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Rapperswil-Jona
14.09.2019
15.09.2019 06:41 Uhr

Was die Kapo zur 20Minuten Story sagt

In «20Minuten» wird eine Frau aus Rapperswil-Jona zitiert, welche wegen einer geringen Schuld auf den Polizeiposten und sich dort nackt ausziehen musste.

Der Journalist Jürg Streuli aus Wetziikon hatte den Eindruck, dass diese 20Minuten Geschichte (https://www.20min.ch/schweiz/ostschweiz/story/-Ich-musste-mich-nackt-ausziehen--16743619) nicht alle Facetten beleuchtet. Er fragte bei der Kapo St.Gallen nach und sendete deren Antwort an Linth24. Hier das Originalmail, unterschrieben von Florian Schneider, dem Stv Leiter Kommunikation der Kantonspolizei St.Gallen.

So beschreibt die Kapo den Fall

Ich kann Ihnen folgenden, wesentlichen und unveröffentlichten Teil der Geschichte darlegen: Gegen die Frau wurde durch das zuständige Betreibungsamt aufgrund einer Zivilforderung ein Betreibungsverfahren geführt. Die 75-Jährige wurde aufgrund mehrfachem Ungehorsam des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren bei der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen zur Anzeige gebracht. Dies, weil sie mehrmals auf Vorladung des zuständigen Betreibungsamtes zum Erscheinen nicht reagierte und nicht erschien, obwohl sie von den Vorladungen Kenntnis hatte.

In der Folge wurde sie im November 2017 durch die Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen zu einer Busse von 300 Franken verurteilt. Im damaligen Strafbefehl stand auch, dass bei schuldhaftem Nichtbezahlen der Busse eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen droht. Der Strafbefehl wurde nach Ablauf der ungenutzten Einsprachefrist rechtskräftig.

Im weiteren Verlauf wurde die Frau im Januar und Februar 2018 gemahnt. Diese Mahnungen hat sie erhalten. Schliesslich wurde die Frau erfolglos betrieben. Im März 2019 erhielt die 75-Jährige eine Aufforderung zum Strafantritt im Juni 2019, da die Busse immer noch nicht bezahlt worden war. In diesem Schreiben wurde sie auch darauf hingewiesen, dass bei Nichterscheinen zum Strafantritt die polizeiliche Zuführung erfolgt. Ebenfalls wurde darauf hingewiesen, dass sie die Busse von 300 Franken bis zum Strafantritt bezahlen könne, wobei auch Teilzahlungen möglich seien. Die Frau reagierte nicht darauf, weshalb das Dossier an den Straf- und Massnahmenvollzug weitergeleitet wurde und schliesslich die Kantonspolizei St.Gallen den Auftrag zur Zuführung erhielt.

Eine Patrouille der Kantonspolizei St.Gallen suchte die Frau an ihrem Wohnort auf. Sie wurde anschliessend im Patrouillenfahrzeug und ohne Handschellen zur Polizeistation Uznach transportiert. Auch dort hätte die Frau nochmals die Möglichkeit gehabt die Busse zu bezahlen oder jemanden über die Festnahme zu informieren den geforderten Bussenbetrag hätte vorbeibringen können.

Im Artikel ist erwähnt, dass sich die Frau nackt ausziehen musste. Das ist richtig. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Visitation. Diese wird immer durch Personal des gleichen Geschlechts durchgeführt. Diese Massnahme wird konsequent durchgeführt und dient zur Sicherheit aller Personen in einem Gefängnis. Dabei wird sichergestellt, dass die inhaftierte Person keine gefährlichen Stoffe oder Gegenstände zur Selbstverletzung oder der Verletzung des Personals auf sich trägt. Mit dieser Massnahme kommt die Polizei ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den inhaftierten Personen nach. Dass diese Massnahme unangenehm ist, ist uns bewusst und ist auch für das Personal nicht angenehm. Sie dient jedoch dem erwähnten Zweck.

Aufgrund von notwendigen Verschiebungen von Haftplätzen musste die Frau dann trotz der kurzen Haftzeit in ein anderes Gefängnis verlegt werden. Diese Häftlingstransporte finden schweizweit durch eine externe Sicherheitsfirma und nicht durch die Polizei statt. Sämtliche transportierten Personen werden dabei mit vorne montierten Handschellen gefesselt. Die Transportfahrzeuge entsprechen den geltenden Vorschriften, genauso wie die Transportwege auf einen möglichst angenehmen Streckenverlauf ausgelegt sind. Während einem solchen Transport muss sichergestellt werden, dass die inhaftierte Person nicht entweichen kann oder sich in einem zu grossen Transportabteil verletzen kann.

