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Gast-Kommentar
Fussball
28.08.2024
29.08.2024 06:35 Uhr

Urs Meier und die Hooligans

Urs Meier
Urs Meier Bild: leaderdigital.ch
«Hat die Politik ein Herz für Hooligans?» fragt der ehemalige Top-Schiedsrichter Urs Meier.

Offensichtlich findet die Fanarbeit in den Stadionstädten bisher keine tauglichen Lösungen, um das Hooligans-Problem bald zu beheben. Die Vereinsleitung, als Hausherren im Stadion, gibt offiziell an, «kein Hooligan-Problem» zu haben. Muss das sein? Schiedsrichterlegende Urs Meier vom Forum Gelb-Rot findet: Natürlich nicht.

Die Stadionstädte unterstützen ihre Fussball-Clubs, je nach Liga-Klasse, mit Millionenbeträgen für Sicherheitsdienste bei deren Heimspielen. Die Parlamentarier in den jeweiligen Stadionstädten haben diese Kostenstelle «Sicherheit bei Sportveranstaltungen» im Jahresbudget im Herbst durchgewunken.

Die Polizeikommandos, als Instrument der Sicherheitsdirektion, werden gezielt beauftragt, an den Spieltagen für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Notabene: Offensichtlich finden die ARGE und Fanarbeit in den Stadionstädten bisher keine tauglichen Lösungen, um das Hooligans-Problem bald zu beheben. Die Vereinsleitung, als Hausherren im Stadion, gibt offiziell an, «kein Hooligan-Problem» zu haben.

Nur die Stadtbewohner, die als Wählerschaft und Steuerzahlende auftreten, haben nichts zu sagen, dürfen aber als ungefragte «Zwangs-Sponsoren» diesen wenig zielführenden Aktivismus, getarnt als «Hooligan-Bekämpfung», mit ihren Steuerfranken finanzieren.

Wer sich an die «Schande von Basel» am 13. Mai 2006 erinnert, darf diesen Krawalltag quasi als Startpunkt für heftige Ausschreitungen rund um Fussballspiele in der Schweiz vermerken. Diese Finalissima hat die Schweizer Meisterschaft der Saison 2005/06 zwischen dem FC Basel und FCZ in der Nachspielzeit zugunsten der Zürcher entschieden, worauf es zum grossen Platzsturm mit Pyros und Rauch, gepaart mit Randale und bösen Ausschreitungen beider Seiten, kam. Als «Schande von Basel» ist dieses Ereignis in allen Zeitungsarchiven, bei Wikipedia oder mit TV-Bildmaterial im Internet nachzulesen.

Darauf reagierte die Politik konkret mit der Datenbank HOGAN und Disziplinierungsmassnahmen. An einberufenen runden Tischen mit prominenter Besetzung und diversen Interessenvertretern wurde im Jahr 2012 das sogenannte Hooligan-Konkordat erweitert und durch die KKJPD als repressiver Massnahmen-Katalog bei den Liga-Spielen in der Schweiz eingeführt. Um die Massnahmen noch zu verschärfen, wurde zur Saison 2024/25 zusätzlich das sogenannte Kaskadenmodell, eine Art Bussenkatalog, eingeführt. Die Erfolgsquote dieses Hooligan-Konkordats ist bis heute eher überschaubar, dafür aber sehr kostspielig.

Werden die Hooligans nun bekämpft oder eher bewirtschaftet?

Die KKJPD, begleitet von Bundesrat und FEDPOL, erhoffen sich seit vielen Jahren in der Hooligan-Bekämpfung mittels ihres definierten repressiven Massnahmen- und Bussenkatalogs Erfolge. Hooligan-Konkordat und Kaskadenmodell werden den Sicherheitsdirektionen in den Stadionstädten zur Übernahme vorgelegt.

Übrigens ist die Finalissima-Stadt Basel dem Konkordat nicht beigetreten. Die Durchsetzung des Konkordats obliegt den Sicherheitsdirektor jeder Stadionstadt, die den Kommandos der Kapo und/oder Stapo den Auftrag für Dispositive und Einsätze erteilen. Fussball-Sachverständige sehen in dieser Vorgehensweise allerdings keine wegweisenden Schritte. 

«KKJPD: Liefert den ‘offiziellen Massnahmen- und Bussenkatalog’ in repressiver Gangart.»

