Warum ist Dobler Nationalrat und nicht Kälin?
Bei den Nationalratswahlen erhalten grosse Kantone mehr Sitze als kleine Kantone und Parteien mit einem grossen Stimmenanteil mehr Sitze als Parteien mit weniger Erfolg. Logisch. Konkret hiess das 2023: Der Kanton St.Gallen hat 12 Sitze zugute. Die SVP erhält als stärkste Partei neu 5 Sitze. Je 2 Sitze gibt es für die FDP, die SP und die Mitte. Die Grünen gewinnen 1 Sitz.
Damit man bei der SVP als Kandidat in die Ränge kam, musste man zwischen 60‘000 und 47‘000 Wählerstimmen sammeln. Das gelang den 5 Spitzenkandidaten. Kurt Kälin aus Jona blieb mit seinen 34‘853 Stimmen nur der 11. Platz.
Bei der FDP war die Eingangshürde für den Sitz in Bern bedeutend tiefer. Hier brauchte man für einen der beiden Sitze 30‘000 Stimmen. Marcel Dobler mit seinen 32‘222 Stimmen und Susanne Vincenz-Stauffacher schafften das.
Die Antwort ist also: Weil Marcel Dobler bei der weniger erfolgreichen FDP mitmachte, reichte es ihm und Kurt Kälin hatte im starken Umfeld der SVP das Nachsehen.
Prominenz und Werbebudget reichen nicht
Tanja Zschokke als aktuelle Stadträtin und Rahel Würmli haben eine gewisse Lokalprominenz. Aber als Mitglied der Grünen wurden sie mit der Partei nach unten gerissen, in die Kategorie «ferner liefen». Noch brutaler bekam Urs Bernhardsgrütter, das Urgestein der Umweltschutzbewegung im Linthgebiet, die aktuelle Unpopularität der Grünen zu spüren, nur Platz 26 von 36.
Das Prominenz allein, nicht einmal Kompetenz, für eine Wahl, genügt, gilt für Franziska Steiner-Kaufmann. Die Gommiswalderin ist kantonale Präsidentin der «Mitte», also mitverantwortlich für deren Erfolg. Aber auf dem persönlichen Konto hat sich das nicht eingezahlt. Sie erreichte im internen Parteiranking nur Platz 6.
Und schliesslich ist auch das Werbebudget nicht Matchentscheidend. Das muss Brigitte Bailer von der FDP zur Kenntnis nehmen, die einen grossen Aufwand betrieb, aber schliesslich weniger als ein Drittel der Stimmen wie Marcel Dobler holte.
Was macht Kandidaten erfolgreich?
Dafür gibt es drei Stichworte: Der «Bisherigen»-Bonus, die Persönlichkeit und insbesondere die parteiübergreifende Glaubwürdigkeit. Letztes führt dazu, dass auch klare Parteianhänger bereit sind, einen Kandidaten oder eine Kandidatin einer anderen Partei auf den persönlichen Wahlzettel zu schreiben.
Das Streichen von Kandidaten von einer Liste und das Einsetzen von Namen anderer Parteien nennt man «Panaschieren» (abgeleitet vom französischen Wort «panacher», was auf deutsch «mischen» bedeutet) und wer am meisten panaschiert wird, ist «Panaschier-König» respektive «Panaschier-Königin».
Früher dauerte es Wochen, bis klar war, wer Panaschier-König ist. Heute dauert das im Kanton St. Gallen dank einer ausgeklügelten Datenverarbeitung nur wenige Stunden.
Die Auswertung zeig: Für Kurt Kälin reichte es auch deshalb nicht, weil nur 196 FDP-Stammwähler ihm die Stimme gaben. Sein parteiinterner Konkurrent Mike Egger erhielt dagegen 2‘261 Stimmen vom bürgerlichen Partner.
Panaschierkönig bei der «Mitte» ist der gewählte Nicolò Paganini. Er kassierte von der SVP 2‘123 Stimmen, von der FDP 1‘999, von der SP 556 und von den Grünen 526 Stimmen.
Und Marcel Dobler, der Nationalrat aus dem Linthgebiet? Er gilt als bürgerlicher Hardliner. Das zeigte sich auch bezüglich Parteien-Sympathien: SVP-Stammwähler schenkten ihm 5‘658 Stimmen. Das sind mehr als doppelt soviel, wie für seine Mitgewinnerin Susanne Vincenz-Stauffacher. Auch «Mitte»-Wähler stimmten 2‘992 Mal für ihn. Als nahezu unwählbar galt Dobler dafür bei der SP, wo nur 359 Wähler seinen Namen notierten, dreimal weniger als für Vincenz-Stauffacher.
Doch mit den Stimmen der Bürgerlichen rechts und links von ihm wurde Dobler einer der Panaschierkönige – und erneut Nationalrat.