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Kanton
16.07.2024
16.07.2024 07:43 Uhr

Polizei engagiert Superkräfte

Die Kantonspolizei arbeitet mit «Super-Recognizern» (Symbolbild)
Die Kantonspolizei arbeitet mit «Super-Recognizern» (Symbolbild) Bild: Kapo SG
Auf Menschen mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten setzt die St.Galler Stadt- und Kantonspolizei im Kampf gegen das Verbrechen. «Super-Recognizer» erfassen und erkennen Gesichter zuverlässiger als Software.

«Super-Recognizer sind Menschen, die ausgeprägte Fähigkeiten haben, Gesichter wiederzuerkennen und sich Gesichter besonders gut merken können», sagte Stefan Helfenberger, Leiter Ermittlungsunterstützung bei der Kantonspolizei St. Gallen, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Wissenschaft gehe davon aus, dass nur zwei Prozent der Menschen diese Fähigkeiten haben.

Bilder von Überwachungskameras

Wie etwa ein Polizist der Stadtpolizei St.Gallen, der sich bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt sicher war, den Mann früher einmal schon gesehen zu haben. Und tatsächlich, es stellt sich später heraus, dass er einen Straftäter erkannt hat, den er früheren Ermittlungen auf Bildern von Überwachungskameras gesehen hatte.

Stefan Helfenberger leitet ein Pilotprojekt der Kantons- und Stadtpolizei St. Gallen. Dabei die Ermittlungsbehörde den Einsatz von solchen Super-Recognizern. Sechs Polizisten aus Kanton und Stadt St.Gallen können sich gemäss wissenschaftlichen Tests der Universität Lausanne Gesichter aussergewöhnlich gut einprägen und sie wiedererkennen. So sind sie wie eine Gesichtserkennungssoftware fähig, verschiedene Gesichter miteinander zu vergleichen und Aussagen darüber zu treffen, ob es sich um die gleichen Personen handelt.

Mit Fahndungsbildern verglichen

Aktueller Schwerpunkt dabei ist die Bildfahndung. Wenn etwa die Polizei über diverse Überwachungsbilder von verschiedenen Raubüberfällen verfügt. Dabei erfassen die Super-Recognizer diese Bilder und geben eine Einschätzung ab, ob es sich um denselben Täter handelt. Die Überwachungsbilder können auch mit Fahndungsbildern verglichen werden und so allenfalls bereits bekannte Täter dingfest gemacht werden.

Doch nicht nur anhand der Gesichter können die Super-Recognizer tätig werden. So der in der eingangs erwähnten Episode handelnde Polizeibeamte. Denn nicht nur das Gesicht war auf den früheren Überwachungsaufnahmen zu sehen, sondern auch die Hände des Täters. Auf diesen Bildern ist dem Super-Recognizer ein spezielles Nagelbett bei einem Daumen aufgefallen.

Das Nagelbett wiedererkannt

Als er auf dem Polizeiposten die Hände des Täters angeschaut hat, erkannte er das Nagelbett wieder. «Da war ich mir sicher, vor mir war die Person, die ich auf den Bildern der Überwachungskamera gesehen habe», so der Beamte gegenüber Keystone-SDA, «Mir ist aufgefallen, dass ich Körperhaltungen, den Gang oder die Gestik einer Person gut wiedererkenne». Die Ermittlungen haben seinen Verdacht bestätigt und dem Täter konnten mehrere Delikte nachgewiesen werden.

Beim Vergleich von Bildern am Computer genügten wenige Sekunden, um zu wissen, ob er ein Gesicht bereits einmal gesehen habe. Wobei aber eine Person bewusst wahrgenommen werden muss. «Ich kann nicht am Samstag durch die Stadt St. Gallen laufen und erkenne im Anschluss jedes Gesicht wieder.»

Mehrstufiger wissenschaftlicher Test

Die Super-Recognizer bei der Kantons- und Stadtpolizei mussten ihre Fähigkeiten in einem mehrstufigen wissenschaftlichen Test unter Beweis stellen. Durchgeführt hat die Tests die Neurowissenschaftlerin Meike Ramon. Ramon ist Professorin an der Universität Lausanne und eine führende Expertin auf dem Gebiet der Super-Recognizer.

Pauschale Aussagen, ob eine Gesichtserkennungssoftware oder ein Super-Recognizer Gesichter zuverlässiger erkenne, seien zwar nicht möglich, sagt Ramon. Aber: «Unsere Forschung zeigt, dass es Personen gibt, die mit nur wenig Bildmaterial, trotz schlechter Bildqualität und alterungsbedingten Veränderungen die Identität unbekannter Personen so erschließen können, wie es Algorithmen nicht schaffen.»

Das Pilotprojekt läuft voraussichtlich bis Ende des Jahres. Dann wollen Kantons- und Stadtpolizei entscheiden, ob die Super-Recognizer zum festen Bestandteil der Polizeiarbeit werden und ob diese in weiteren Bereichen eingesetzt werden.

Rheintal24/gmh/Agenturen