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Kultur
16.09.2019
17.09.2019 19:21 Uhr

Kunstzeughaus: Programm 2020

Seit Anfang Jahr leiten Céline Gaillard und Simone Kobler das Kunst(Zeug)Haus in Rapperswil-Jona. Erstmals präsentieren sie ein eigenes Jahresprogramm.

Die neuen Co-Direktorinnen des Kunst(Zeug)Haus, Céline Gaillard und Simone Kobler, präsentieren mit dem Ausstellungsprogramm 2020 ihr erstes Jahresprogramm nachdem die wesentlichen Programmelemente des Kunst(Zeug)Haus bis Ende 2019 noch von ihrem Vorgänger Peter Stohler festgelegt worden waren. Ihre persönlichen Highlights sind eine Einzelausstellung mit der Künstlerin Anna-Sabina Zürrer, eine thematische Gruppenausstellung mit dem Titel «sharity – teilen, tauschen, verzichten» und eine neue Sammlungspräsentation, die ganz im Zeichen von Buchstaben und Worten steht.

Das Kunst(Zeug)Haus Rapperswil-Jona wird zukünftig, nebst der jährlich wechselnden Sammlungspräsentation im Erdgeschoss, jeweils eine Ausstellung im Obergeschoss einem einzelnen Künstler oder einer einzelnen Künstlerin der Schweizer Kunstszene widmen und jeweils eine thematische Gruppenausstellung realisieren.

Die erfolgreiche Förderplattform für Kunstschaffende unter dreissig Jahren – der «Seitenwagen» – bleibt bestehen und wird im Rahmen der Zeughausarealentwicklung um einen ortsspezifischen und lokalen Fokus erweitert. Die Ausrichtung wird zukünftig allerdings experimenteller und interdisziplinär: die Seitenwagen-Ausstellungen im Jahr 2020 entstehen in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik (HSR) Rapperswil. Die Kooperationen mit dem Verein IG Halle und der Gebert Stiftung für Kultur/*Alte Fabrik, die jährlich, bzw. alle zwei Jahre zu Gast im Kunst(Zeug)Haus sind, werden ebenfalls fortgeführt.

Zwei Fragen zum Jahresprogramm 2020 an das Leitungsduo:

Céline Gaillard: Die Ausstellung «Sharity» widmet sich dem Thema «teilen». Warum ist dieses Thema von Relevanz? «Wer teilt und damit auf etwas temporär verzichtet, tut etwas Gutes für die Umwelt. Angesichts der aktuellen Umweltproblematik ist es von grosser Bedeutung, dass jeder sein Konsum- und Umweltverhalten reflektiert. Teilen kann also ein hoffnungsvoller Weg im Umgang mit immer knapper werdenden Ressourcen sein. Darüber hinaus tritt der Teilende in vielen Fällen mit anderen Menschen in Kontakt und trägt zu einer Gemeinschaft bei.»
Simone Kobler: Auf was freuen Sie sich besonders im kommenden Jahr? «Auf die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten spannenden Künstlern und Fachpersonen. Mit Anna-Sabina Zürrer stehen wir für ihre Einzelausstellung im Februar schon länger in Kontakt. Es ist schön mitzuerleben, wie sich ihre Ausstellung entwickelt. Für die Ausstellungen im «Seitenwagen» können wir mit der HSR zusammenarbeiten. Zudem ist ein Projekt mit einer Oberstufenschulklasse aus Rapperswil geplant. Alle Kontakte geben uns wertvolle und vielseitige Inputs.»

Die Highlights 2020

19. Januar 2020 – Januar 2021 Sammlungsausstellung im Erdgeschoss
Ex Libris. Literatur und Schrift in der Sammlung Bosshard. Die neue Sammlungsausstellung des Kunst(Zeug)Haus vereint Kunstwerke aus der Sammlung Bosshard, für die Texte einen wichtigen Bestandteil bilden. Darunter fallen Arbeiten, die in Auseinandersetzung mit Literatur entstanden sind, genauso wie Kunstwerke, die Text, Textfragmente oder Wortspiele beinhalten oder auf Zeitungen realisiert wurden. Zudem werden einige der zahlreichen Künstlerbücher aus der Sammlung präsentiert.

