Für einmal sitzt Giulia Sorrentino auf der anderen Seite: Normalerweise befragt die 28-Jährige ihre InterviewpartnerInnen und KlientInnen, heute stellt sie sich den Fragen der «Bock»-Redaktorin. Neben den persönlichen Life-Coachings, welche die Schaffhauserin seit Herbst 2022 anbietet, hat Giulia Sorrentino den Podcast «The Shameless Place» (Deutsch: der schamlose Ort) ins Leben gerufen. In diesem sprechen ExpertInnen und Betroffene über gesellschaftliche Tabuthemen und ihre eigenen Lebensgeschichten: Angefangen bei emotionalem Essen und Fressattacken über Fragen wie «Was willst du wirklich in einer Beziehung?» oder «Was sind die Konsequenzen, ohne einen Vater aufzuwachsen?» bis zu einem Interview mit einer Energieheilerin zum Thema Krankheiten. «Mit meinem Format will ich Denkanstösse zu mit Scham behafteten Themen geben», so die Podcasterin. Die Folgen dauern zwischen 15 Minuten und 1,5 Stunden – 15 an der Zahl hat die Schaffhauserin bisher veröffentlicht und zählt durchschnittlich zwischen 80 und 200 HörerInnen.
Das Gespür für Menschen
Giulia Sorrentino ist in Herblingen aufgewachsen und hat dort die obligatorische Schule absolviert. «Ich wusste immer, was ich beruflich nicht will, aber nie, was ich will», erinnert sie sich. Nach dem zehnten Schuljahr, das die Pferdefanatikerin berufsbegleitend neben dem Praktikum zur Bereiterin absolvierte, entschied sie sich nach langem Überlegen für eine Lehre als Coiffeuse. «Ich habe den Beruf geliebt – das Kreative, etwas mit den Händen zu erschaffen und gleichzeitig so viele verschiedene Menschen kennenzulernen.» Auch nach Lehrabschluss arbeitete sie über fünf Jahre im Beruf weiter. Was sie jedoch immer störte: «Man musste sehr viel leisten und hat wenig verdient. Ich habe in dieser Zeit gelebt, um zu arbeiten.»
Daraufhin weitete sie ihren Blick aus: «Psychologie, Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität haben mich schon immer interessiert», erzählt sie. «Auf natürliche Art habe ich ein gutes Gespür für Menschen und las bereits als 13-Jährige Bücher zu diesen Themen.» Somit entschied sie sich für die einjährige Ausbildung zur ILP-Coachin. Hauptberuflich arbeitete Giulia Sorrentino zwischenzeitlich in der Produktion bei der IWC, später in einem Kaffeemaschinengeschäft und aktuell in der Kleiderboutique La Strada in der Schaffhauser Altstadt. «Ich war schon immer vielseitig interessiert.» Doch ihre Berufung fand sie erst im Coachingbereich – woraufhin sie weitere Tages- und Wochenendseminare besuchte und mittlerweile ihr Festanstellungs-Pensum in der Boutique auf 50 Prozent reduziert hat.
Eigenen Lösungsansatz finden
Den definitiven Schritt in die Selbständigkeit machte Giulia Sorrentino im Herbst 2022. «Momentan gibt es einen richtigen Boom an Coaching-Angeboten», stellt die 28-Jährige fest. «Und trotzdem hat es lange gedauert, bis ich es wirklich wagte.» Gezielte und die richtigen Fragen stellen und ihr Gegenüber intuitiv spüren sieht sie als ihre grössten Stärken. «Der Ansatz der Hilfe zur Selbsthilfe ist für mich besonders wichtig. Die Menschen sollen ihren Lösungsansatz finden und von keiner Therapie und keinem Coaching abhängig werden.» Sie selbst hat wertvolle Erfahrungen damit gemacht. «Es gibt immer wieder Punkte im Leben, in denen man alleine nicht weiterkommt. Und in diesen Momenten ist man sich selbst zu nahe und es tut gut, wenn einem jemand den Spiegel hinhält.»