umzeichnung: KASG Bild: Weesen aktuell, Nr. 107/Dezember 2024/KASG
Weesen aktuell, Nr. 107/Dezember 2024