Nach der Sammlungsausstellung mit dem Titel «Rhythmus, Reihe, Repetition» (14.10.2019- 15.12.2019) handelt es sich auch bei diesem Fokus um ein charakteristisches Merkmal der Sammlung Bosshard, haben die Stifter doch beständig Künstlerbücher und Werke mit literarischen Bezügen gesammelt und teilweise sogar in Auftrag gegeben.

Das Kunst(Zeug)Haus beherbergt zudem eine der grössten Robinsonbibliotheken weltweit. Als Insel mitten in den Hauptausstellungsraum gebaut, zeugt die Bibliothek mit rund 4’000 Robinsonaden, die von Peter Bosshard zusammengetragen wurden, ebenfalls von der Faszination des Stifters für das Medium Buch.

Die Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Rapperswil-Jona von einem breiten, interdisziplinären Rahmenprogramm begleitet.

23. Februar - 26. April 2020: Einzelausstellung im Obergeschoss: Anna-Sabina Zürrer

Die Ausstellung von Anna-Sabina Zürrer (*1981 in Wolfhausen, lebt und arbeitet in Luzern) bespielt das Kunst(Zeug)Haus mit poetischen Werken, welche die lichtdurchflutete Architektur des Museums aufgreifen, mit der Sammlung des Hauses interagieren und den Besuchenden die melancholische Schönheit der Vergänglichkeit vor Augen führen.

Bei der monografischen Ausstellung von Anna-Sabina Zürrer handelt es sich um die erste im Programm der seit Januar 2019 neu eingesetzten Co-Leitung. Das Kunst(Zeug)Haus zeigt künftig pro Jahr eine Einzelausstellung. Diese umfasst – mit Ausnahme der seitlichen «Seitenwagen»-Kabinetträume – das gesamte Obergeschoss des Kunst(Zeug)Haus. Für die KünstlerInnen bietet dies die Gelegenheit, sich konzentriert auf die Architektur des Hauses einlassen und einen breiten Einblick in ihr Schaffen geben zu können.

Die Werke von Anna-Sabina Zürrer befassen sich mit dem Thema der Erinnerung. Auf der einen Seite fasziniert die Künstlerin das Sammeln, Festhalten, Konservieren und Speichern und auf der anderen Seite setzen sich die Werke mit dem Entleeren, Auslöschen und Auflösen auseinander. Mit Momenten melancholischer Schönheit nähert sich die Künstlerin den Themen der Vergänglichkeit an.

So taucht Anna-Sabina Zürrer zum Beispiel tief in Archive ein und forscht danach, was wir bewahren und archivieren und hinterfragt, woran uns Archivbestände erinnern sollen. Manchmal sieht der Besucher bei der Werkbetrachtung kaum etwas und wird dazu animiert, Geschichten zu hören, wenn er die leeren Bildräume vor sich nicht nur mit eigenen Imaginationen füllen will. Die in ihrer Farbigkeit zurückhaltenden Werke von Anna-Sabina Zürrer interagieren vielseitig mit der Architektur des Kunst(Zeug)Haus und greifen grosse Themen zugleich tiefsinnig, poetisch und verspielt auf.

Parallel dazu im «Seitenwagen», der Förderplattform für junge Kunstschaffende: Piero Good Piero Good greift scheinbar unbedeutende Ereignisse aus dem Alltag auf und setzt ihnen ein verspieltes, kinetisches Denkmal. So dehnt er zum Beispiel Momente in die Länge, transferiert Stimmungen von Ort zu Ort oder lässt Federn wie Staubflocken im Zimmer tanzen. Oft stehen dabei physikalische Gesetzmässigkeiten und deren Überlistung im Zentrum. Piero Good absolvierte von 2011-12 das Propädeutikum an der ZHdK. Von 2015-2016 war er für ein Erasmus Austauschjahr an der ESADMM in Marseille zu Gast. Von 2013-2017 studierte er an der ZHdK im Bachelor-Studiengang mit dem Schwerpunkt Fotografie.

17. Mai – 2. August 2020: Thematische Gruppenausstellung im Kunst(Zeug)Haus:
Sharity – teilen, tauschen, verzichten

Angetrieben durch die Digitalisierung und die damit einhergehende einfache Vernetzung, teilen wir seit einigen Jahren mehr als je zuvor. Wir teilen Besitztümer (Autos, Kleider), Erlebnisse (vor allem in sozialen Medien), Lebensräume (Wohngemeinschaften, Generationenhäuser, Gärten) und Gedanken. Teilen ist nicht mehr nur ein alltägliches, menschliches Tun, das dazu dient, Ressourcen zu sparen – Teilen ist ein Lifestyle. Mit dem Teilen wird eine bestimmte Weltsicht verbunden: Der Teilende kümmert sich um seine Umwelt, um seine Mitmenschen. So ist Teilen Ausdruck einer Grundhaltung und eng verknüpft mit der Frage, was einen «guten Menschen ausmacht» und wie ein «gutes Leben» geführt werden kann.