Die Sicherheitsdirektoren sind die Anwender. Jedes Fussballspiel auf Stadtgebiet bedarf der Zustimmung durch die lokale Bewilligungsbehörde. Das Konkordat gilt dabei als geschätzter Talisman für die zuständigen Damen und Herren Räte, damit ihnen keine Unfähigkeit vorgeworfen wird. Das Konkordat wurde so zur «offiziellen Gangart der Politik», weil es die bequeme Eigenschaft mitbringt, dieses Hooligan-Theater direkt dem Polizeikommandanten vor Ort zu übertragen.

Das Kommando der Kapo/Stapo sitzt mit den Vertretern des Fussballvereins in der Bewilligungsbehörde und gilt als Taktgeber am Tisch. Die volle politische Verantwortung für die eingereichten Dispositive der geplanten Einsätze inklusive der gesamten Kosten liegt dann ordnungsgemäss bei den Sicherheitsdirektoren. Nur deren Stempel und Unterschrift haben Gültigkeit für die Einsätze.

Ob nun das Konkordat und seine nach «law & order» aufgebauten Massnahmen Wirkung entfalten oder nicht und was der Einsatz des Polizeikorps am Spieltag vorsah, hält selten die Chaoten fern.

«Sicherheitsdirektoren: Diese zuständigen Stadt- oder Regierungsräte benötigen in den meisten Fällen Sukkurs in Event-Sicherheit. Je Heimspiel sagt das Polizeikommando, was geht, skizziert ihr bisheriges Dispositiv für den Einsatz, die Sicherheitsdirektoren zeichnen diesen Einsatzplan ab, und per Tagesbefehl wird mit dem krawallgerecht ausgerüsteten Korps gemäss Hooligan-Konkordat operiert, inklusive Schlussrapport. So wird die Hooligans-Bewirtschaftung fixiert.»

Immer zur Herbstzeit kommt das Stadtparlament zur alljährlichen Budgetberatung zusammen. Da präsentiert auch die Direktion für Justiz und Sicherheit die Budgetvorschau fürs kommende Jahr. Unter der Kostenstelle «Einsätze bei Sportveranstaltungen» sind die Zahlen meist leicht nach oben angepasst. Zudem besteht ja diese Vereinbarung mit den lokalen Sportvereinen auf einer mittelfristigen Basis. Das Parlament, eher passiv und ohne Zusatzfragen, winkt diese Millionenbeträge für die Einsatzkosten zügig durch – leider von fast allen Politikern und deren Parteien.

«Stadtparlament: Genau genommen, gibt dieses fraglose Parlament in der Budgetrunde im Herbst immer das Okay, das ‘Katz-und-Maus’-Spiel auch im kommenden Jahr zu finanzieren. Ein JA zur Budgetposition ist ein ‘Herz für Hooligans’-Bewirtschaftung, um den Fussball-Chaoten wie gehabt ineffizient und kostspielig hinterherzurennen.»

Die Fussballvereine und deren Präsidenten freuen sich gleich doppelt. Einmal über die mit der Stadionstadt ausgehandelte bescheidene Jahrespauschale für Sicherheitsdienste anlässlich ihrer Heimspiele für Grundversorgung und Korpseinsatz. Und zweitens darüber, dass die Verhandler der Stadt keine zwingend notwendigen Auflagen oder Vorgaben in den Vertrag aufgenommen haben.

Zudem ist dieser Pauschalbetrag meist allein auf den Polizisten pro Stunde und so zu tief berechnet. Bei einer Vollkostenrechnung unter Einbezug aller Services durch die städtischen Departemente müssten etwa zehnmal höhere Tarife verrechnet werden. Die Steuerzahlenden sind da klar die «Zwangs-Sponsoren» für Sicherheitsleistungen in Millionenhöhe zugunsten der Clubs.

Was machen die Clubs? Als Hausherr und Veranstalter wird die Pauschale bei den Tickets eingepreist, und die Motivation, die fehlgeleitete Kurven-Unkultur aus dem Stadion zu bekommen, sinkt deutlich. Die Formel «weniger Pyros und Randale = mehr finanzkräftige Sponsoren» scheint kaum im Fokus zu stehen.

«Clubs: Sind froh über die günstigen Sicherheitsdienste. Nö, offiziell kein Chaoten-Problem. ‘Man sei im Austausch mit den Behörden der Stadt’ und klopft sich da gern mal auf die Schulter.»

