Im Unterschied zum Bundesrat, welcher zu Beginn einer neuen Legislatur vom Parlament gewählt wird, wählt das St. Galler Volk die 7 Mandatsträger direkt. Der Blick in die Wahlunterlagen dürfte für viele Bürgerinnen und Bürger zur Herausforderung werden: 13 Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich zur Wahl, aber in der Pfalz (Regierungsgebäude) hat es nur 7 Plätze.
Dass man da vor lauter Köpfen bald den Überblick verlieren kann, ist nachvollziehbar.
Viel Lärm um nichts, mögen sich einige sagen und die Wahlunterlagen im Altpapier entsorgen. Bedauerlich und bedenklich, wenn sich bei den letzten Wahlen im März 20 nur gerade 34,43 % an die Urnen bemühten. Offenbar war es der grossen Mehrheit egal, wer die Geschicke des Kantons leitet. Dank den gleichentags stattfindenden Rentenabstimmungen könnte die Mobilisierung und damit die Wahlbeteiligung heuer etwas höher sein.
Viele Bürgerinnen und Bürger haben die Namen der amtierenden und wiederkandidierenden Regierungsmitglieder schon einmal gehört. Aber seien wir ehrlich: Wer nun genau welches Departement führt – mit welchen Herausforderungen – das beschäftigt die wenigsten. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass kantonale Exekutivpolitiker weniger im Focus des öffentlichen Interesses stehen als Bundesräte.
Selbst der Wolfabschuss im St.Galler Calfeisental ist medial primär eine Sache von Bundesrat Rösti. Und erst in zweiter Linie beim zuständigen St.Galler Departementschef, Regierungsrat Beat Tinner. Bern befiehlt – St.Gallen vollzieht!
Die 5 bisherigen und wiederkandidierenden Regierungsmitglieder werden ihre Wiederwahl problemlos schaffen.
Interessant ist höchstens, wie viele Stimmen sie erhalten. Vor 4 Jahren holte Regierungsrat Bruno Damann (Mitte) am meisten Stimmen. Zu erwarten ist, dass er wegen der Diskussion um die Spitalplanung und den Stellenabbau in den Spitälern diesmal kein Spitzenresultat erreicht. Er dürfte das relativ gelassen zur Kenntnis nehmen, zumal davon auszugehen ist, dass er die Legislatur altersbedingt nicht zu Ende führen wird.
Marc Mächler (FDP) bleibt als Finanzchef gefordert. Respekt und Anerkennung findet er parteiübergreifend, wie er wegen des krankheitsbedingten Ausfalls von RR Fredy Fässler (SP) gleich auch noch das Sicherheits- und Justizdepartement leitete. Mächler spricht Klartext: «Der Kanton weist eine unterdurchschnittliche Ressourcenkraft aus – diese muss gestärkt werden», lesen wir in seiner Wahlbroschüre.
Ähnlich Beat Tinner, (FDP) Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements. Mehr Start-ups, mehr Innovation und auch ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Tinner bringt in seinem Wahlflyer eine Trambahn zwischen Gossau, St.Gallen und Wittenbach ins Spiel. Ein interessanter Ansatz.
Auch die beiden Frauen – Susanne Hartmann, (Mitte) Baudepartement, und Laura Bucher (SP) Inneres – werden ihre Wiederwahl problemlos schaffen.
Besonders gefordert bleibt Regierungsrätin Hartmann mit Blick auf die Diskussion um die 3. Rosenbergtunnel-Röhre-Güterbahnhof/Olma-Halle 9.
Laura Bucher hat in den vergangenen 4 Jahren nach innen gewirkt. Grosse Auftritte sind nicht ihr Ding. Das dürfte sich ändern. Für sie wird die geplante Kantonsbibliothek zur grossen Herausforderung. Das Vorhaben wird in der parlamentarischen Beratung und späteren Volksabstimmung einen schweren Stand haben.
Das Grossprojekt ist nüchtern betrachtet aus der Zeit gefallen und passt schlecht in die angespannte Finanzlage des Kantons. Will man bei dieser Vorlage keinen Absturz riskieren, müssen sich die zuständigen Regierungsrätinnen Hartmann (Bau) und Bucher (Inneres) schon noch gehörig ins Zeug legen.
So klar und unbestritten die Wiederwahl der Bisherigen, so offen der Ausgang für die beiden vakanten Sitze.
Das Endresultat dürfte erst am 14. April nach dem 2. Wahlgang feststehen. Der Angriff der SVP auf den zweiten SP-Sitz dürfte aus heutiger Sicht schwierig werden. Mit Christof Hartmann und Dana Zemp bringt die SVP zwei Personen ins Spiel, welche – bei allem Respekt – nicht übermässig überzeugen. Selbst der Freispruch von Christof Hartmann wegen Amtsmissbrauch in einer Streitsache hinterlässt einen schalen Nachgeschmack, zumal das Urteil bis vor Kantonsgericht weitergezogen werden soll.
Trotzdem: Hartmann ist gut vernetzt und hat einen politischen Leistungsausweis als langjähriger Kantonspolitiker. Er könnte den freien SVP-Sitz erobern.
Mit Dana Zemp hat die SVP überraschend eine Frau nominiert, welche auch parteiintern nicht unumstritten ist. Ihr selbstbewusster Auftritt kommt nicht überall gut an. Dass sie ständig von ihrem «gefüllten Rucksack» spricht, lässt aufhorchen. Zudem ist ihr politisches Profil nicht so klar. Im Jahre 2007 kandidierte sie erfolglos für die CVP im Zürcher Kantonsrat. Bekannt wurde sie im Kanton während der Coronakrise. Ihre Funktion als Kantonsärztin verschaffte ihr eine starke Medienpräsenz.
Für den vakanten SP-Sitz von Fredy Fässler wird es für die SVP also eng.
Hier hängt es von der Mobilisierung und von der Unterstützung der übrigen bürgerlichen Parteien ab. Ob FDP und Mitte für den 2. Wahlgang die SVP-Kandidatur unterstützen, ist offen. Denkbar ist eine Stimmfreigabe.
Im zweiten Wahlgang werden die Karten so oder so neu gemischt. GLP und Grüne werden ihre Kandidaten wohl zugunsten der SP-Kandidatin zurückziehen.
Damit verschafft sich Bettina Surber (SP) eine günstige Ausgangsposition. Mit Surber kandidiert eine profilierte und pointiert links politisierende Frau. Sie setzt auf die Karte Familie und Soziales und holt so auch Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. Als Juristin bringt sie zudem ideale Voraussetzungen mit, das Departement von Fredy Fässler zu übernehmen.
Regierungsratswahlen sind Persönlichkeitswahlen. Entscheidend sind primär die Persönlichkeit und erst in zweiter Linie das Parteibuch.
Selbst wenn aufgrund der Wählerstärke der SVP arithmetisch zwei Sitze zustehen würden: Es dürfte für die SVP aus heutiger Sicht schwierig sein, die parteipolitische Zusammensetzung in der Regierung zu ihren Gunsten zu ändern.
Der Blick in die Kristallkugel heute: zwei neue Köpfe in der Regierung. Aber parteipolitisch bleibt alles wie gehabt. Wahltag ist Zahltag. Mitte April sehen wir klarer.