In den USA dürfte auch die FED Zinsen senken, und unsere SNB kommt auch unter Zugzwang, um den Franken nicht allzu stark ansteigen zu lassen.
In den vergangen Tagen traten der Handelskonflikt USA-China und die Honkong-Krise in den Hintergrund. Alle Augen waren somit ganz auf die Europäische Zentralbank EZB gerichtet. Der Entscheid fiel am Donnerstag, eine Art «Abschiedsgeschenk» von Mario Draghi an die Europäische Union. Der jetzige Notenbankpräsident wird in wenigen Wochen nach acht Jahren Amtszeit altershalber von der bisherigen IWF-Direktorin Christine Lagarde abgelöst.
Dieser Entscheid bedeutet, dass für die Einlagen der Geschäftsbanken die Strafzinsen verschärft werden. Die EZB setzt diesen Zins neu auf minus 0.5 von bisher minus 0.4 Prozent fest. Der Leitzins bleibt aber unverändert bei null Prozent. Weiter kündigte die EZB an, die Käufe von Anleihen wieder aufzunehmen. Sie will ab November 2019 Wertpapiere für rund 20 Milliarden Euro pro Monat erwerben. Somit werden die Geldschleusen wieder vermehrt geöffnet. Insgesamt hat die EZB die Markterwartungen erfüllt. Die Entscheidungen bedeuten aber eine Fortsetzung der Geldpolitik im «Krisenmodus». Der Vorgang ist unter Ökonomen, umstritten. Die NZZ nennt es «Aktionismus» und vergleicht es mit zu grossen Nebenwirkungen in der Medizin.
Wenige Tage vor der Sitzung der amerikanischen Notenbank FED verlangt auch US-Präsident Donald Trump eine massive Senkung der Zinsen. Sie sollten auf «null oder minus» sinken, um dem Staat den Schuldendienst zu erleichtern. Marktbeobachter erwarten, dass auch die FED ihre im Sommer begonnene lockere Geldpolitik fortsetzen, und am kommenden Mittwoch den Leitzins erneut um einen Viertelpunkt oder mehr senken könnte. Dieser liegt derzeit in einer Bandbreite von 2.0 bis 2.25 Prozent. Das Ganze setzt auch die Schweizerische Nationalbank SNB unter Druck. Deren Entscheidungen werden vermutlich einen Tag später, am nächsten Donnerstag angekündigt. Eine Verschärfung des Negativzinsens von 0.75 auf 1.0 Prozent ist dabei nicht ganz ausgeschlossen.
Im Vorfeld der Zinssenkungen ist die Aktienbörse dieses Jahr stark gestiegen. Beispielsweise verbesserten sich Indexschwergewichte wie Nestlé, Lonza, Swiss Life und Zürich Versicherungen um teilweise über dreissig Prozent. Unter den Siegern bei den Nebenwerten entwickelte Vetropack eine positive Kursentwicklung von einem Drittel. Mehr Sympathie gegenüber Glasrecycling anstatt Plastik hat hier zusätzlich geholfen. In den vergangenen Tagen und Wochen gab es auch immer wieder Sektor-Rotationen. Sogar die unter Druck geratenen Grossbanken konnten sich von ihren Tiefstkursen lösen. Zyklische Industriewerte waren vor allem in der letzten Zeit wieder auffallend gefragt. Nach dem Zinsentscheid kam es allerdings zeitweise zu Gewinnmitnahmen. Die Marke von 10‘000 beim SMI konnte aber bis Freitagnachmittag gehalten werden.
Aussichten
Die Weltwirtschaft zeigt einige Zeichen der Abkühlung, insbesondere auch in Asien und der EU. Der Handelskrieg zwischen den USA und China hinterlässt Spuren. Auch die Währungsschwankungen kosten bei den Unternehmungen Margenprozente. Schliesslich hat sich seit der Krise im Jahre 2008 die Wirtschaft ununterbrochen erholt. Offenbar war die Tiefzinspolitik der Notenbanken das Erfolgsrezept für Wachstum und Verbesserungen der Staatsfinanzen. Weitere Zinslockerungen, vor allem auch Negativzinsen ernten aber zunehmend Kritik.
Die Aktionäre, Hauseigentümer Exporteure usw. freut die gegenwärtige Geldpolitik, aber Sparer und Vorsorgewerke leiden, vor allem Pensionskassen werden durch Negativzinsen enteignet. Die 2. und 3. Säule waren eine Erfindung der siebziger und achtziger Jahre, als Obligationenzinsen noch fünf oder mehr Prozent Rendite erwirtschafteten. Heute generieren nur noch Immobilien und Aktien positive Erträge. Aber damit steigen auch die Risiken. Vermutlich war der jüngste Entscheid der EZB trotz allem richtig. Jede Medizin hat auch Nebenwirkungen, aber ein Nichtentscheid hätte an den Aktienbörsen einen Crash auslösen können, dies aufgrund zunehmender verstärkter Rezessionsängste. Weitere Vernichtung von Vorsorgegeld auf diese Art ist ja auch nicht im Sinne einer gesunden Notenbankpolitik. Wünschenswert wäre jetzt eine Entspannung beim Handelskrieg. Dann werden sich mit der Zeit auch die Notenbanken bei Wiederaufnahme des Wirtschaftswachstums aus der Tiefzinsfalle befreien können.