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Lifestyle
11.12.2023
11.12.2023 18:49 Uhr

Airbnb: My home is your castle

Vermutlich viel preiswerter als im Hotel: ein via Airbnb vermietetes Zimmer in Zürich.
Vermutlich viel preiswerter als im Hotel: ein via Airbnb vermietetes Zimmer in Zürich. Bild: Airbnb
Die US-Wohnraumvermietungsplattform Airbnb boomt in der Schweiz. So gibt’s in der Stadt Zürich deutlich über 4'000 Angebote, Tendenz steigend. Trägt dies zur Wohnungsknappheit bei?

Ein englisches Ehepaar hat sich den Traum eines Ferienhauses in Südfrankreich erfüllt. Das alte Steinhaus am Rande eines Dorfes ist geschmackvoll und mit vielen persönlichen Gegenständen eingerichtet. Die Besitzer können es höchstens fünf Wochen im Jahr nutzen. Sonst steht es leer. Kalte Betten gibt es auch im warmen Süden. Doch dank Internet und dank der Entwicklung und Perfektionierung nützlicher Tools wie Google Maps ist es schon seit zwei Jahrzehnten möglich, das eigene Haus auf diversen Plattformen zu vermieten. Stadtflüchtige Menschen finden seither ohne grossen Aufwand wunderbare Hideaways für erholsame Ferien.

Szenenwechsel: Ein Paar in Zürich, beide mit gut bezahlten Jobs, bewohnt ein Apartment mit einem Gästezimmer. Beide sind selbst Globetrotter (gut schweizerisch: «Reisefüdli») und lieben es, Menschen aus aller Welt zu empfangen. Sie nutzen Airbnb, um ihr Gästezimmer weltweit anzubieten, kommen mit ganz unterschiedlichen Leuten in Kontakt und verdienen sich ein paar Tausend Franken jährlich dazu. Ihre Gäste zahlen weniger als für ein einfaches Hotelzimmer, haben aber Kontakt mit «Einheimischen», bekommen von ihnen Tipps, frühstücken vielleicht sogar mit ihnen zusammen.

Erfahrungen eines «Superhosts»

Seit 2008 mischt die Plattform Airbnb diesen Markt privater Vermieter gehörig auf. 2007 wurde sie von drei kalifornischen Studenten erfunden; sie wollten die Suche nach preiswerten Unterkünften erleichtern. Zuerst hiess sie noch wenig glamourös «Airbedandbreakfast», also «Luftmatratze und Frühstück». Heute findet man auf Airbnb auch extravagante Apartments, Villen und historische Schmuckstücke. Mittlerweile hat Airbnb laut eigenen Angaben bereits 1,4 Milliarden Gäste vermittelt und ist in 220 Ländern präsent. Aktuell dürfte es eines der 200 wertvollsten Unternehmen der Welt sein.

Der Markteintritt von Airbnb in Euro­pa und in Teilen der Schweiz fand 2011 statt. Zur Zeit ist die Schweiz ein schnell wachsender Markt. Das ist wohl mit der Grund, dass Emmanuel Marill, Leiter von Airbnb für Europa, Afrika und den Nahen Osten, zum ersten Mal vor die Schweizer Medien trat, assistiert von Kathrin Anselm, seit 2019 General Manager unter anderem für die deutschsprachigen Länder. Der Natur eines solchen Anlasses gemäss erhielten die Journalisten einen bunten Strauss an Fakten und Anekdoten aufgetischt, nebst einem – viel zu opulenten – Znüni.

Am spannendsten war das per Video geführte Interview mit einem Zürcher «Superhost», also einem Airbnb-Gastgeber, der eine beträchtliche Zahl von Gästen beherbergt und dabei konstant sehr gute Bewertungen erhalten hat. Der Superhost, ein Mann um die vierzig mit gewinnender Ausstrahlung, war das Vorbild für das eingangs geschilderte Zürcher Beispiel. Gewiss kann er als Modellgastgeber gelten, als einer, dem der Kontakt mit anderen Menschen wichtig ist, der sich liebevoll um seine Gäste kümmert und der gerne (Geheim-)Tipps zu besuchenswerten Locations in Zürich weitergibt.

Die Kehrseite der Erschwinglichkeit

Doch sein zweifelsohne sympathisches Engagement hat eine Kehrseite. Weil er und sein Partner gut verdienen und nicht aufs Geld angewiesen sind, können sie ihre Preise tief ansetzen. Das bedeutet für die Hotels eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Und die dürfte in Zukunft noch zunehmen. Emmanuel Marill setzt das Argument der Erschwinglichkeit dagegen: Eine vierköpfige Familie müsste zwei Hotelzimmer buchen und mindestens 400 bis 600 Franken pro Nacht bezahlen; sie könnte sich einen Aufenthalt in Zürich nicht leisten. Mit Airbnb aber schon, und erst noch in einer «authentischen Umgebung» mit viel mehr Platz als im Hotel.

Redet man von Airbnb, liegt auch das Thema der für touristische Vermietungen zweckentfremdeten Wohnungen in der Luft. Kürzlich meldete die Stadt Zürich, dass die Zahl der Zweitwohnungen stark angestiegen sei. Entzieht Airbnb dem Markt aber tatsächlich Wohnungen in grösserem Massstab? Die Zahlen scheinen dem zu widersprechen: In der Schweiz insgesamt und auch in Zürich sind laut Airbnb 90 Prozent der Vermieter «Home­sharer», die ihre private Wohnung temporär vermieten.

Auch ein Artikel der «Handelszeitung» vom April bestätigt, dass Airbnb in den Städten eine Nebenrolle spielt: Für Zürich weist er einen Anteil von 1,4 Prozent am gesamten Wohnungsangebot aus, wovon wiederum 90 Prozent dem Markt ja gar nicht entzogen werden. In den Bergregionen ist das anders, aber dort sei, beteuert Marill, Airbnb hoch willkommen. Es leuchtet ein, dass es dazu beiträgt, kalte Betten zu wärmen.

Werfen wir zuletzt einen Blick auf die Plattform selbst. Wer für das kommende Wochenende als Einzelperson ein Zimmer für zwei Nächte sucht, erhält zum Beispiel ein Angebot für total 127 Franken, wobei der Anbieter allerdings noch nicht bewertet ist und einen Rabatt gewährt. Und eine vierköpfige Familie kommt für insgesamt 414 Franken unter, an einer ruhigen Strasse in Wollishofen. Hotelzimmer zu diesen Preisen buchen? Vergiss es.

Airbnb in Zürich

• Airbnb-Unterkünfte in der Stadt Zürich: zirka 4'400, 40% davon sind Zimmer (Stand 2022). • 2022 verzeichnete der Kanton 110'000 Gästeankünfte; dies entspricht Platz 5 der Kantone nach Gästeankünften. • Über 90% der Zürcher Gastgeberinnen und Gastgeber (Hosts) bieten nur eine Unterkunft an (Stand 2022). • Das typische Einkommen eines Hosts in Zürich lag 2022 bei zirka 3'500 Franken. • 53% der Zürcher Hosts sind weiblich. (Quelle: Airbnb)

Tobias Hoffmann, Zürich24 / Linth24