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26.12.2023
27.12.2023 06:54 Uhr

Der Traum vom Fliegen – Teil 3

Otto Lilienthal am Fliegeberg in Lichterfelde, 1895
Otto Lilienthal am Fliegeberg in Lichterfelde, 1895 Bild: Otto.Lilienthal-Museum, Anklam
Oliver Ittensohn vom Stadtarchiv St.Gallen hat die Geschichte der Fliegerei aufgearbeitet. Im dritten Teil: Mit Fluggeräten um die Welt.

Die Ballone ermöglichen das Erheben in die Lüfte, sind aber nach wie vor weit von einem eigentlichen Vogelflug entfernt. Der wohl erste Schweizer, der frei wie ein Vogel durch die Lüfte segeln wollte, war der Drucker und Uhrmacher Jakob Degen (1760-1848) von Liederswil im Kanton Baselland. Im Jahre 1807 stellt er sein selbstgebautes Fluggerät im Grossen Saal der Universität Wien vor. Mit Hilfe von Muskelkraft und zwei Flügeln mit je 6.5 Meter Spannweite hebt er 15 Meter in die Luft ab und schwebt für ca. 30 Sekunden.

Das Problem: Ähnlich wie bei den Montgolfiers zuvor fehlt ihm die Möglichkeit, sich in der Luft in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Dies sollte erst ungefähr hundert Jahre später dem Basler Arnold Böcklin gelingen. Basierend auf den Forschungen des deutschen Otto Lilienthal (1848-1896) gelingt es ihm, ein steuerbares Fluggerät zu entwerfen. Seine Erfindung bleibt jedoch Theorie, zu einem Flugversuch kommt es nie.

Ungefähr zur gleichen Zeit klettert der deutsche Ingenieur Otto Lilienthal in seinen Segelapparat. Es ist der 9. August 1896, das Wetter ist warm und sonnig, es weht nur leichter Wind. Bereits als Kind hatte er von diesem Moment geträumt. Zusammen mit seinem Bruder Gustav bastelt er verschiedene Fluggeräte aus Holz und Federn. Nach ihrem Studium experimentieren die Brüder weiter, beobachten die Auswirkungen des Windes auf Flügel und starten in Turnhallen mehrere Versuchsreihen. Um die Erkenntnisse dann aber zu realisieren, fehlt ihnen das Geld.

Otto, inzwischen Familienvater, entwickelt einen kleinen Dampfkessel und geht damit in Serie – seine Konstruktion findet reissenden Absatz, aus dem Erlös finanziert er seine Flugversuche. 1889 veröffentlicht er zudem seine Forschungsresultate im Buch «Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst». Seine Flugmaschinen lässt er patentieren unter dem Titel «Normal-Segelapparat», die verkauften Lizenzen halten sich allerdings in Grenzen.

Lilienthal mit Flügelschlagapparat am 16. August 1894 Bild: Wikipedia

Und so startet er allein am 9. August mit seinem Normal-Segelapparat in die Lüfte. Anfangs hält sich das Luftgerät stabil, bald wir es jedoch von einer Reihe von Böen erfasst und Lilienthal stürzt in die Tiefe. In einem nahegelegenen Spital erliegt er seinen Verletzungen. Seine Erfindungen sollten jedoch weitereichende Konsequenzen haben.(1)

Der Ort Dayton, Ohio, das Jahr 1892: Zwei Brüder reparieren und fertigen Fahrräder in einer kleinen Werkstatt. Der eine Bruder ist ruhig, verschlossen, liest viel in der Privatbibliothek seines Vaters, der andere verlässt trotz guter Noten die Schule ohne Abschluss und scheitert als Zeitungsverleger. Ihre Namen: Wilbur und Orville Wright.

Technisch begabt und vom Fliegen fasziniert, beginnen sie sich in die Konstruktion eines Flugzeugs zu vertiefen. Sie lesen Forschungsberichte, unter anderem von Otto Lilienthal und stellen ein Anforderungskatalog zusammen. Das Fluggerät soll erstens über Flügel zum Gleiten in der Luft verfügen, zweitens über einen Motor zur Fortbewegung und drittens eine Lenkung zur Bestimmung der Flugrichtung. Unbeirrt beginnen sie mit Testversuchen, bald errichten sie einen eigenen Windkanal, um die Steuerung und Ausrichtung der Flügel zu messen und zu beschreiben.

In Kill Devil Hills, North Carolina im Dezember 1903 dann der Erfolg: Orville Wright setzt sich gegen die Konkurrenten durch. Der Mensch hatte gelernt, mehr zu tun als sich bloss durch einen Ballon in die Lüfte zu erheben, er hatte wirklich gelernt zu fliegen.(2)

(1) GEO Epoche, Ausgabe 86, 2017, S. 40-45.
(2) GEO Epoche, Ausgabe 86, 2017, S. 51-61.

Lesen Sie morgen im vierten Teil: St.Galler Flugpioniere und das Fliegen in der Schweiz.

Oliver Ittensohn