Am Ende des Spieltags stehen oder sitzen die Stadtbewohner, die Wählerschaft, die Leser und User sowie das Gewerbe im Umfeld jeder Stadionstadt. Es wird den Leuten viel zugemutet an so einem Heimspieltag. Allerlei Einschränkungen, reduzierter ÖV-Betrieb, Fanmärsche ab Bahnhof, Ausschreitungen vor und nach dem Spiel, im dümmsten Fall gar selbst etwas Tränengas im Gesicht.

Bei 18 bis 19 Heimspielen pro Saison kommen viel Pyros und Randale (Sachschaden) zusammen.

«Stadtbewohner: Jawohl, als Steuerzahler und zum Dank sind wir seit Jahren die ungefragten ‘Zwangs-Sponsoren’ der wenig tauglichen Dispositive seitens Polizei und Regierung.»

Was sagen die Coaches des Forum Gelb-Rot?

Die Aufstellung zeigt, eigentlich hat niemand einen konkreten und finanzierten Auftrag, diesen Problemkreis ursächlich anzugehen und ganzheitliche Lösungen zu entwerfen resp. einzubringen. Das Hooligans-Problem wird in der Schweiz seit Jahren bewirtschaftet. Viele der verantwortlichen Personen sind da bequem Konkordat-gläubig (als Feigenblatt) trotz eher bescheidener Resultate.

Und die Politik beobachtet die Situation, fachlich ungeeignet zusammengesetzte ARGE beschäftigen sich vehement damit und andere sorgen wiederholt mittels Tagesbefehl für Ruhe und Ordnung. Ganz im Sinne von «same procedure as every year», abgeguckt beim englischen Neujahrs-Sketch. Das produziert viel Sitzungsgelder an runden Tischen, bringt ein paar Teilzeitstellen für diejenigen, die sich beschäftigen, und für die Frauen und Männer in Montur viel Kampf-Krampf mit Überstunden.

Nicht zu vergessen die grandiose Medienpräsenz für alle Involvierten an den runden Tischen und je Stadionstadt die Sicherheitsdirektoren. Wo ein Mikrophon oder Fotograf steht, steht bald auch ein Akteur. Lokale Titel sind ja eher Hofberichterstatter für die Fussball-Vereine, entweder direkt als offizieller Medienpartner oder zumindest als Sympathisanten im Einzugsgebiet ihrer Leserschaft.

Abschliessend dürfte, solange diese Gangart der Akteure beibehalten wird und weiterhin die Kosten den Steuerzahlenden aufgebürdet werden können, der Neujahrs-Sketch weiterlaufen.

Zum Forum Gelb-Rot:

Die Initianten Urs Meier (Fussballexperte), Dan Schindler (CRM & Image) und Peter Acél (Dozent an ETH Zürich) offerieren heute der Fussball-Schweiz, den Bewilligungsbehörden und der Politik vor Ort konkrete und taugliche Optionen, um das leidige Chaoten-Getue einzudämmen und bald in jeder Stadionstadt zu beseitigen. Die Forum-Mitglieder begleiten die Umsetzung als Coach.

Das Forum Gelb-Rot hat die bisherige Praxis hinterfragt, klare Defizite aufgedeckt und daraus kluge Methoden und verfügbare Module entworfen. Den Verantwortlichen einer Stadionstadt und deren Clubs kann aufgezeigt werden, wie man wieder «Chaoten-frei» wird. Damit sinken auch die Einsatzzeiten der Ordnungskräfte und deren kostspielige Auftritte pro Spielsaison gesamthaft.

Das Credo: «Neu denken – fertig Chaoten.»
Die Module des Forum Gelb-Rot sind geeignet, um die Pyros-freie Fankultur wiederherzustellen und diesen üppigen Kostenposten für die Steuerzahlenden je Stadionstadt weitsichtig kleiner zu halten.

Lösungsansätze für Verantwortliche:

Die einfach realisierbaren Ansätze – schlauer statt repressiver – sollen den Geschäftsleitungen der Fussball-Clubs sowie allen offiziellen Verantwortlichen dazu dienen, zielführende Anpassungen in diesem anerkannten Problemkreis vorzunehmen. Wer hat die erste Hooligans-freie Stadionstadt? Wer Verantwortung übernimmt in einer Stadionstadt, sollte mitwirken und dabei sein, wenn es gilt, für seine Stadt wieder eine familien- und sportbasierte intakte Fankultur aufleben zu lassen.

Urs Meier, Forum Gelb-Rot