Reaktionen auf Linth24 Bericht (aktualisiert: 14.9.19)

Auf der Facebook Seite «Gemeinde Rapperswil» entwickelte sich eine heftige Leserdiskussion. Die Meinungspalette war breit. Sie reichte vom Verurteilung der Polizei als Handlanger eines ungerechten Systems bis zur Kritik an der Frau, welche ihre Schulden jahrelang nicht zahlen wollte.

Patrick Cotti schrieb: «Wenn man den Text liest dann ist alles korrekt abgelaufen.» und Martina Duff Caimayo ergänzte: «Selberschuld sorry...werden alle gleich behandelt👍🏻 da muss gar nicht geheult werden... ». Dem hielt zum Beispiel Wilhelm Güntensperger dagegen: «Zu einer Beamtendiktatur gehört „Das“ dazu.......eigentlich als Ergänzung zur Kesb...völlig normal in der Schweiz....» und Marlies Hug meinte: «Die kleinen Sperrt man ein und die grossen Fische lässt man ziehen, so ist die Gerechtigkeit.»

Reagiert hat auch die St.Galler Redaktion von 20 Minuten. Sie fühlte sich - nach Meinung von Linth24 zu Unrecht - durch den Bericht auf Linth24 angegriffen. Der verantworliche Redaktor legte Wert auf die Feststellung, dass der Originalbericht von Blick stamme und bat Linth24 den Bericht von 20 Minuten im Original zu veröffentlichen. Diesem Wunsch erfüllen wir hiermit gerne:

«Ich musste mich nackt ausziehen» Eine Rentnerin aus Rapperswil musste ins Gefängnis. Ein traumatisches Erlebnis für die Frau. Sie hatte eine Rechnung nicht bezahlt und Mahnungen ignoriert.

Auch am Tag danach sitzt der Schock noch immer tief bei der 75-jährigen Renterin aus Rapperswil SG. Sie wurde am Montagmorgen von der Polizei abgeholt und anschliessend im Polizeiauto ins Gefängnis nach Uznach SG gefahren. Gegenüber dem «Blick» sagt die Frau am Dienstag: «Auf dem Posten musste ich mich nackt ausziehen. Im Gefängnis kam ich dann in eine Einzelzelle.» Florian Schneider, Mediensprecher von der Kantonspolizei St. Gallen, bestätigt die Verhaftung. Zu der Leibesvisitation meint er: «Das ist für beide Seiten eine unangenehme Sache. Es dient aber der Sicherheit aller Beteiligten.»

Traumatisches Erlebnis
Für die Frau war es das erste Mal, dass sie in einer Gefängniszelle sass. Nach dem Mittagessen wurden ihr Handschellen angelegt und sie wurde in einen Gefängnistransporter gebracht. Zuerst ging es nach Zürich, um weitere Häftlinge mitzunehmen, anschliessend nach St. Gallen. Zur Fahrt meint die Rentnerin: «Ich hatte etwa die Fläche eines Küchenstuhls zur Verfügung, konnte nicht aufstehen, um mich zu strecken. Mir wurde schlecht und ich hatte Angst.»

In St. Gallen wurde die Frau erlöst. Ihr Sohn hatte die Schulden beglichen und sie durfte gehen. Die Schulden sind auch der Grund für die Verhaftung. Wie die Zeitung schreibt, geht es um einen Betrag von 300 Franken, den die Frau bei einer Krankenkasse noch offen hatte. Deswegen leitete die Krankenkasse eine Betreibung ein, die in der Verhaftung endete.

Chancen verpasst
Wie Polizei-Sprecher Schneider gegenüber 20 Minuten erklärt, liegen zwischen der Rechnung und der Verhaftung Jahre. Er sagt: «Die Frau bekam mehrere Mahnungen. Nach Verfehlungen im Betreibungsverfahren wurde sie bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und gegen sie wurde ein Strafbefehl verhängt. Da alles nichts brachte, wurde sie verhaftet.» Er versteht, dass die Situation für die Frau nicht einfach war, eine Verhaftung sei ein belastendes Erlebnis.

Gleichzeitig erinnert der Polizeisprecher aber auch daran, dass die Frau unzählige Möglichkeiten hatte, die Rechnung zu bezahlen. «Sie hätte ihre Schulden selbst noch direkt vor der Verhaftung bei ihr zu Hause oder auf dem Polizeiposten begleichen können. Dann wäre die Sache erledigt gewesen.» (mig)

Mario Aldrovandi, Linth24