Auch das Museum ist ein Ort des Teilens: Sowohl die Sammlung als auch die Kunst in den Wechselausstellungen, häufig Leihgaben der Kunstschaffenden selbst oder ihrer Galerien, wird für eine bestimmte Zeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit mit ihr geteilt. Besuchende lassen sich einzeln oder in Gruppen auf das Ausstellungskonzept ein und tauschen im Idealfall ihre Gedanken aus. Zudem teilen die beiden Co Direktorinnen des Kunst(Zeug)Haus im Jobsharing mit der Leitung  des Museums ihre Agenden und Visionen. Das gesamte Programm des Kunst(Zeug)Haus basiert so seit dem Wechsel der Leitung auf einem intensiven «Teilen».

Die Ausstellung «Sharity – teilen, tauschen, verzichten» thematisiert mit dem «Teilen» eine zum Lifestyle avancierte Urform unseres Daseins und hinterfragt, aus welchen Gründen wir was teilen und wie sich unsere Gesellschaft dadurch verändert. Anhand von Kunstwerken und einem breiten Rahmenprogramm spürt die Ausstellung einem gesellschaftlichen Trend nach, der einen grossen Aktualitätsbezug aufweist. Die Besucherinnen und Besucher werden dazu eingeladen, darüber nachzudenken, wann teilen in ihren Lebensstil passt und wo es für sie Sinn macht, zukünftig (mehr) zu teilen.

Beteiligte KünstlerInnen und gezeigte Werke in der Ausstellung «Sharity» (Auswahl):

  • Meret Buser: Vierzäh Täg hinterem Mond – Recipes from my Grandmother’s Life
  • Andrea Gohl: Can one person change a city (Sammlung Kunst(Zeug)Haus)
  • Thomas Hirschhorn: What can I learn from you? Dokumentation von Workshop
  • Monica Ursina Jäger
  • Isabelle Krieg
  • Carmen Müller
  • Sebastian Stadler: Vos travaux
  • Joel Tauber: The Sharing Project

23. August - 1. November 2020: Teilung Raum Obergeschoss: Westliche Hälfte: Kurator-Stipendium. Östliche Hälfte: 4xBaviera.

Kurator Stipendium
Fanny Hauser und Viktor Neumann werden im Rahmen des Kurator-Stipendiums der Alten Fabrik ab August 2019 vier Ausstellungen zum Thema «Access All Areas» gestalten. Eine Ausstellung wird parallel im Kunst(Zeug)Haus und in der Alten Fabrik gezeigt. «Als übergeordnetes Konzept widmet sich «Access All Areas» unterschiedlichen Bezügen und Lesarten des Zugangs. Zunächst meint «Access All Areas» den freien Zugang zu allen Bereichen und stellt einen exklusiven Pass dar, der Zutritt zum nur Auserwählten zugänglichen Backstage-Bereich gewährt. Im Kontext des aktuellen Zeitgeschehens wird die besondere Rolle von Kunst und ihren Räumen betont, ästhetische und politische Imaginationsräume zu eröffnen und Formen des Zusammenhalts und der Zuwendung zu erproben.»

4xBaviera
Die vier Brüder Peter, Michael, Vincenzo und Silvio Baviera in einer Ausstellung.

  • Peter Baviera (CH): 18.11.1947
  • Michael Baviera (I): 1946-2014
  • Vincenzo Baviera (I): 28.7.1945
  • Silvio R. Baviera (CH/I): 08.08.1944

Die noch von Peter Stohler zugesagte Ausstellung vereint Werke und Werkgruppen der vier Brüder. Hinter der Idee steckt Silvio Baviera, Künstler, Schriftsteller, Sammler, Verleger, Galerist und Kurator (u.a. für das Helmhaus, Kultur in Aussersihl 2008; Grösser als Zürich; mit Publikation). In seinem Depot befinden sich über tausend Kunstwerke von Silvio Baviera selbst und von seinen Brüdern, die allesamt als Künstler tätig sind oder waren.

OM, www.kunstzeughaus.ch